Was beim Rundfunkbeitrag alles falsch läuft

26.03.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Ein argloser Brief
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Ein argloser Brief
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Die öffentlich-rechtliche Beitrags-Maschinerie umgibt eine nebulöse Arroganz, die nach einem neuen Grundsatz-Urteil nicht abnehmen wird. Diese Selbstsicherheit fußt auf einer bürokratischen Distanziertheit. Den Rundfunk-Gegnern stinkt aber vor allem die dabei betriebene Willkür.

In ausnahmslos jeder mir bekannten WG liegt irgendwo eine offene Rundfunkbeitragsrechnung rum. Der harmlos aussehende Schrieb hängt an Kühlschranktüren, liegt auf kaffeefleckigen Wohnküchentischen und wird dort hin und wieder mit einem stirnrunzligen Sorgenblick bedacht - keiner will und manchmal habe ich den Eindruck, keiner könnte sich darum kümmern, selbst wenn er wollte. Auf Nachfrage heißt es meist lapidar, wir schauen mal, was passiert. Passieren kann ziemlich viel, der Rechnungsbetrag steigt unerbittlich mit jedem Monat, Mahngebühren tröpfeln immerfort. Richtig ungemütlich wird es aber erst, wenn das bürokratische Ungetüm des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice, sich in die Dunkelheit verkriecht, also überhaupt keine Mahnungen mehr schickt.

Es ist an der Zeit, über das deutsche Fernsehen und den „Rundfunkbeitrag“ zu sprechen. (Cicero)

Der Rundfunkbeitrag stinkt vielen Verbrauchern gewaltig. Manchen sogar so sehr, dass letzte Woche 30 Klagen gegen den Rundfunkbeitrag vors Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gingen, die letzte Instanz in der Sache. Angezweifelt wurde von den Klägern, die Verfassungsrechtlichkeit des Rundfunkbeitrages in ihrem speziellen Fall, denn sie alle insistierten, weder ein Radio noch ein TV-Gerät zu besitzen. Zwei Tage später weist das Gericht die Klagen zurück. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Der Rundfunkbeitrag ist verfassungsgemäß . Die neuen Medien schlagen den Klägern ein Schnippchen, schließlich lassen sich auch mit einem Laptop oder einem Smartphone Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten abrufen, weshalb die Gebühr pauschal erhoben werden dürfe, so die Argumentation der Beklagten, der das Gericht Folge leistete. Der neuerliche Erfolg wird die Arroganz des Beitragsservice wohl nur fördern, denn dieses juristische Basta hatte es ziemlich in sich.

Aber die Kläger, 26 von ihnen sind Privatleute, werden den Rundfunkbeitrag wahrscheinlich nie akzeptieren, schlicht aus dem profanen Beweggrund heraus, nicht für etwas zahlen zu wollen, das sie nicht nutzen. Oder noch schlimmer, eine Dienstleistung zu vergüten, derer man ob fehlender Empfangsgeräte gar nicht habhaft werden kann. Auch die WGs, die ich kenne, können das oft aus vollem Herzen behaupten, zumindest Teilmengen davon. Zahlen muss in einem gemeinsamen Haushalt einer stellvertretend für alle, was die Sache bei Wohnungen mit hoher Mitbewohner-Fluktuation jedoch nicht unbedingt einfacher macht .

Wie viel Wahrheit nun hinter diesen Reinwaschungsbehauptungen steckt, ist ja erstmal unerheblich. Was den wiederwilligen Zahler auf die Palme treibt, ist die Willkür bei der Erhebung und vielen raubt wahrscheinlich auch die plötzlich fühlbare an der Privatperson ausgeübte Staatsmacht den Atem. So unmittelbar bekommt der rechtschaffende Bürger den kleinen Finger des hobbesschen Leviathan vielleicht noch beim murrenden Verfassen der Steuererklärung oder bei einer Alkoholkontrolle zu spüren. Einfach weiterfahren ist nicht drin, und einfach nicht zahlen eben auch nicht, zumindest nicht auf Dauer. Der Bürger fühlt sich vom Staat genötigt und wird in seiner Rolle jäh ganz klein und machtlos –das klassische Kafka-Motiv aus Der Prozess. Denn wenn es um den Rundfunkbeitrag geht, werden selbst Biedermänner zu politischen Aktivisten - oder Wutbürgern, je nachdem. Aber allem Widerstand zum Trotz muss auch Josef K. am Ende die unerbittliche Vollstreckung der Staatsgewalt hinnehmen. Ein komplexer bürokratischer Korpus hält den Verbraucher auf Distanz.

Ist der Rundfunkbeitrag eine Zwangssteuer? (Der Tagesspiegel)

Den bürokratischen Korpus, der hinter dem Rundfunkbeitrag arbeitet, stelle ich mir wiederum vor wie jenen Bau aus Kafkas Das Schloss, dunkel, verschlungen und irgendwie nicht fassbar. Oder kann sich irgendjemand denken, wie diese Beitragsservice-Zentrale in Köln aussieht, hat sie womöglich schon mal jemand leibhaftig gesehen? Bitte melden. Nicht umsonst wird ein großer Teil der Erträge allein für Verwaltungs-und Pensionskosten aufgewendet . Beim Versuch der vernünftigen Kommunktionsaufnahme, deren letzte Instanz eben der Gang vors Gericht ist, stößt man trotzdem gegen Mauern. Und dass ein Anruf bei der Service Hotline  Geld kostet, ist schon ein starkes Stück.

Zum Zahlen, denn irgendwann zahlt halt doch jeder, treibt einen dann eher die Angst vor einer anonymen Macht als das schlechte Gewissen, also nicht die eigene Moral, sondern die Staatsgewalt. 8,324 Milliarden Euro bezieht der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice jährlich von den deutschen Haushalten. Darin enthalten sind, so heißt es in einer offiziellen Mitteilung, allerdings auch offene Forderungen, also die noch nicht gezahlten Beiträge von Prellern, mit denen ganz selbstsicher betriebswirtschaftlich geplant wird. Irgendwann kriegen die ihr Geld schon. Gnade vor Recht  ergeht nur bei BAföG- und Hartz IV-Beziehern oder taubblinden Menschen. Immerhin: „Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 %“ können bei entsprechenden Attesten eine Ermäßigung beantragen.“ It’s something.

Rundfunkbeitrag: Ärgernis oder wichtig für Unabhängigkeit und Qualität? (Südddeutsche Zeitung)

Und weil sonst jeder zahlt oder zahlen wird, platzt die Kasse der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten seit der Einführung des Rundfunkbeitrags am 1. Januar 2013 aus allen Nähten. Hier  vermeldet der Beitragsservice Mehreinnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro aus den Jahren 2013 und 2014. Warum muss das ZDF dann die Vorabend-Dramaturgie Der Rosenheim-Cops mit lukrativer Werbung malträtieren ? Und warum ist das künstlerische Destillat der Milliarden-Einnahmen nicht gehaltvoller als die Rosenheim-Cops und Die versteckte Kamera? Warum wissen die Zahler nicht, was mit ihrem Geld passiert? Warum ist das davon finanzierte Programm meist eher dürftig und quotengetrieben? Warum wird, mit diesen ganzen Rücklagen auf der hohen Kante, nicht mehr experimentiert? Und warum denkt bei der ARD noch immer niemand ernsthaft darüber nach, von dem Geld einen reinen Nachrichten-Sender, wie er immer wichtiger wird, zu finanzieren?

Das Bürokratie-Ungetüm in Köln weiß es wahrscheinlich selbst nicht. Ihm fehlt eine bindende Ethik. Ihm fehlt eine Botschaft, ihm fehlt es an Identität, Kommunikationsfähigkeit und Verstand. Vermutlich verschanzt es sich deshalb hinter einem so mächtigen Bürokratie-Wall. Deshalb sind Unmut und Unverständnis dort, wo eigentlich Vertrauen sein müsste.

Die gespenstischsten Szenen in Haruki Murakamis Roman 1Q84 gehören einem körperlosen Gebühreneintreiber des japanischen Staats-Fernsehens. Ein hartnäckiges Geschöpf, das an Türen und den Widerstand entschlossener Nichtzahler weichklopft. "Machen sie es sich nicht so schwer.", sagt es. "Zahlen Sie ihre Gebühren. Dann haben Sie wieder ihre Ruhe." Und: "Ich komme bald wieder. Wenn es klopft, bin ich es."

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