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Essay: Das Trauma der ewigen Revolution im mexikanischen Film

19.02.2023 - 10:45 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
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"Eine Revolution ist nicht ein Dinner, bei dem man die Gäste einlädt, sondern ein Kampf, bei dem man sie besiegt."

– Emiliano Zapata

Mexiko hat, neben anderen lateinamerikanischen Ländern, eine lange Geschichte struktureller Probleme, wie etwa die Benachteiligung von bestimmten Gruppen aufgrund ihrer Ethnie und Abstammung, Geschlecht oder wegen der Herkunft aus verarmten oder bildungsfernen Gesellschaftsschichten, die eine große soziale Ungerechtigkeit hervorgebracht hat. Diese Probleme sind in den Institutionen, Regeln und Praktiken verankert, die die Gesellschaft kontrollieren und formen, und lassen sich nicht durch eine einfache Veränderung der Handlungen einzelner Individuen beheben.

Um dieses Thema genauer zu beleuchten, werde ich drei mexikanische Filme aus vorstellen, die ich zunächst nicht mit einem bestimmten Ziel ansah. Der Zufall führte mich dahin, zu entdecken, dass diese Filme, die in keinem gewollten Kontext ihrer Schöpfer zueinanderstehen, aber dieselben Phänomene in unterschiedlichen Epochen der mexikanischen Geschichte abbilden. Dazu gehört Roma, New Order - Die neue Weltordnung und Der Würgeengel.

Jeder dieser Filme bietet ein einzigartiges Verständnis dafür, warum viele Mexikaner im Laufe der Geschichte des Landes, Gewalt, Putsche und Revolutionen als einzige Lösung ansahen, um die Veränderungen herbeizuführen, die sie für notwendig hielten, wenn sie das Gefühl haben, dass es keine andere Lösung gibt. Die Mexikaner sind aber nicht das einzige Land auf dieser Welt, die solchen Problemen ausgesetzt sind, die die moralische Frage der Legitimation von Gewalt in den Vordergrund rückt.

Deshalb soll die Beschäftigung mit diesen Beispielen aus der mexikanischen Geschichte Erkenntnisse liefern, die auf aktuelle Probleme überall auf dieser Welt transferiert werden können, um eben die chaotischen Zustände und das Leid eines gewaltvollen Wandels weniger gewaltvoll zu gestalten, was in der Geschichte der Menschheit bisher noch nicht erreicht wurde.

[Diese Einleitung wurde zu 80% mit Hilfe von ChatGPT erstellt, das Zitat ist von ChatGPT gewählt, nachdem ich folgende Anweisungen gegeben habe: Ich benötige eine Einleitung zu einem Text, in welchem ich drei mexikanische Filme vorstelle, aus unterschiedlichen Jahrzehnten, die sich mit sozialer Ungerechtigkeit, Diskriminierung aufgrund von Ethnie und Herkunft sowie struktureller Probleme auseinandersetzen, bei welchen Gewalt, Putsche und Revolution als einzige Lösung angesehen wurde die Missstände zu ändern. Nutze ein historisches Zitat, nenne Filme als Beispiel die in Mexiko spielen, welche die Bezüge aufweisen. Meine Filme hat er nicht gefunden, er hat eigene genannt, also habe ich sie nachträglich in den KI-generierten Text eingefügt.]

Es folgt zunächst die Rezension der drei Filme. Anschließend werde ich mit ChatGPT einen Dialog über die Frage nach Gewalt als legitimes Mittel zur Beendigung von systematischer Ungerechtigkeit und Leid führen, beispielhaft bezogen auf die Aktionen der "Letzten Generation" und das Essay mit einem Fazit abschließen.

ROMA - Im Leid vereint – Keine Männer, kein Leid!

Als ROMA 2019 für so viel Oscars nominiert wurde und schließlich drei erhielt, bin ich auf diesen Film aufmerksam geworden und beschloss ihn mir zuzumuten. In der Pädagogik nennt man die Methode jemand mit etwas außerhalb seiner persönlichen Präferenzen und Horizonts zu konfrontieren „Zumutung“. Damit ermutigt der Pädagoge den Lernenden aus seiner Komfortzone herauszutreten und Grenzen zu überschreiten indem er ihn mit einer ausgewählten Herausforderung konfrontiert, ohne diese vorher näher zu beschreiben, sondern einfach in die Explorations-Perspektive versetzt, um das Unbekannte zu entdecken.

Als guter Pädagoge setzt man sich der Zumutung auch selbst aus und so war mir vor dem Ansehen von ROMA vieles gar nicht klar. Erstens rechnete ich eher mit einem Film über die Ethnie der Roma und zweitens hätte ich nicht gedacht, dass ich mich in den ersten Minuten in einer Umwelt wiederfinde, die ich ethnisch und historisch nicht schnell einordnen konnte. Auch wenn es anstrengend war sich zurecht zu finden war es anstrengend und spannend zugleich herauszufinden wo ich nun gelandet bin. Der Blind-Date-Effekt löst eine kognitive Aktivierung im Gehirn aus, bei der man in einen Flow versetzt wird, woraus man die Umwelt und die Handlungen viel genauer beobachtet, um eine Orientierung zu finden. Man ist so aktiv, als wäre man dabei und nicht nur Zuschauer, denn für das menschliche Gehirn ist nichts schlimmer als Orientierungslosigkeit. Sofort beginnt man Hypothesen zu bilden.

[Schon Babys bilden im Mutterleib und nach der Geburt Hypothesen über ihre Umwelt. Diese wichtigste Ressource der menschlichen Spezies, verlieren viele Menschen mit zunehmendem Alter eher, je mehr sie durch ihre gewohnten Erfahrungen verlernen neues zu verarbeiten und so vom Gehirn in einen Energiesparmodus versetzt werden.]

Meine Hypothesen über das Gezeigte im Film rollen wie Lawinen herunter. Zu Beginn werden indigene Hausangestellten bei der Arbeit gezeigt, die aber auch philippinischer Herkunft hätten sein können, doch dann hört man spanische Sprache, wobei die spanische Sprache auf den Philippinen auch nicht falsch wäre, denn die Philippiner haben spanische Namen und viel spanische Kultur durch ihre spanische Kolonialherren angenommen. Ich bin jedenfalls noch unsicher. Sobald aber die spanischen Hausherren auftreten, welche völlig anders aussehen, als ihre indigenen Angestellten, stellt sich die Gewissheit heraus, dass es Mittel- oder Südamerika ist, in welcher Umgebung ROMA spielt.

Schließlich werden die letzten Zweifel ausgeräumt, dass man sich in Mexiko befindet, wenn Tacobars, Dias-de-Los-Muertos-Puppen und Präsident Luis Alvarez zu sehen sind. Zeitlich ist das Ganze schwieriger einzuordnen. Da Mexiko damals ein Entwicklungsland war und oft sozialistisch regiert wurde, kann man bei der Mode und bei der Technik schon 10 Jahre Rückständigkeit mit einberechnen, so dass die Mode der 60er Jahre auf die 70er Jahren hindeuten könnten. Nach dem Film habe ich das recherchiert. ROMA, von Alfonso Cuarón, spielt im Jahr 1970.

Nicht zu wissen wo und wann man hingeraten ist, hilft einem sich allgemein ganz anders in Kunstwerke und ihre Umwelt hineinzudenken. Ich kann nur so vielen wie möglich dazu raten sich etwas „zuzumuten“ was einem völlig unbekannt ist, über das man sich vorher nicht so genau informiert hat, aber sein Wissen später zu ergänzen. Weitere Hypothesen, die mir damit möglich wurden, waren zum Beispiel, dass ich sofort die Klassenunterschiede zwischen den indigenen und spanischen Mexikanern und ein gewisser Separatismus beobachten konnte, was zu einer tragenden Säulen dieser Meta-Rezension wird.


Man ist in Deutschland auch eine gewisse Milieutrennung gewohnt, was Einkommen und Bildung betrifft, wobei hier auch viele Vorurteile bestehen, womit die realen Bedingungen auch etwas dramatisiert werden. Aber wenn man sich den Zustand der Gesellschaft in ROMA anschaut, merkt man einen tatsächlichen eklatanten Unterschied. So vermischt sich die Bevölkerung scheinbar gar nicht, sondern bleibt in bestimmten Milieus und absolut ethnisch verschränkt.

Die Indigenen bei ROMA haben durch die gesellschaftlichen Strukturen scheinbar weniger Bildung, infolge dessen weniger Bildungschancen, schlechtere Berufe und ärmlichere Lebensverhältnisse. In der reichen Familie lässt es sich nicht beobachten, aber die gesellschaftlichen Umstände in der Öffentlichkeit lassen den Schluss zu, dass es im Mexiko der 1970er einen Rassismus oder mindestens eine Geringschätzung der indigenen Kultur gibt. Politisch brisante Dinge über das Verhältnis zwischen Indigenen und Spaniern erfährt man bei ROMA in Nebensätzen, z.B. dass Indigene Landenteignungen erleiden mussten. Man muss schon genau zuhören und die Nebensätze später in den Gesamtkontext und Recherche-Ergebnisse einfließen lassen. Wenn man den Gesprächen folgt, kann man hören, dass die die spanischen Mexikaner sich selbst sehr viel an der amerikanischen Kultur orientieren, was man bei den Gesprächen über Hollywoodfilme, Disneyland und American Football heraushören kann.

Hier setze ich mir den Anreiz meine These zu überprüfen, dass dies daran liegt, dass viele spanischen Mexikaner gerne zu den USA gehört hätten, aber nach dem spanisch-amerikanischen Krieg die Opposition der Separatisten gewonnen hat. Dazu werde ich geeignete Filme recherchieren.

Inhaltlich gestaltet sich die Handlung bei ROMA folgendermaßen. Die indigene Hausangestellte Manita ist von einem Mann aus ihrer Peer-Group schwanger, welcher sich aber aus dem Staub macht, als er davon erfährt, während der Vater der spanischen Familie, seine Frau mit den vier Kindern im Stich lässt. Lässt die Hausherrin anfangs noch ihre schlechte Laune an den Hausangestellten aus, entwickelt sich trotz der Klassenunterschiede schnell eine Solidarität zwischen Manita und ihr, was die Konsequenz ihrer drastischen Erfahrungen der Frauen mit dem gemeinsamen Leid ist, das ihnen die Männer zufügten. Aber dieses Phänomen der patriarchalischen Strukturen und den verlassenen Frauen ist eines, das in den 1970er Jahren genauso in den reichen Industrieländern zu beobachten war, mit massiv ansteigenden Scheidungsraten.

Die emotionale Verbindung der Frauen kann jedoch die Tragödie der sozial benachteiligten Manita kann nicht verhindern, denn als Manita das Kind im OP zur Welt bringt, hing schon im Vorfeld ein Damokles-Schwert über der herannahenden Geburt.

Es gab davor schon unheilvolle Vorausdeutungen etwa mit dem Erdbeben auf der Säuglingsstation, dem Symbols des zerbrochenen Krugs etc. und ihre Situation als alleinstehend Mutter ist sowie so schon schwierig. Wie soll sie so Geld verdienen um zu überleben, wie würde sie von der Gesellschaft angesehen werden? Manita sieht keinen Ausweg, wird sie von von solch prekären gesellschaftlichen Verhältnissen determiniert. Eine Abtreibung, in einem erzkonservativen christlichen Land, Anfang der 70er Jahre, stand nicht zu Debatte, weshalb darüber auch nicht im Geringsten gesprochen oder Andeutungen gemacht werden. Hilfe konnte sie aber auch nicht erwarten, um ihr Kind und sich durchzubringen. Eine Abtreibung wird zwar nicht angedeutet, doch mit einem Perspektivwechsel und Empathie bemerkt man am Verhalten von Manita, wie sie sich fühlt und was sie denkt. Es ist eine außergewöhnliche schauspielerische Leistung, die Gefühle, den inneren Zerriss so authentisch darzustellen.

Ohne empathischen Zugang, würde man nach der Totgeburt des Kindes denken: Schade, dass Manita eine Totgeburt erleiden muss. Doch mit Empathie kann man deutlich bemerken: Sie wollte nicht, dass das Kind lebt und so geschah es auch. Die Totgeburt war von Manita gewollt und damit ist es keine Überraschung, als sie später gestanden hat, was sie tat, damit sie auch jene Zuschauer überzeugt, die ihre inneren Vorgänge bis dahin nicht bemerkt haben. Damit wird auch klar, dass eine Mutter ihr Kind im Mutterleib allein durch psychische Kräfte töten könnte, wenn sie den Willen dazu hat, ohne dass man ihr eine Abtreibung nachweisen kann. Diese Tat ist keine Fiktion, so etwas ist unter bestimmten Umständen möglich, denn der psychische Zustand Manitas verändert ebenso auch ihre Physis. Schade um das kleine Wunder Leben.

Manita leidet sichtlich darunter, denn wäre sie gerne Mutter geworden, allerdings unter würdigen Lebensumständen, aber ihre Handlung war aus reiner Not entstanden und die Folge ihrer Naivität. Schließlich muss ihr Leben weitergehen und das nächste Mal ist sie nicht so naiv. Sicher gibt es Problemlagen, in denen eine Abtreibung ein Ausweg darstellt. Allerdings ist eine Gesellschaft, in der man ein Kind töten muss, weil es und die Mutter sonst keine Chance haben, sogar in Armut geraten, eine kranke Gesellschaft. Die Tötung von ungeborenem Leben kann nicht die Lösung sein, sondern eine kaputte Gesellschaft muss so verändert werden, dass die Tötung von ungeborenem Leben nicht als Ausweg gesehen wird.

Die Klassenunterschiede sind der Hauptaspekt ROMA, denn am Ende gelangt man zu dem Fazit, dass die Klassenunterschiede, wenigstens im gemeinsamen Leid untergehen können, sofern sich hier eine Allianz zwischen Frauen bildet, die in der Gesellschaft gemeinsam Diskriminierungserfahrungen erlebt haben. Berührend ist hier die Geschichte der überwundenen Klassenunterschiede, die Solidarität und die Kraft der weiblichen Emanzipation, wenn sie auch die desaströsen Zustände der Gesellschaft allgemein in Nebensätze verpackt.

Diese Vordergründigen Erfahrungen der beiden Frauen, vereint im Leid, triefen aber vor Melodramatik, wie das Blut ein Stier nach einer Tauroktonie aus dem Hals. Die sehr intime bittersüße intime Geschichte von Manita ist imstande die chaotischen Zustände des Landes und die blutigen Studentenrevolten zu überdecken, welche den eigentlichen historischen Hintergrund dazu bilden: Das Fronleichnam-Massaker im Jahr 1971.

Faszinierend ist die intime Zeitreise in das Mexiko der 70er Jahre gelungen. Man hätte schwören können, dass der Film in dieser Zeit gedreht wurde, so unfassbar authentisch wirkt das Ganze. Der Film ist mit viel Anschaulichkeit und Ruhe inszeniert, so dass wenn Tempo aufkommt, man richtig mitgerissen wird, wenn es zur Stundenrevolte kommt, also zu des Pudels Kern.

Dutzende demonstrierende Studenten wurden von einer paramilitärischen Gruppe namens LOS HALCONES getötet. Das war nur ein Vorfall von vielen in einer Epoche Mexikos während dem GUERRA SUCIA (schmutziger Krieg), der sich in das kollektive Gedächtnis der Mexikaner eingebrannt hat. Bereits 1968 wurden von der Regierung einige hundert Studenten unter brutaler Gewalt und Einsatz von Maschinengewehren getötet.

Über ein Jahrzehnt lang verschwanden tausende von linken Aktivisten, wehrhafte Arbeiter und Bauern, die entführt und ermordet wurden, weil sie gegen die soziale Ungerechtigkeit und Korruption vorgingen. In vielen lateinamerikanischen Ländern ist sowas geschehen, in Argentinien durch eine Militärdiktatur. Der Film Argentinien, 1985 - Nie wieder berichtet über einen gerichtlichen Prozess, nach welchem es gelungen ist die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In Mexiko ist das allerdings ganz anders, denn es gab keine Militärdiktatur. Mexiko schimpft sich eine Demokratie, doch die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) kontrollierte den Staat Mexiko mehr als 70 Jahre bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Die Opposition war von zwei Parteien dominiert, der neoliberalen katholisch konservativen PNA und der kommunistischen Partei PCM.

Man kann die Programmatik der Parteien nicht so einfach mit der europäischen Parteienlandschaft vergleichen. Ich finde es auch schwierig die Linken in Lateinamerikanischen Ländern mit den Linken in Europa vergleichen, denn haben die Klassenunterschiede und Machtverhältnisse aufgrund der Kolonialgeschichte der spanischen Konquistadoren ganz andere Grundlagen, nämlich auch eine Verknüpfung mit Landraub und Sklaverei. Die indigenen Bewohner wurden ohne Zweifel ihrer Besitztümer beraubt, ohne dass sie einen Anlass dazu gegeben hätte, dass man sie mit einem solchen Schicksal straft, während man in Europa wegen des antiken Feudalismus von Anfang an kein Landbesitz der Niederen vorsah. Das kollektive historische Gedächtnis der Indigenen in ganze Amerika baut auf einem Fundament der Ungerechtigkeit. Für den Fall Mexiko stellt sich nun die Frage, ob 50 Jahre nach den Geschehnissen in ROMA die Ungerechtigkeit beseitigt oder wenigstens abgemildert wurde.

Bei der Beantwortung der Frage, hilft nicht etwa die Betrachtung auf die aktuellen Umstände in Mexikos Gesellschaft sondern viel mehr eine futurologische fiktive Erzählung New Order - Die neue Weltordnung, die natürlich die aktuellen Umstände als Ausgangspunkt für ihre Prädiktion nimmt.

NUEVO ORDEN – Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder

Wer Roma gesehen hat, ein meiner Meinung zurecht weltweit prämiertes Werk, der wird mit New Order - Die neue Weltordnung deutliche Anknüpfungspunkte finden. Mit NUEVO ORDEN schauen wir mehr als 50 Jahre später erneut auf Mexiko. Wir entdecken, wie bei ROMA, dass die Weißen noch immer die vermögende Gesellschaftsschicht bilden, sowie wichtige politische Ämter besetzen, während die Indigenen nicht aufsteigen konnten, sondern genauso wie bei ROMA Hausangestellte geblieben sind.

Diese ethnische Kluft fällt schon bei ROMA auf, da man die Indigenen sehr gut von den "Gringos" unterscheiden kann. Das Wort "Gringo" wird hier in der ursprünglichen Bedeutung verwendet, denn in lateinamerikanischen Ländern wird es für alle fremde Menschen, etwa aus anderen Nationen, benutzt. Manche benutzen es nur für US-Amerikaner, andere fast wie ein Schimpfwort, aber es wird auch im ursprünglichen Sinne verstanden, um sich als Indigene von dem europäisch aussehenden Phänotyp des spanischen Eroberers abzugrenzen. Umgekehrt nutzen manche Mexikaner spanischer Herkunft die Bezeichnung demonstrativ für sich, um sich als spanische Eroberer zu zeigen.



Nach ROMA und NUEVO ORDEN ist es viel nachvollziehbarer, wenn man mit Mexikanern spricht, warum sie stolz auf ihre europäische Herkunft verweisen. Bei Studenten hatte ich erwartet, dass sie weltoffen und nicht rassistisch sind, doch der Austausch mit mexikanischen Kommilitonen kann einem auch die Augen öffnen. In Mexiko herrscht neben einer drastischen Kluft zwischen Vermögenden und Armen, eine ethnische Kluft zwischen dem mesoamerikanischen und europäischen Phänotyp. Das hat sich also auch in 50 Jahren nach den Geschehnissen in ROMA nicht verändert.

Ein früherer Kommilitone von mir ist Mexikaner. Als ich ihn darauf etwas naiv ansprach, dass er europäisch aussähe und nicht indigen, nahm er das mit großen Stolz entgegen und dem Verweis auf den Sieg der Spanier über die Wilden. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht bewusst wie separatistisch Mexikos Gesellschaft ist. Es war also nicht mein Ziel, seinen Rassismus zu fördern, aber im Nachhinein bestätigt es meinen Eindruck aus ROMA und NUEVO ORDEN darüber, dass es in Mexiko doch so etwas wie einen Rassismus oder mindestens eine Geringschätzung der indigenen Kultur gibt.

Das ist auch so in anderen lateinamerikanischen Ländern, wie mir letztens eine Brasilianerin mit deutschen Wurzeln lebendig demonstrierte, was ich damit kommentierte, dass manche Migranten, die nach Deutschland gekommen sind, rassistischer sind als man das den Deutschen allgemein vorwirft. Die westdeutsche Sozialisation nach dem zweiten Weltkrieg hat Menschen stärker über Rassismus aufgeklärt als je zu vor und alle die spät eingewandert sind, haben dies verpasst. Ich habe aber auch Lateinamerikaner spanischen Phänotyps gehört, welche nicht rassistisch sind, die das Wirken der Spanier differenzierter sehen, denn sie brachten zivilisatorische Errungenschaften, wie Infrastruktur und eine gemeinsame Sprache, allerdings habe die Christianisierung schreckliche Werke angerichtet an den Indigenen und interessante Aspekte an der indigenen Kultur zerstört.

Die aktuellen gesellschaftlichen Umstände in Mexiko sind sehr komplex, weshalb ich nicht auch noch auf die Drogenkartelle eingehen will, was das Thema sprengen würde, sondern auf der Basis von sozialer Ungerechtigkeit und Diskriminierung auf den Film NUEVO ORDEN schaue, der jedoch mehr eine Dystopie darstellt über Ereignisse, die auf Basis aktueller Strukturen noch kommen könnten.

Während in einer nahen Zukunft in Mexiko-Stadt antikapitalistische Proteste gewaltsam eskalieren, feiern zwei wohlhabende Familien in ihrer „Gated Community“ eine Hochzeit. Als ein ehemaliger Angestellter an der Tür erscheint, der die Familie um Geld für die Operation seiner Ehefrau bittet, wird er vom Bräutigam unter Androhung von Gewalt weggeschickt. Einzig die Braut Marianne hat Mitleid und möchte vom Hausangestellten Christian zur kranken Frau gefahren werden. Als die beiden das Grundstück verlassen haben, wird die Party augenblicklich von Demonstranten gestürmt, die mit Gewalt die Wertgegenstände der Gäste und der Hausbewohner an sich bringen. Dabei gibt es auch etliche Tote.

Diejenigen, die die Revolution anführen und die reichen Villen plündern nach The Purge - Die Säuberung-Manier, entsprechen alle dem Phänotyp des mesoamerikanischen Ureinwohners. Dieser Separatismus wird einem in NUEVO ORDEN genauso wenig gesagt, wie in ROMA, man muss ihn mit wachsamen Auge beobachten.

Es scheint als würde die gutherzige Marianne vom Schicksal belohnt, doch Marianne und Christian geraten nichtsahnend mitten in die Demonstrationen. Marianne kann aber mit Christians Hilfe unerkannt zu Christians Familie nach Hause gebracht werden. Als das Militär am nächsten Tag die Lage gewaltsam unter Kontrolle gebracht hat, versucht Christian Marianne zurück zu ihrer Familie zu bringen.

Dabei werden sie aber von einer Militärstreife aufgegriffen. Die Soldaten versprechen, Marianne nach Hause zu geleiten, transportieren sie stattdessen jedoch in ein Lager, in dem reiche Persönlichkeiten als Geiseln festgehalten werden, um Lösegeld zu erpressen. Gewalt, Vergewaltigungen und Demütigen müssen die Geiseln erleiden. Sehr drastisch, entwürdigend und emotional zermürbend sind diese Szenen dargestellt.


Offenbar sind die Soldaten frustriert, von den Bedingungen unter der Militärdiktatur, denn hat das Militär die gesellschaftliche Separation nicht im Ansatz überwunden. Hier findet man den meso-amerikanischen Phänotyp in den niederen Mannschaftsrängen und je weiter man nach oben kommt desto weniger werden sie, so dass der militärisch-politische Arm der Revolution ein Gringo ist.

Wie gerne hätte man eine geglückte Revolution erlebt, aber ich darf vorwegnehmen, dass NUEVO ORDEN diese Utopie nicht bietet.

Der Film NUEVO ORDEN legt nicht nur den Finger in die Wunde, sondern er streut noch Salz hinein. Wir werden Zeuge brutaler, eiskalter Folterungen, Vergewaltigungen und Massenmorden an Wehrlosen. Für Revolutions-Idealisten ist die gebotene Programmatik wohl schwer zu ertragen, zu zynisch geht man mit der Hoffnung auf eine gerechte Veränderung um.

Ist nun NUEVO ORDEN einseitig und verurteilt Revolution oder warnt er nur vor dem Missbrauch der Revolution?

Ich glaube, dass der Regisseur und Autor Michel Franco den schwersten aller Wege gewählt hat, nämlich Utopisten in die Suppe zu spuken. Damit wird nicht, wie von manch Kritikern behauptet, für die Reichen Partei ergriffen, nur weil man Mitleid mit ihnen bekommt, wenn sie grausam geschlachtet werden. Auf allen Seiten gibt es Gerechte wie Ungerechte, aber auf beiden Seiten bilden die Ungerechten die Mehrheit und eliminieren die wenigen Gerechten - also konkret Personen, die einem Menschen das Leben retten wollten. Die einen muss man mit Gewalt zur Gerechtigkeit zwingen, die anderen missbrauchen die Gewalt und sorgen für noch mehr Ungerechtigkeit. Am Ende werden die Gerechten bestraft und die Ungerechten obsiegen, welch perfide Zerstörung von Hoffnung auf Gerechtigkeit.

Es gibt also kein Happy End für Idealisten, keine aberwitzige Dekonstruktion wie in Parasite, weder für die Kapitalisten, noch für die Sozialisten. Das Ende ist ein Dilemma und wird es niemandem Recht machen, aber das wäre auch nicht mahnend genug, dass das Mittel der Gewalt nicht nur ethisch fragwürdig ist, sondern auch nicht die Klügsten, sondern die Stärksten drohen die Herrschaft zu übernehmen. Tyrannen stürzen Tyrannen.

Sind ROMA und NUEVO ORDEN Filme, die sehr erschütternd die historischen und aktuellen Umstände in der mexikanischen Gesellschaft zeigen bzw. vorausdeuten, dann ist das nur möglich in der Retrospektive, denn je weiter man zurückgeht, desto schwieriger war es für Filmemacher Opposition zu ergreifen, ohne dass die mexikanische Regierung eingegriffen hätte und die Freiheit oder das Leben des Filmschaffenden in Gefahr geraten wäre.

Aus diesem Grund muss man sich in die Situation versetzen, in der Luis Buñuel war, als er den Film DER WÜRGEENGEL gemacht hat.

DER WÜRGEENGEL – Der Horror der Haute Bourgeoisie

DER WÜRGEENGEL von Luis Buñuel ist der dritte im Bunde, wenn es sich um mexikanische Filme handelt, welche das Thema Konflikt zwischen reicher Oberschicht und sozial benachteiligter Unterschicht thematisieren.

Was mir hier aber im historischen Kontext der drei Filme auffällt ist, dass DER WÜRGEENGEL völlig ohne mexikanische Ureinwohner bzw. den meso-amerikanischen Phänotyp auskommt, die heute wie damals vornehmlich die Lohnsklaven der reichen Oberschichte darstellen.

Ich weiß nicht, ob ich es Luis Buñuel vorwerfen kann, dass er die Diener nicht mit Ureinwohnern besetzt hat, wüsste ich auch keinen Film aus einem progressiven Land, in dem man andere Schauspieler als Weiße zeigte. Das wäre eventuell der Kühnheit zu viel gewesen, denn für 1962 ist DER WÜRGEENGEL mit seiner Kritik an der Oberschicht wohl schon drastisch genug.

Hier wird die Oberschicht nämlich in jeder Weise vorgeführt und malträtiert, denn als sie versuchen den Gesellschaftsabend in einem herrschaftlichen Hause zu verlassen, werden sie von einer unsichtbaren Barriere daran gehindert. Es ist nicht so, dass die Barriere fühlbar wäre, wie bei DIE WAND oder THE DOME oder bei LOST unter schmerzlichen Sinneserfahrungen, sie ist eher psychologischer bzw. geistiger Natur. Die Barriere verlangt nach einer Deutung. Etwas im Kopf hält die Menschen davon ab herauszugehen, aber die Komik daran ist, dass nicht klar ist, ob sie es nicht wissen bzw. es nicht wissen wollen. Der Zuschauer kann sich aber anhand der Muster in der Umwelt und in der Handlung denken, welche Analogie hier gesehen werden soll.

Die Analogie, die man hier erkennen kann, ist die eine sozialistische Rebellion auf den Straßen, denn dafür gibt es folgende zu interpretierenden Anzeichen:

So machen sich die Angestellten des Hauses schnell aus dem Staub, weil sie wissen, dass das Haus eventuell überfallen werden könnte und sie bei den Unruhen nicht auf der falschen Seite stehen wollen.


Nur ein paar ahnungslose Schafe in der Küche (welche wohl allegorische für die Lohnsklaven-Bediensteten stehen, die es nicht begriffen haben, dass sie Ausbeutern die Treue halten) und ein angeketteter Bär (Polizei und Militär) bleiben im Haus, während die Abendgesellschaft sich in einem Zimmer verschanzt.


Eine Scheibe geht zu Bruch, weil einer der Gäste sie aus Wut eingeworfen habe, aber weil das keinen Sinn ergäbe, muss man diese Analogie umdrehen, womit klar wird, dass die Scheibe von außen eingeworfen wird, sagt auch jemand der Gäste darauf "Ein paar Juden waren es wohl." ohne auf die Lage draußen konkret einzugehen oder Vorkehrungen zu treffen sich davor zu schützen, welch Komik.

Die Bezeichnung "Juden" ist hier eine Chiffre, denn damit sind Kommunisten und Sozialisten gemeint. Man muss dazu wissen, dass es sich um eine russische Verschwörungstheorie der Zaristen über Juden handelt, die während der russischen Oktoberrevolution aufgekommen ist, um die Kommunisten zu diskreditieren. Beim DER WÜRGEENGEL ist es eine Chiffre für unliebsame Revolutionäre, die die reiche Oberschicht stürzen wollen. Draußen tobt also der proletarische Mob.

Dass die Gäste nicht wissen, warum sie nicht rausgehen wollen, liegt daran, dass die Analogie hier sarkastisch-komisch ist, denn die Gäste wollen nur nicht wahrhaben, dass eine Revolution im Gange ist und sie die Beschuldigten sein könnten. Sie verdrängen es einfach. Sie sind so reich und ahnungslos, so abgehoben, sie wissen nicht wie es der Unterschicht geht, wie sie sie behandeln, rechnen gar nicht damit, dass diese aufbegehren könnten. Das lässt sich aus ihren arroganten und ignoranten Unterhaltungen heraushören.

Sie verkriechen sich im letzten Winkel des Hauses und tun so als seien sie nicht da. Für diejenigen, die an der Spitze der Gesellschaft und Macht stehen, geben sie ein jämmerliches Bild im Sozialverhalten ab. Dadurch kann einerseits die Distanz zur Realität gezeigt werden, andererseits die Unfähigkeit die Drecksarbeit selbst in die Hand nehmen zu können. Die Feiglinge – die nur stark sind durch Polizei und Militär - verschanzen sich in ihren Palästen und jetzt müssen sie die selbe Not erleiden, welche sie den Armen antun.

Die Szene mit den sich absetzenden Bediensteten ist eine Schlüsselszene. Exakt die analogen Umstände gibt es auch in den Filmen ROMA und NUEVO ORDEN, wo die Hausdiener von den drohenden Unruhen wissen und sich aus dem Staub machen, während die Oberschicht einfach nichtsahnend weiterfeiert und ihren Lohnsklaven noch drohen, dass sie den Job verlören, wenn sie einfach gehen würden. Wo in ROMA und NUEVO ORDEN realistisch zu sehen ist, was die Folgen der Unruhen für die Oberschicht bedeuten, verfremdet Luis Buñuel die Erzählung surrealistisch und lässt sich manchmal auch in das grotesk-fantastische abdriften, so dass man erst mit dem Ende deutlichere Hinweise für die Deutung geliefert bekommt. Schaut man den Film öfter, denn entdeckt man immer wieder neues, aufgrund des Deutungsschlüssels, welchen man am Ende erhalten hat.

Luis Buñuel chiffriert und verfremdet nicht ohne Grund, denn wäre das zu offensichtlich, wäre seine politische Aussage sofort zu erkennen, aber er wollte wohl sicher gehen, dass auch die Oberschicht sich den Film ganz anschaut und sich darüber amüsiert, mit dem Ziel sie vorzuführen oder sie gar zum Nachdenken zu bringen. Ganz bis zum Ende vermeidet er konkrete Bilder und Bezüge und bleibt im Rätselhaften. Erst in den letzten Minuten liefert er konkrete Informationen für die Deutung. Nachdem die Abendgesellschaft für das Erste erlöst wird, feiern sie das Ende des Fluches in einer Kirche. Doch hier holt sie der Fluch wieder ein, sie sind nun wieder gefangen hinter eine Barriere und mit den letzten Szenen, sind noch ein paar Schafe zu beobachten, wie sie in die Kirche laufen, um sich vor den Unruhen zu schützen. Sogar die Schafe laufen in die Kirche, aber auch sie sind nur eine Allegorie – wie schon erwähnt – für diejenigen aus der Unterschicht, die trotzdem weiter der Oberschicht hörig sind, welche sie ausbeutet.


Die Schafe, die sich vor dem Bären (Militär und Polizei), zu den Partygästen im herrschaftlichen Anwesen flüchteten, wurden später von den Partygästen gefressen, d. h. die Ausbeuter fressen diejenigen Ausgebeuteten, welche ihnen sogar noch treu ergeben sind. Genauso wird das auch in der Kirche passieren, aber dann schließt der Film mit zum ersten Mal konkret und unverfälschten Szenen: Soldaten auf den Straßen, die Revolutionäre jagen.


Kontextualisierung der Filme ROMA, NUEVO ORDEN, DER WÜRGEENGEL

Da ich Gemeinsamkeiten in den drei Filmen entdeckt habe, wollte ich ChatGPT einmal testen, wie gut eine KI es schafft, drei ihr fremde Filme, mit sehr unterschiedlichen Erzählungen, Gemeinsamkeiten herauszulesen, welche man nicht einfach googlen kann. Schließlich entscheide ich als Autor dieser Dreifach-Rezension darüber, dass ich in diesen Filmen viele gemeinsame Kontexte sehe, also gab ich ChatGPT ohne weitere Infos den kurzen Auftrag „Finde Gemeinsamkeiten in den Filmen NUEVO ORDEN, ROMA und DER WÜRGEENGEL“.

ChatGPT beginnt in der gleichen Sekunde mit dem Schreiben:

DER WÜRGEENGEL, ROMA und NUEVO ORDEN sind drei Filme, die unterschiedliche Genres bedienen und Erzählungen darstellen, aber einige gemeinsame Themen aufweisen.

  • Kultur- und Klassenkonflikte: In allen drei Filmen werden Konflikte zwischen verschiedenen Kulturen und sozialen Klassen gezeigt, die Auswirkungen auf die Hauptfiguren und ihre Gemeinschaften haben.
  • Machtmissbrauch: In jedem Film wird eine Form des Machtmissbrauchs gezeigt, ob es sich um politische Macht, soziale Macht oder wirtschaftliche Macht handelt. Diese Machtmissbräuche haben Auswirkungen auf die Menschen und Gesellschaften, die betroffen sind.
  • Ungerechtigkeit und Diskriminierung: Alle drei Filme zeigen Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen aufgrund von Rasse, Klasse oder Kultur, die von den Hauptfiguren erfahren werden.
  • Suche nach Identität: In jedem Film gibt es eine Figur oder eine Gruppe von Figuren, die sich auf die Suche nach ihrer Identität begeben, ob es sich um kulturelle, politische oder persönliche Identität handelt.
  • Strukturelle Probleme: Alle drei Filme zeigen die Auswirkungen von strukturellen Problemen wie Armut, Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch auf Individuen und Gemeinschaften.
  • Diese Filme zeigen, dass für viele Menschen Gewalt, Putsche und Revolution oft als einzige Lösung angesehen werden, um Missstände zu ändern. [Chat-GPT 95%]


Es gibt wohl keine gesellschaftlichen Veränderungen aus den letzten 4000 Jahren, auf die man zurückblicken könnte, die nicht mit Gewalt einhergegangen sind. Positive Veränderungen wurden meist blutig erkämpft, wobei sie entweder durch bessere oder gar schlechtere Veränderungen zeitweise abgelöst wurden. Manchmal geriet das, was wir heute als Fortschritt betrachten, für viele Jahrhunderte wieder in Vergessenheit. Kennzeichen dieser Revolutionen waren nicht nur Gewalt, sondern auch der temporäre Verlust von Recht und Ordnung.

Schaut man sich die erste Revolution gegen eine Monarchie in England unter Cromwell an, die von Anfang an eine blutige Militärdiktatur war, dann ist das genau der Kontext, an den NUEVO ORDEN anknüpft. Alte Eliten wurden durch neue Eliten ersetzt, Tyrannen stürzen Tyrannen, die Hoffnung der sozial Benachteiligten auf Mitsprache und Gerechtigkeit wurden zu Nichte gemacht.

Zu wenige wissen, dass selbst die frz. Revolution, mit dem Sturm auf die Bastille, eigentlich nicht erfolgreich war, denn sie mündete in die Terrorherrschaft einer Philosophenregierung unter Robespierre. Erst nach dem Napoléon übernahm, sich zum Kaiser in Rom zu Gottes Gnaden gekrönt hatte, bei Waterloo geschlagen wurde, kam es etwa 50 Jahre später zu einer zweiten frz. Revolution, welche letztlich die großen Fortschritte brachte, so dass man hier das erste Mal von einer Demokratie sprechen konnte.

Bis dahin geschah es, wie bei NUEUVO ORDEN, dass Menschen voller Hoffnung für Freiheit und Gerechtigkeit kämpften, aber von ihren neuen Machthabern erneut geknechtet wurden. Goethe und Schiller waren bekanntlich romantische Verfechter der bürgerlichen Revolution, aber das waren sie nur, bevor sie bei der frz. Revolution zuschauen mussten. Schiller schreibt zu Beginn der frz. Revolution im Jahre 1789 in voller Inbrunst:

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, Und würd er in Ketten geboren, Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei, Nicht den Mißbrauch rasender Toren. Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, Vor dem freien Menschen erzittert nicht.

- Friedrich Schiller

Schiller schreibt, allerdings nachdem er die Auswirkungen der frz. Revolution als Zuschauer erlebt hatte, im Jahre 1793:

Hätte der Staat die Menschheit wirklich unterdrückt, wie man ihm Schuld gibt, so müsste man Menschheit sehen, nachdem er zertrümmert worden ist.
In den niedern Klassen sehen wir nichts als rohe gesetzlose Triebe, die sich nach aufgehobenem Band der bürgerlichen Ordnung entfesseln, und mit unlenksamer Wut ihrer tierischen Befriedigung zueilen.
Es war also nicht der moralische Widerstand von innen, bloß die Zwangsgewalt von außen, was bisher ihren Ausbruch zurückhielt.
Es waren also nicht freie Menschen, die der Staat unterdrückt hatte, nein, es waren bloß wilde Tiere, die er an heilsame Ketten legte.

- Friedrich Schiller

Nur vier Jahre später schreibt Schiller dies nieder, nachdem er abgeschlagene Köpfe in purpurnen Strömen von Blut auf den Straßen ansehen musste, also genau das Gegenteil von Frieden und Freiheit. Auch er legt damit den Finger in die Wunden von Idealisten.

Menschen, die im Glauben waren Gutes zu tun, für Gerechtigkeit zu kämpfen, verdarben oder wurden verdorben, meistens jedoch getötet von Mächtigeren, die das entstandene Machtvakuum aus rein egoistischen Gründen für sich in Anspruch nahmen. Eliten wurden wieder durch Eliten, Tyrannei durch Tyrannei ausgetauscht und sogar eine "Philosophen-Demokratie" (Scientokratie), mit den höchsten moralischen Ansprüchen, konnte keine Gerechtigkeit herstellen. Stattdessen versündigte man sich an den Kindern der Revolution, denn jeder der dem "Tugendterror" Robespierres nicht folgen wollte, wurde als moralisch verderbt guillotiniert.

Georg Büchner, ein frankophiler deutscher Autor, hat dies in seinem Drama "Dantons Tod" im 1835 pointiert zum Ausdruck gebracht, so dass folgender Satz zu einem Zitat der Weltliteratur geworden ist:

Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.

– Georg Büchner, Dantons Tod

Man könnte sagen, dass der Zweck eventuell die Mittel heiligen kann, aber solange man es nicht schafft positive Veränderungen ohne Gewalt zu erreichen, haben alle Neuordnungen ein Stigma das Gewalt lautet, welches niemals legitim sein kann.

Nun habe ich Chat-GPT gefragt, wie er zum Thema Gewalt als Mittel der Überwindung unmoralischer gesellschaftlicher Zustände steht. Dazu habe ich bewusst schon komplexe Sätze gebildet, die eine Ambivalenz suggerieren sollen, ein aktuelles Thema [Letzte Generation] einbringen und war gespannt, wie Chat-GPT diese Gegensätze auflöst.

Meine Frage:

Wenn man Gewalt und Sachbeschädigung der Aktivisten der Letzten Generation für die Bewusstmachung der herannahenden Klimakatastrophe als moralisch falsch bezeichnet, war dann die Gewalt für die Beseitigung des Adels während der französischen Revolution und den Befreiungskampf der Schwarzen von der Sklaverei ebenfalls falsch oder illegitim?

ChatGPT antwortet:

Es ist komplex, Gewalt als Mittel zur politischen oder gesellschaftlichen Veränderung zu beurteilen. In bestimmten Kontexten und historischen Momenten kann Gewalt als Mittel zur Bekämpfung von Unterdrückung und Ungerechtigkeit angesehen werden, aber auch in diesen Fällen sollte Gewalt immer als letztes Mittel eingesetzt werden, nachdem alle anderen friedlichen Mittel ausgeschöpft wurden.

In der französischen Revolution und im Befreiungskampf der Schwarzen in den USA wurde Gewalt als Reaktion auf eine lange Geschichte von Unterdrückung und Ungerechtigkeit eingesetzt, die friedliche Mittel nicht beenden konnten. Dennoch gab es in beiden Fällen auch friedliche Formen des Widerstands und der politischen Beteiligung, die wichtig für die Veränderung waren.

Insgesamt ist es wichtig, jeden Einsatz von Gewalt genau zu beurteilen, indem man die Umstände und den Kontext berücksichtigt, unter denen er stattgefunden hat. Es ist eine komplexe moralische Frage, die keine einfachen Antworten hat, aber immer sollte Gewalt als letztes Mittel und nicht als erstes Mittel eingesetzt werden, um politische oder gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.

Meine Frage 2:

Wie kann man wissen, dass von den Klimaaktivisten "alle Mittel" ausgeschöpft worden sind, wenn zugleich offenbar wurde, dass die Pariser Klimaziele nicht mehr eingehalten werden können und die Abschmelzung des Permafrosts sich so beschleunigt hat, dass in wenigen Jahrzehnten eine Katastrophe, wie im Perm, mit einem Massenaussterben auf uns zu kommt, wenn jetzt nicht das aller letzte Mittel der Gewalt eingesetzt wird?

Chat-GPT antwortet:

Es ist wichtig zu beachten, dass es immer noch Handlungsoptionen gibt, die ergriffen werden können, um das Klima zu schützen. Dazu gehören beispielsweise der Übergang zu erneuerbaren Energien, eine Reduzierung des Energieverbrauchs, eine nachhaltige Landwirtschaft und Forstwirtschaft sowie ein bewusster Umgang mit Ressourcen.

Die Verwendung von Gewalt ist jedoch keine Lösung für das Klimaproblem. Es ist wichtig, dass alle Seiten friedlich und konstruktiv zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden und umzusetzen. Gewalt führt häufig zu Konflikten und schadet letztendlich dem Klima mehr, als dass es hilft. Stattdessen sollten wir uns auf eine ganzheitliche, umfassende Strategie konzentrieren, die auf Zusammenarbeit, Bildung und wissenschaftlicher Forschung basiert.

Ein wenig enttäuscht war ich von den Antworten Chat-GPTs, nicht weil er Gewalt als legitimes Mittel ablehnte, was auf die Vorgaben seiner KI zurückgeht, sondern weil er den Begriff des "Zivilen Ungehorsam" nicht genannt hat, also frage ich ihn:

Ist ziviler Ungehorsam, so wie er von der "Letzten Generation" propagiert wird, gerechtfertigt um auf die notwendigen Veränderungen der Klimapolitik aufmerksam zu machen?

Chat-GPT antwortet:

Die Frage, ob ziviler Ungehorsam gerechtfertigt ist, um auf die notwendigen Veränderungen der Klimapolitik aufmerksam zu machen, ist ein ethisches und politisches Thema, das in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird.

Auf der einen Seite argumentieren Befürworter des zivilen Ungehorsams, dass es in demokratischen Gesellschaften ein legitimes Mittel ist, um auf Missstände aufmerksam zu machen und politische Veränderungen zu bewirken, wenn andere politische Instrumente wie Wahlen oder Petitionen nicht erfolgreich sind. Sie argumentieren, dass die Dringlichkeit der Klimakrise und die unzureichenden Reaktionen der Regierungen auf diese Krise zivilem Ungehorsam eine moralische Legitimation verleihen.

Auf der anderen Seite gibt es Kritiker des zivilen Ungehorsams, die argumentieren, dass er die Regeln der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit untergraben kann und dass es andere legitime Wege gibt, um politischen Wandel herbeizuführen. Sie argumentieren auch, dass der Einsatz von zivilem Ungehorsam mit Risiken verbunden ist, wie der Möglichkeit von Verhaftung oder Gewalt.

Letztendlich hängt die Frage der moralischen Legitimität des zivilen Ungehorsams von verschiedenen Faktoren ab, wie der Dringlichkeit des Problems, der Wirksamkeit anderer politischer Instrumente, der Verhältnismäßigkeit der Mittel und den möglichen Risiken. Jeder Fall muss individuell bewertet werden.

In Bezug auf die Klimakrise haben viele Menschen das Gefühl, dass sie ihre Regierungen und die Öffentlichkeit durch zivilen Ungehorsam auf die Dringlichkeit und Bedeutung der Klimapolitik aufmerksam machen müssen. Es ist jedoch wichtig, dass dies auf eine friedliche und gewaltlose Weise geschieht und dass Bürgerrechte und demokratische Prinzipien respektiert werden.

Fazit

Die gewaltsamen Umbrüche in Mexiko, die aus drei Filmen aus verschiedenen Epochen des Landes berichtet werden, haben gezeigt, dass die Gewalt das Land in keine bessere Zukunft überführen konnte. Die aktuellen Zustände in dem Land sind immer noch von einer großen Kluft zwischen arm und reich bestimmt und das Land ist im Würgegriff von korrupten Eliten, Drogenbaronen und Paramilitärs. Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass man Argentinien als positives Beispiel nennen könnte, wie man es richtig macht, hat der Film Argentinien, 1985 - Nie wieder mich am Ende tief bewegt, denn schließt er mit dem Satz.


Seit mehr als 30 Jahren ist Argentinien jetzt eine Demokratie.

Doch auch wenn die Menschen in Argentinien jetzt frei sagen können was sie wollen bzw. man seitdem keine Entführungen und politischen Morde mehr fürchten musste, ist Argentinien ein zutiefst korruptes Land mit einer großen Kluft zwischen Arm und Reich. Allerding ist es für diejenigen Menschen, die unter der Militärdiktatur leiden muss, schon ein großer Fortschritt.

In Mexiko hingegen verschwinden oder werden immer noch Menschen getötet. In einigen Regionen des Landes haben Massaker und Verschwindenlassen von Menschen zugenommen, was zu einer hohen Anzahl von Opfern geführt hat. In Mexiko sind zahlreiche Massengräber entdeckt worden, die Überreste von Opfern von Gewaltverbrechen enthielten, darunter auch von Frauen und Kindern. Diese Gräber werden oft von Familienangehörigen der Opfer, Bürgerrechtsorganisationen und Strafverfolgungsbehörden entdeckt. Die mexikanische Regierung hat Maßnahmen ergriffen, um die Gewaltkriminalität im Land zu bekämpfen und die Strafverfolgung von Verbrechen zu verbessern, einschließlich der Schaffung von spezialisierten Staatsanwaltschaften für Verbrechen gegen Frauen und für den Schutz von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern. Trotzdem bleibt die Situation in Mexiko weiterhin besorgniserregend. [80% Chat-GPT, nach der Frage wann man die jüngsten Massengräber entdeckt hat. Chat-GPT wusste nicht wann, wie man sieht.]

Im Gegensatz zu Argentinien ist die Macht in Mexiko dermaßen zerklüftet, dass man niemanden alleine verantwortlich machen könnte bzw. brächte es nichts die Regierung zu verantworten, weil damit die Warlord-Drogenbarone nicht einfach verschwinden. Am ehesten könnte man die Situation mit Italien noch vor 40 Jahren vergleichen, denn da begann man mit dem Kampf gegen die Mafia, der zwar traditionelle Mafia-Strukturen aufgelöst hat, jedoch nicht ohne das Wachstums progressiver neuer Verbindungen, wie etwa in der Serie Gomorrha - Die Serie. Doch in Mexiko sind die Drogenbarone mit paramilitärischen Elitetruppen ausgestattet, deren Möglichkeiten die des ordentlichen Militärs bei weitem übersteigen. Ein Regierung müsste massiv aufrüsten und Mexiko schafft dies aus eigener Kraft nicht. Eine Revolution wie in NUEVO ORDEN macht also doppelt keinen Sinn.

Mexiko und die USA arbeiten deshalb zusammen, um die Aktivitäten von Drogenkartellen und Paramilitärs zu bekämpfen, die mit der Gewaltkriminalität in Mexiko in Verbindung gebracht werden. Eine wichtige Initiative in diesem Bereich ist die sogenannte Merida-Initiative, die im Jahr 2007 ins Leben gerufen wurde. Die Merida-Initiative ist ein bilateral ausgehandeltes Programm zwischen den USA und Mexiko zur Verbesserung der Sicherheit in Mexiko und in der Region.

Die Initiative umfasst eine breite Palette von Maßnahmen, darunter die Bereitstellung von Finanzhilfen und technischer Unterstützung für Mexiko, um seine Strafverfolgungs- und Justizsysteme zu stärken, den Waffenschmuggel von den USA nach Mexiko zu bekämpfen und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu verbessern, um den illegalen Drogenhandel zu bekämpfen.

Die Zusammenarbeit zwischen Mexiko und den USA im Bereich der Sicherheit ist jedoch auch umstritten und hat Kritik von verschiedenen Seiten hervorgerufen, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von US-Militär und Sicherheitspersonal in Mexiko sowie auf mögliche Menschenrechtsverletzungen und Korruption.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Bekämpfung der Gewaltkriminalität in Mexiko eine komplexe Herausforderung darstellt und dass die Zusammenarbeit zwischen Mexiko und den USA nur ein Teil der Lösung ist. Eine umfassende Lösung erfordert auch die Stärkung der Strafverfolgungs- und Justizsysteme in Mexiko sowie Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, die zur Entstehung von Gewaltkriminalität beitragen können. [Chat-GPT zur Frage, ob es bezüglich dessen Kooperationen zwischen den USA und Mexiko gibt.]

Zum Abschluss habe ich Chat-GPT noch einmal gefragt, was für Filme es empfehlen würde um die Themen soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung aufgrund der Ethnie und Herkunft sowieso strukturellen Problemen in Mexiko zu vertiefen.

El Norte aus dem Jahr 1983 beschäftigt sich mit der Flucht von zwei Geschwistern aus Guatemala nach Nordamerika aufgrund von politischer Unterdrückung und Armut.

Der zweite Film Amores Perros aus dem Jahr 2000 zeigt die Verknüpfungen und Auswirkungen verschiedener Schichten der Gesellschaft in Mexico City.

Der dritte Film La Yuma - Die Rebellin aus dem Jahr 2009 beleuchtet das Leben einer jungen Frau aus Nicaragua, die nach Mexico flüchtet und sich mit Armut und Diskriminierung auseinandersetzen muss.

Als weitere Beispiele können wir Filme wie Die Versuchung des Padre Amaro aus dem Jahr 2002, "El pueblo soy yo" aus dem Jahr 1976 und El Mariachi aus dem Jahr 1992 heranziehen.

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