Geständnisse der moviepilot-Redaktion - Unsere süßen TV-Sünden

20.11.2009 - 15:00 Uhr
Guilty Pleasure
Alex Normand /http://www.flickr.com/photos/alexnormand/2540354734/sizes/l/) montage:moviepilot
Guilty Pleasure
Natürlich schauen wir von der moviepilot-Redaktion wenig TV. Und wenn, dann nur arte und Phoenix. Alles hochanspruchsvoll. Oder? Wir sind in uns gegangen, um unsere finstersten Geheimnisse ans Licht zu zerren und gestehen zum Weltfernsehtag unsere heimlichen Leidenschaften!

Leider gibt es für den englischen Begriff “Guilty Pleasure” keine wirklich gute deutsche Entsprechung. Vergnügen mit Schuldgefühlen grooved einfach nicht. Und doch kennt diese popkulturellen Werke auch hierzulande jeder. Jene Filme, Serien, TV-Shows, Bücher oder Songs, die wir insgeheim mögen, obwohl wir wissen, dass sie in der Welt der Schöngeister, Popkulturkritiker und anspruchsvollen Bedenkenträger keinen Blumentopf gewinnen können.

Natürlich ist das Fernsehen das Dorado jener Werke, die wir ansehen, obwohl wir wissen, dass sie Trash sind. Heute ist der Tag gekommen, an dem die moviepilot-Redaktion den virtuellen Beichtstuhl betritt und sich zu ihren geheimen und abgründigen Vorlieben bekennt:

Die Guilty Pleasures der Moviepiloten

Oliver aka Batzman

Ich weiß um die schrägen Blicke, die mich ereilen, wenn mein Handy klingelt und die Melodie von Ich bin ein Star, holt mich hier raus ertönt. Doch ich habe gelernt dazu zu stehen, genauso wie zu meiner Vorliebe für “Buffy” und Musicals. Ja, ich mag das Dschungel-Camp. Jene Sendung über die sich sogar die Gehirnakrobaten erheben, die gern GZSZ, Popstars oder Big Brother gucken, die N24 für einen Nachrichtensender halten und glauben, Günther Jauch sei sympathisch und ein guter Journalist.
Mir egal: Ich mag das Konzept und die Umsetzung der deutschen Ausgabe des internationalen Hits I’m a celebrity, get me out of here. Denn die Show ist im Grunde das Gegenteil der klassischen Reality-Formate: Sie ist sowohl in der Präsentation als auch in der Aufbereitung ziemlich smart. Das fängt bei der Musikauswahl der Zusammenschnitte an und geht bis zu dem Umgang der Moderatoren mit dem eigenen Format. Was Dirk Bach und Sonja Zietlow (die leider nur hier wirklich erträglich ist) zelebrieren, ist Meta-TV, das beständig den Sender, die Sendung und das Genre hochnimmt, mit Erwartungshaltungen spielt und nebenbei vormacht, wie gut Geschichten erzählt werden können. Angenehm obendrein, dass im Gegensatz zum typischen Reality-TV keine medienunerfahrenen Prekarier vorgeführt und inszeniert werden, sondern gestandene Medienprofis, die alle ihrer eigenen Agenda folgend in den Dschungel gehen und dieses Experiment in gruppendynamischem Verhalten mitmachen.
Doch – ich steh dazu. Ich mag die Show und bedauere, dass es 2010 keine neue Staffel geben wird. Damn.

Martin

Das wird jetzt ein bisschen weh tun: Ich … mag … den Musikantenstadl. Und das ist auch gut so! Denn seit Andy Borg (der Schlagersänger/Moderator, nicht einer der blassen Typen mit Schlauch im Kopp bei Enterprise) die volkstümliche Schlagersause übernommen hat, ist wirklich Schwung ins Stadl gekommen. Die österreichische Rampensau singt live (!), was einer kleinen Revolution in der Volksmusik gleich kommt. Manchmal finde ich Herrn Borg sogar lustig.
Ich spüre Eure Blicke des Entsetzens und Euer Mitleid schon beim Schreiben dieser Zeilen. Deshalb muss ich etwas klarstellen: Ich habe in meinem ganzen Leben insgesamt ca. 3 Stunden Musikantenstadl gesehen, in der Regel, wenn ich ausgehend von Wetten Dass… (muss ich mich dafür auch schämen?) oder Schlag den Raab (ha!) ein wenig umherzappe. Guilty Pleasure ist im Falle vom Musikantenstadl eindeutig zu viel gesagt. Schuldgefühle habe ich trotzdem.

Sylwia

Eigentlich wollte ich über meine Lieblings-Serie schreiben: “Die Nanny” mit Fran Drescher. Aber das war angeblich nicht “guilty” genug. Zu anderen Formaten, wie Big Brother oder Lindenstraße, kann ich gar nichts sagen. Daher zerre ich das dunkelste, schrecklichste Geheimnis ans Licht: Juwelo TV. Ja, der Verkaufskanal, auf dem ausschließlich überteuerte, möglichst glitzernde Schmuckstücke verkauft werden.
Bevor ich jetzt gegrillt werde, will ich zu meiner Verteidigung folgendes loswerden: Manchmal kommt man so müde nach Hause, dass außer Essen fassen nix mehr drin ist. Wenn ich nicht einmal mehr die intelektuelle Kapazität für eine Sitcom aufbringen kann, oder mich einfach nur hypnotisieren lassen will, ist Juwelo TV wie ein elektrisches Aquarium: glitzernde Dinge, entspannende Geräusche. Das gleichförmige Gelaber der “Moderatoren”, die sich über mosambikanische Zyanite in 30 Karat und 5mm Durchmesser auslassen, das monotone “Pling” wenn angeblich wieder ein Schmuckstück verkauft wurde… Außerdem ist es unterhaltsam, wie die Preise bei unglaublich überteuerten Summen anfangen und konstant bei 79,99 € enden. Der Zuschauer kann in seinem Halbschlaf auch der Frage nachgehen, wieviel Zeit die männlichen Mannequins täglich dafür aufbringen müssen, ihre Nägel auf Hochglanz zu polieren und die Handrücken zu rasieren.
Überdies: ich liebe Schmuck. Also ja, manchmal muss es eben “Juwelo TV” sein.

Stefan

Es gibt diese Serien, die ich offiziell nie schauen würde. Ich bin ein Mann! Allerdings gibt es in meinem persönlichen Umfeld Menschen, die Fans dieser Serien sind und mich zum Mitschauen zwingen. Und manchmal (nicht immer) bin ich ihnen sehr, sehr dankbar. Zum einen, weil ich durch ihren sanften Zwang aus der Verantwortung genommen bin, mich vor mir selbst zu rechtfertigen, weshalb ich so einen Quatsch überhaupt schaue. Zum anderen, weil ich sonst wunderbare Serien nie entdeckt hätte! Zum Beispiel Gilmore Girls: Die alleinerziehende Mutter Lorelai Gilmore, Typus ‘Jung-Gebliebene’, ist gleichzeitig die beste Freundin ihrer neunmalklugen Tochter Rory. Das klang für mich nach widerlichem Östrogen-Schund für Arztroman-Leserinnen. Nur widerwillig nahm ich vor dem Bildschirm platz. Dann die Schlüsselszene: Lane präsentiert ihrer besten Freundin Rory stolz ihre aktuellste CD-Erwerbung – die neue Belle and Sebastian! Was? Meine erklärte Lieblingsband wird HIER namentlich genannt? Plötzlich schaut man genauer hin und sieht plötzlich wunderbare Charaktere wie Kirk, witzige und wirklich clevere Wortgefechte, einen tollen Soundtrack (bis auf die Songs der unglaublich nervigen Titelband) und eine fesselnde Story. Leider stürzten die Gilmore Girls in den letzten beiden Staffeln unglaublich ab und wurden tatsächlich zu Östrogen-Schund für Arztroman-Leserinnen. Zugunsten der emotionalen Ausbeutung machten die Autoren aus Lorelai eine dumme Trine, die sich am laufenden Band selbst sabotierte. Auch die geliebte Rory wurde zur Yuppie-Konkubine, der man ihr intellektuelles Image nicht mehr abkaufen wollte. Trotzdem: Danke, Julia!

Andreas

Es gibt diese Dinge, mit denen wird man als Kind gefüttert und wird sie den Rest seines Lebens nicht mehr los. Bei dem kleinen Kängufanten war das Disco und Denver Clan. Ich war vielleicht drei jahre alt, als Fallon ihren Sohn vorm Ertrinken rettete, aber ich weiß heute noch, was sie dabei anhatte – wenn das nicht nerdy ist, weiß ich nicht, was sonst! Mein Guilty Pleasure ist also Der Denver Clan, die glamouröse Primetime Soap, die für einen Teil der 80er die meistgesehene Fernsehproduktion der Welt war. Wie der Batz schon sagt, wird man in der Regel belächelt, wenn man sagt, dass man Buffy mag. Bei Denver Clan ist das anders – da wird gleich am Geisteszustand gezweifelt. Dabei hatte Dynasty mehr zu bieten als Schulterpolster und Catfights, ob zwischen Joan Collins und Linda Evans, Joan Collins und Stephanie Beacham, Joan Collins und Pamela Sue Martin… (Die 80er müssen ein sehr gefährliches Pflaster für Zicken und barbrüstige Männer gewesen sein.) Im Gegensatz zu Dallas spielten hier die Frauen mit den Männern. Alles war over-the-top: Die Gegenstände waren auf Hochglanz poliert, kein Kostüm kam von der Stange, selbst der Kaviar glitzerte extra edel. Wenn ich also mal wieder keinen Bock auf billige deutsche Soaps voller 19jähriger mit eigenen Designstudios oder amerikanische Teenysoaps mit 25jährigen Teenagern und 35jährigen Eltern habe, schmeiße ich einfach eine meiner selbst-aufgenommenen Denver Clan-DVD’s ein und tauche ab in eine Zeit, als 55jährige Frauen noch Sexsymbole waren und im Playboy abgedruckt wurden… Manchmal muss es eben Kaviar sein.

Anna

Ich steh dazu: Wenn die Supernanny läuft, werde ich schizophren. Und zwar in dem Sinne, dass ich einerseits lüstern in die schrecklichsten Familien blicke, aber andererseits darüber lästern muss, wie widerlich diese Reality Soap aufgezogen ist. Schuldenberater, Big Brother oder das Dschungelcamp – dafür habe ich mich nie wirklich interessiert. Aber die Supernanny hat was. Wie diese gestandene Sozialpädagogin es scheinbar schafft, dysfunktionale Familien hoch drei zum Weinen zu bringen, wenn sie sich nach Jahren mal wieder umarmen – irgendwie anrührend. Ich weiss, es ist mieses Talkshowgehabe, die Kamera auf das Gesicht einer verzweifelten Mutti zu drücken, die von ihren Kiddies schikaniert wird. Oder auf das Kind, das unter Tränen sagt, es sei nur so gewalttätig geworden, weil es sich wünsche, dass die Eltern wieder zusammen seien. Aber jetzt mal ehrlich: Schaltet ihr weg, wenn die Supernanny Familientherapie betreibt?

Doch genug von unsere Geständnissen. Jetzt seit ihr an der Reihe. Welche düsteren TV-Geheimnisse tragt ihr mit euch herum? Wobei könnten wir euch erwischen, wenn wir plötzlich ungefragt in eure Wohnzimmer stürmen? Es ist Zeit euch zu offenbaren.

Linker Gang, jeder nur einen Beichtstuhl.

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