Während es Aberdutzende Fernsehserien über Anwälte, Ärzte, Polizisten und Detektive gibt, stehen Reporter eher selten im Mittelpunkt von TV-Abenteuern. Dass dies eine vertane Chance ist, demonstriert Carl Kolchak, eine meiner liebsten Serienfiguren und Held von Der Nachtjäger (im Original Kolchak: The Night Stalker), in Vollendung. Nicht zuletzt, weil es sich bei ihm um keinen gewöhnlichen investigativen Journalisten handelt, denn statt Steuerbetrug, Korruption oder Politskandalen ist er Mitte der 1970er-Jahre Fällen auf der Spur, für die Jahrzehnte später Mulder und Scully gerufen wurden. Carl Kolchak bekommt es nämlich stets mit dem Übernatürlichen zu tun, mit Gruselmonstern, Schreckgestalten und anderen unmenschlichen Gestalten, die im nur allzu menschlichen Chicago ihr Unwesen treiben.
Chancenlos und Spaß dabei
Dass Kolchaks Begegnungen mit Vampiren, Werwölfen oder Außerirdischen ebenso unnachahmlich wie vergnüglich gerieten, ist dabei nicht nur der damals revolutionären Mischung aus Übernatürlichem und Alltäglichem zu verdanken, sondern vor allem Kolchak-Darsteller Darren McGavin. Der verkörperte Carl Kolchak zunächst in zwei überaus erfolgreichen Fernsehfilmen, The Night Stalker und The Night Strangler, in denen er gegen einen Blutsauger in Las Vegas und einen unsterblichen Würger in Seattle antreten musste. Bereits hier trug er sein unverkennbares Outfit, einen hellblauen Anzug mit Strohhut, war nie ohne seinen voluminösen tragbaren Kassettenrekorder anzutreffen und stand am Ende seiner Untersuchungen stets mit leeren bzw. gebundenen Händen da.
Mehr: Wir wählen die beste Serienfigur aller Zeiten - Macht mit!
Das trieb ihm aber keinesfalls den Spaß an seiner Arbeit aus, denn das Wissen, stets auf verlorenem Posten zu kämpfen, spornte Kolchak nur noch mehr an. Schon im Vorspann trat er stets mit einem fröhlich gepfiffenen Liedchen auf den Lippen auf, seine Ermittlungen führte er mit hartnäckiger Leichtigkeit, stets ein ironisches Zwinkern im Knopfloch, immer bereit für ein verblüfftes Aufbrausen mit seiner schnarrenden Stimme, die ebenso angriffslustig-illusionslose Voice-Over lieferte wie belustigte Fragen an seine Gesprächspartner stellte. Seine dauergekräuselte Stirn begleitete auch die nicht seltenen direkten Ansprachen an die Zuschauer, wenn am Ende einer Folge mal wieder ein Monster besiegt, die Wahrheit aber ebenso begraben war.
Streitlustig und wortgewandt
Trotzdem warf sich Carl Kolchak stets fröhlich in die nächste Schlacht, bei der er neben dem Monster der Woche auch mit unkooperativen Politikern, ablehnenden Polizisten und nicht zuletzt mit seinem cholerischen Chef beim Independent News Service, Tony Vincenzo (Simon Oakland), aneinandergeriet, mit dem er ohnehin im Dauerclinch lag. Autoritätspersonen trat Kolchak stets frech und respektlos gegenüber, wohl wissend, dass sie ihm in einer Diskussion ohnehin nicht das Wasser reichen konnten.
Kolchaks Wortgewandtheit war ihm nicht nur bei diesen Gelegenheiten ein unerlässlicher Beistand. Gerade weil ihm weder staatlich verliehene Autorität noch Waffengewalt zur Verfügung standen, musste er sich der Herausforderungen bei seinen Nachforschungen stets auf ganz eigene Art erwehren. Denn nicht selten geriet Kolchak in unerwartet brenzlige Situationen, die ihn ebenso wie die Zuschauer in Erstaunen versetzten, aus denen er sich aber stets herausreden oder -winden konnte.
Desillusioniert und einzigartig
Interviews zur Der Nachtjäger zufolge war Darren McGavin den Widrigkeiten des Seriengeschäfts übrigens ähnlich wenig wohlgesonnen wie Kolchak Autoritätspersonen: Zu lange Drehzeiten, zu wenig Werbung für die Serie, zu viele bestenfalls durchschnittliche Drehbücher. Doch gerade das macht seine Verkörperung von Carl Kolchak nur umso bewundernswerter. Auch wenn die Episoden tatsächlich oft nach Schema F abliefen, verwandelte sie McGavins Kolchak stets in ein wahres Seh-Vergnügen. Seine sorgfältig per Schreibmaschine verfassten Reportagen landeten zwar meist im Mülleimer statt in der Zeitung, in den Annalen der Fernsehserien-Geschichte wird Carl Kolchak jedoch für mich immer einen Ehrenplatz einnehmen.