Liebe & Humanität in Zeit zu leben und Zeit zu sterben

25.07.2011 - 08:50 Uhr
Zeit zu leben und Zeit zu sterben
Universal Pictures/moviepilot
Zeit zu leben und Zeit zu sterben
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Unsere Aktion Lieblingsfilm zeigt, dass Favoriten aus sämtlichen Jahrzehnten stammen können. Zeit zu leben und Zeit zu sterben von 1958 ist zum Beispiel der Favorit von einem der moviepilot-User.

Zeit zu leben und Zeit zu sterben ist ein bemerkenswerter Antikriegsfilm mit Liselotte Pulver und John Gavin nach einem Roman von Erich Maria Remarque („Im Westen nichts Neues“), der von einer aussichtslos erscheinenden Liebe in den Wirren des Krieges erzählt. 1957 trat Hollywoodregisseur Douglas Sirk (1900-1987), der eigentlich Detlef Sierck hieß, dänischer Herkunft war und 1937 aus politischen Gründen Deutschland verließ, mit dem Wunsch an Remarque heran, das Drehbuch zu „A Time to Love (!) and A Time Die“ zu verfassen. Den Überredungskünsten des auf Melodramen spezialisierten Meisterregisseurs ist es auch zu verdanken, dass Remarque in der Verfilmung seines Romans die wichtige Rolle des Professor Pohlmann übernahm, der mit dem Protagonisten Ernst Gräber ein zentrales Gespräch über die „Schuld des einfachen Soldaten“ führt.

Der Film, der größtenteils in den Ruinen Berlins gedreht wurde, konnte einen beachtlichen internationalen Erfolg verbuchen. Zeit zu leben und Zeit zu sterben beginnt an der Ostfront und erzählt vom einfachen Landser Ernst Gräber, der zunächst hilf- und tatenlos den Gräueln der Wehrmacht beiwohnt. Als er überraschend Fronturlaub erhält, stellt er zu seinem Entsetzen fest, dass der Krieg längst auch in seiner Heimat Einzug gehalten hat. Gräber verliebt sich in die junge Elisabeth und weiß doch zu genau, dass ihr gemeinsames Glück nur von kurzer Dauer sein wird. Wenige Tage später muss Ernst zurück an die Ostfront und die Briefe Elisabeths sind das Einzige, was ihn inmitten des Grauens tröstet.

Diesmal tritt er dem Unrecht entschieden entgegen und befreit vermeintliche Partisanen. Zum Zeichen seiner Friedfertigkeit lässt er sein Gewehr zu Boden sinken und begibt sich mit einem in seiner Tasche befindlichen Brief von Elisabeth an das Ufer eines kleinen Baches. Elisabeth berichtet ihm, dass sie ein Kind von ihm erwartet. Der in Elisabeths Brief versunkene Gräber ahnt nicht, dass sich einer der befreiten Partisanen genähert und die Waffe auf ihn gerichtet hat. Im Schlussbild gleitet der Brief aus Gräbers Händen und wird vom Wasser hinfort gespült. Der leicht geänderte Schluss des Films gegenüber dem Roman lässt trotz des tragischen Todes von Gräber Hoffnung aufkeimen. Ein Teil von ihm wird in Elisabeths ungeborenem Kind weiterleben.
Im Roman heißt es indes am Ende:

„Er fühlte den Schuß nicht. Er sah nur plötzlich Gras vor sich, eine Pflanze, dicht vor seinen Augen, halb zertreten, mit rötlichen Blütendolden und zarten Blättern, die größer wurde, und es war schon einmal so gewesen, aber er wußte nicht mehr, wann. Die Pflanze schwankte und stand dann allein vor dem schmal gewordenen Horizont seines sinkenden Kopfes, lautlos, selbstverständlich, mit dem Trost kleinster Ordnung, mit allem Frieden, und sie wurde größer und größer, bis sie den ganzen Himmel ausfüllte und seine Augen sich schlossen.“

Interessant ist hieran, dass Remarque am Ende des Romans noch einmal indirekt auf eine Szene in der Heimat verweist, einen der intimsten Momente zwischen Elisabeth und Ernst:

„Er zog sie zu sich herunter, und der Baum war plötzlich sehr groß da, der Baum, der nach dem roten Himmel griff, und die Blüten waren sehr nahe, es war die Linde und dann die Erde, und sie wölbte sich und wurde Acker und Himmel und Elisabeth, und er spürte sich in ihr, und sie widerstand ihm nicht.“

Augenscheinlich dienen die von Gräber kurz vor seinem Tode wahrgenommenen Natureindrücke dazu, eine Brücke zur Vergangenheit zu schlagen. In der letzten Szene erfolgt eine Reduktion auf das Wesentliche. Leben, Liebe und Tod erfahren eine Symbiose. Douglas Sirk arbeitete in seiner Verfilmung die melodramatischen Aspekte des Romans von Remarque heraus und wollte an den künstlerischen und kommerziellen Erfolg von Milestones „Im Westen nichts Neues“ anknüpfen. Nur in Deutschland blieb der Film hinter den Erwartungen zurück. Im restaurativen Klima der 50er Jahre war kein Platz für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Verdrängung und Vergessen allgegenwärtig. In einer Rezension, die anlässlich der Wiederaufführung 30 Jahre später veröffentlicht wurde, erfuhr der Film dann eine Bewertung fernab ideologischer Vorurteile:

„So erscheint hinter den Abbildern einer Trümmerwelt, die Sirk in den wilden Farben der Fünfziger Jahre in manchmal kühnen Einstellungen malt, immer auch die Ahnung von einem besseren Leben, das die Menschen sich schaffen könnten, wenn sie der Liebe mehr vertrauten. Und diese Ahnung verdichtet Sirk zu solcher Stärke, gerade weil er deren Zertrümmerung in einer Trümmerlandschaft so unnachsichtig demonstriert hat, daß sie mit einer ungeheuren Intensität anhält.“

Zeit zu leben und Zeit zu sterben ist ein zeitloses, virtuos inszeniertes Meisterwerk, das verdeutlicht, dass Liebe und Humanität auch in Zeiten der tiefsten Dunkelheit stärker sind als Hass und Unmenschlichkeit. Insofern ist es ein Film, den man immer wieder sehen und neu entdecken kann.


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