Verkanntes Meisterwerk
„Schon tausend Mal gesehen!“, „Nicht mal als Parodie gut!“, „Überhaupt nicht gruselig!“, „Was soll das Einhorn?!“ – diese und andere haarsträubende Aussagen durfte ich hier auf Moviepilot im Zusammenhang mit The Cabin in the Woods (kurz: TCITW) lesen. Es ist mir ein Anliegen, zu erklären, was TCITW zu
einem so außergewöhnlichen Meisterwerk macht, darum warne ich
vor MASSIVEN SPOILERN. Ich werde unter anderem die
obigen Fragen beantworten und aufzeigen, wo der Film mit seinen
Möglichkeiten spielt. Die Pointe nehme ich gleich vornweg: TCITW sagt
aus, dass jeder in Amerika produzierte Horrorfilm, der so klischeehaft
abläuft wie dieser, eigentlich ein in der Realität stattfindendes Ritual
ist, um die Alten Götter zu besänftigen, damit diese die Welt nicht
vernichten. Da der Mensch von Natur wegen kapitalistisch
veranlagt ist, wird nicht einfach ein Opfer dargebracht, nein, es wird
eine (vermutlich staatliche) Institution damit beauftragt, aus
ebendiesem Ritual Horrorfilme zu schustern, um sie gegen Geld zu
verkaufen.
Die Klischees
Ohne die altbekannten Horror-Klischees funktioniert TCITW nicht. Fünf
Jugendliche fahren in eine Hütte in einem weit abgelegenen Wäldchen, um
zu feiern. Die Grundstory ist in einem Satz erklärt und deshalb so
leicht verständlich, weil wir sie aus zig anderen Horrorschinken kennen.
Den Grundstein hierfür legte anno dazumal Sam Raimi mit dem
(mittlerweile) Genrekönig Tanz der Teufel,
an den sich TCITW großzügig anlehnt. Dabei parodiert TCITW das gesamte
Genre nicht, sondern hommagiert es – alleine schon mit dem Titel. Das
Monster Mash Up im letzten Drittel des Films untermauert das noch
deutlicher. In keinem Moment während des Films kommt eine Verballhornung
dieser Klischees vor, viel mehr kopiert und projiziert der Film das
Szenario, die kategorisierten Jugendlichen, die oft gesehenen Untoten
Hinterwäldler, ja, sogar die letzte Warnung durch einen abgewrackten
Typen. TCITW rezitiert und ironisiert sich sogar selbst. Wer in den
Genuss kommt, sich den Streifen ein zweites Mal anzuschauen, der wird
genau das feststellen. So wird auf dem Weg zur „Cabin“ gesagt, dass man
doch mal ein Wochenende ohne Internet und Handy verbringen und für sich
alleine sein möchte, weil die heutige Gesellschaft durch den
Kontrollzwang ihre Augen überall habe. Diese Aussage wird ganz einfach
ad absurdum geführt, weil die Fünf unter permanenter Beobachtung stehen,
ohne es zu wissen. In einer späteren Szene unterhalten sich zwei der
Protagonisten darüber, dass irgendetwas nicht koscher sei und sie die
Gefahr im Falle des Falles gar nicht ahnen würden. Mahnend wie das
Damoklesschwert hängt unscharf im Hintergrund ein mit Lefzen
hochgezogener Wolfskopf, mit dem eines der Mädchen kurz zu vor noch im
Rahmen eines Wahrheit-oder-Pflicht-Spiels gezüngelt hat – symbolisch
dafür, dass die Jugendlichen mit der Gefahr spielen. Es gibt noch
weitere beispielhafte Szenen, die die Selbstironie unterstreichen, zum
Beispiel jene, in der ein von einer Seite durchsichtiger Spiegel eine
tragende Rolle spielt. Jeder dieser Szenen aufzudröseln würde allerdings
den Rahmen sprengen.
So läuft der Film zu zwei Dritteln so ab, wie man es erwartet und kennt (fokussiert auf die Handlung der jungen Menschen) – und das ist genau der Weg, den er gehen soll, wie schon viele andere Gruselstreifen vor TCITW. Dabei will er zu keiner Zeit besonders gruselig oder lustig sein – zumindest nicht so, wie es Parodien wie Scary Movie sein wollen, die das Ziel haben, das Horrorgenre auf den Arm nehmen.
Die Firma
Die Firma ist dazu da, das Treiben der Opfer in der Hütte zu beobachten
(respektive die fünf Todgeweihten erst mal in die Ausgangslage zu
bringen) und nötigenfalls einzugreifen. Dabei nehmen die beiden
„Spielleiter“ die eigentliche Position der Zuschauer ein (was durch den
Büroalltag in der ersten Szene noch unterstrichen wird) und handeln wie
ebendiese: Sie stellen Wetten an, wie die Jugendlichen getötet werden,
sie starren lechzend auf den Bildschirm, sobald eine weibliche Brust zu
sehen ist, sie machen sich sogar über den in Rätsel sprechenden
Redneck-Tankwart lustig, der ihr eigener Kollege ist – all das, was wir
bei einem regulären Horrorfilm, mit Freunden und guter Stimmung auch tun
würden. Damit wird den eigentlichen Zuschauern und Voyeuren der Spiegel
vorgehalten und die beiden Knöpfchendrücker haben wesentlich mehr
Bedeutung, als das Geschehen zu überwachen und den Film individueller zu
machen. Der Praktikant wiederrum ist das moralische Gegengewicht.
Die Firma an sich steht, wie anfangs erwähnt, auf dem Standpunkt der
Geldeintreiberei und liegt sogar im Wettbewerb mit anderen Ländern, die
mit eigenen, angepassten Ritualen die selbe Show vollführen. Den
Zuschauern solle etwas geboten werden, heißt es in einer Szene. Dabei
verlieren sie ihr Ziel, die Großen Alten zu besänftigen, niemals aus den
Augen – schließlich hängt das Schicksal der gesamten Menschheit von
ihnen ab. Besagte alte Götter sind ebenfalls eine Hommage. Vor knapp 100
Jahren hat H.P. Lovecraft, Mitbegründer des modernen Horrors, die Cthulhu und die „Großen Alten“ erdacht, an denen sich TCITW bedient.
Das letzte Drittel
Sobald die Überlebenden der Sache auf die Schliche gekommen sind und
sogar das Büro der Spielleiter infiltrieren, legt TCITW die Karten auf
den Tisch. Mit der Mega-Monster-Schlachtplatte sollte klar werden, dass
die Rituale schon zu hunderten auf verschiedenste Weisen durchgeführt
wurden – zumal man einige Kreaturen wieder erkennt oder sie Anleihen auf
andere Filmmonster sind oder sogar einem die ganze Idiotie vor Augen
führen, wie das eingangs erwähnte Einhorn, das quasi als Antithese
symbolisiert wird. Ab hier kann man TCITW auch nicht mehr viel
andichten, geht es doch schnurstracks auf das konsequente Ende zu, dass
alles vorhergewesene obsolet werden lässt. Somit endet dieser Streifen,
in den ich noch wesentlich mehr hinein interpretieren könnte, mit einem
simplen Zitat: „Pffff, Menschen“. Und treffender hätte man die gesamte Aussage und Moral des Films nicht zusammenfassen können.