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Gefährten… auf ewig

11.11.2017 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Der Herr der Ringe - Die Gefährten
Warner Bros.
Der Herr der Ringe - Die Gefährten
Dieser Artikel ist ein Community-Beitrag, der im Rahmen unseres Schreibwettbewerbs Mein liebster Kinomoment entstanden ist.

Auch wenn unsere Liebe zueinander ein Jahrzehnt zuvor zerbrochen war, konnte nichts unserer gemeinsamen Liebe zum Kino etwas antun. Sie verbindet uns. Auf ewig.

Da saßen wir also. An einem Samstagabend im größten Saal eines Stuttgarter Kinos. Mein Begleiter hatte drei Stunden Zugfahrt auf sich genommen, für diesen Abend, für dieses Kino, für diese Vorführung. Eine Vorführung, die nahezu endlos sein würde. Das wussten wir. „Herr der Ringe“. Alle drei Teile am Stück. In der extended Version, die nicht nur viel Sitzfleisch erfordert, sondern auch einen Begleiter, einen Gefährten, der nach zehn Stunden weder über Rückenschmerzen, noch über den fahlen Geschmack alten Popcorns klagen würde.

Die Routine bestimmte unsere Zweisamkeit. Hältst Du mein Getränk? Ja, aber nimm Du die Karten. Da ist ja noch Platz in einer Tasche. Kannst Du ein paar M&Ms mit reinschmuggeln? An diesem Abend durfte es ruhig die große Cola sein, Wasser für ihn, weil das gesünder ist. Aber ich wusste, dass er spätestens nach Boromirs qualvollem Tod schwach werden würde. Nachos. Mit viel Sauce. Die scharfe, nicht das künstliche Käsezeug.

Der Saal war nahezu leer. Wir entsetzt. Wie konnte man sich dieses superhammermegatolle Deluxe-Kino- Event nur entgehen lassen? Immerhin hatte ich es vorab selbst fleißig beworben. Denn nur wenige Monate zuvor war ein Traum wahr geworden: Ich durfte in einem Kino arbeiten. Im Marketingbereich. Während mein Begleiter bereits seit fast zwei Jahrzehnten Filme vorführte. Wie hatte ich ihn immer beneidet, wenn er sich stolz damit brüstete, in der Filmbranche tätig zu sein. Das sagte er stets mit seinem spitzbübischen Lächeln, das trotz seiner über 40 Jahre wie das eines kleinen Jungen wirkte, der ganz genau wusste, wer Lukes Vater wirklich war.

Da saßen wir, Mitte, Mitte. Wie immer. Wie es Kino-Profis eben tun.

Um uns herum niemand. Das war auch gut so, denn Gespräche duldeten wir nicht. Weder neben uns, noch unter uns. Auch nach dem zwanzigsten Mal Schauen hatten hier andere das Sagen: Hobbits, Orks, manchmal auch Menschen… aber nicht wir. Wer braucht auch Worte, wenn man sich stumm versteht? Wenn jeder Griff in die gemeinsame Popcorn-Tüte erwartbar ist? Wenn jede Regung vorhersehbar?

Mein Freund, mein Zukünftiger, saß zu Hause. Kino? Nein, danke. Ich habe doch einen Beamer, sagte er.

Für diesen Marathon brauchte es ohnehin einen anderen Begleiter, einen anderen Gefährten. Einen, der wissend räuspert, wenn mir das Herz stehen bleibt, weil Aragorn fällt. Einen, der zeitgleich mit mir gelangweilt gähnt, wenn Frodo und Sam frustriert durch das karge Moor stolpern.

Einen wie Sam, einen wie meinen Begleiter. So einen Gefährten braucht man. Und hier funktionierten wir auch am besten. In einem riesigen Kinosaal, schweigend und doch im ständigen Austausch.

Am Ende ist alles gut. Sauron ist besiegt, das Schiff der Elben entschwindet in die Anfurten. Und wir? Wir lächeln. Und schweigen. In 15 Stunden sprachen wir drei Sätze. „Musst Du auch mal? Ist da noch Popcorn in der Tüte? Wo ist das Parkticket?“ Ja, in diesem Moment waren wir das perfekte Paar. Aber nur in diesem. Und nur an diesem Ort: in einem Kinosaal.

Es war unsere letzte gemeinsame Reise von Hobbingen nach Mordor, die von der unerträglichen Leichtigkeit des Seins bestimmt war. Kurz darauf würde ich heiraten. Einen anderen. Kurz darauf würde er erfahren, dass er an Krebs erkrankt war: unheilbar.

***

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Sponsoren. Hier erfährst du alles zum Prozedere des Schreibwettbewerbs und den Preisen. Eine Übersicht aller Texte des Schreibwettbewerbs findest du hier.

Denk daran: Stimme ab für Deutschlands Lieblingskino 2017!

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