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Die endgültige Pervertierung des Fernsehens

24.05.2017 - 19:53 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Channel 4
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Seit drei Wochen läuft auf RTL II eine neue "Dating-Show", Nakes Attraction, welche dem britischen Original [Bild] aus dem letzten Jahr alles 1 zu 1 nachmacht.
Wer gedacht hat, nach "Adam sucht Eva" und "Der Bachelor" kann es nicht schlimmer kommen, wird hier eines besseren belehrt.
Ein Mann oder eine Frau kann zwischen 6 Menschen des bevorzugten Geschlechts aussuchen. Während es aber in den vorher erwähnten Shows noch zu - wenn auch gespielten - menschlichen Interaktionen kam, ist hier alles auf das Fleisch reduziert. Die 6 Personen stehen in einem engen Glaskasten, wie Schaufensterpuppen in einem Supermarkt, oder, da es sich um eine bloße Fleischschau handelt, wie herabhängende Schweinehälften beim Metzger. Bestärkt wird dieser Gedanke durch die Einleitung in jeder Sendung, die behauptet, in Zeiten der Datingsapps (Tindr etc.) hätte man bei der Partnerwahl eine Auswahl wie bei einer Speisekarte. Der menschliche Körper wird nicht bloß zu einem reinen Lustobjekt, sondern zu einer Ware, die sich selber vermarkten muss/ sich selber zu schau stellen muss, um vom "Kunden" d.h. dem angeblich möglichen Partner angenommen zu werden. Die Reduzierung auf das Körperliche führt natürlich zu der kompletten Ausblendung der Persönlichkeit und anderen Faktoren (Alter, Beruf, Familienstand wird erst erwähnt, wenn die gewissen Person rausfliegt). Schon einige der ersten "Dates" nach der Show gehen aus ganz verschiedenen Gründen in die Hose - es kommt also doch bloß nicht aufs rohe Fleisch an. Diese Tatsache verheimlicht die Show nicht mal, aber das Konzept wird nicht verworfen.
Interessant ist die völlige Umkehrung der körperlichen Enthüllung. Im "normalen" Leben sieht man zuerst das Gesicht, dann den Oberkörper und ganz zum Schluss das primäre Geschlechtsteil. Diese Show aber dreht es völlig um.
Zuerst werden die primären Geschlechtsteile angeschaut und bewertet! Nach Größe, Dicke, Schambeharrung, Beschneidungsstatus, Hodengröße. Und alleine nach der Bewertung des Geschlechtsorgans fliegt schon ein Teilnehmer raus! Ein Wunder, dass man nicht nach Amazone-Sternchen bewertet. Über die Ästhetik bestimmter Körperteile lässt sich sicher streiten, aber es ist anzumerken, dass die Mehrheit der Menschen sich mit Form des eigenen (!) und des Partners abfinden muss - manchmal ein Leben lang. Von der Form des Geschlechtsteils auf etwas anderes zu schließen, ist das höchst Vulgäre. Aber nicht nur die Kandidaten kommentieren die Körperteile, sondern eine "Stimme aus dem Off" erklärt in einem pseudo-wissenschaftlichen Ton an Hand von Animationen, dass gewisse Größen von Hoden, Penis und Behaarung an bestimmten Körperteilen auf bestimmte Qualitäten schließen lassen, z.B. auf die Qualitäten eines guten Vaters, oder noch extremer: auf die Höhe des IQs! Daneben werden noch Studien eingeblendet, z.B. dass mehr als die Hälfte der Frauen auf Bierbäuche steht. Nur merkwürdig ist es dann, dass der Gewinner immer ein durchtrainierter halber Adonis ist.

Der Kapitalismus führt den Körperfetischismus des Faschismus fort. Es kommt zur "Totalen Vermarktung", selbst was früher als "heilig" angesehen wurde. Der eigentlich schöne menschliche Körper, in all seinen verschiedenen Formen wird hier aufs grundlegendste erniedrigt und entwertet. Die erzwungene Enthüllung zerstört die heilige Erotik komplett.
Was bleibt ist Fleisch, wie auf einer Speisekarte, zum schnellen einmaligen Verzehren - mit einem bitteren Nachgeschmack der Enttäuschung.
Eros liegt erdrückt im Felde und keiner scheint ihn beerdigen zu wollen.

"Was früher der sexuellen Phantasie noch Qual und Seligkeit war, ist heute nur noch selbstmörderische Enttäuschung und graue Unlust" - Widerruf der Trilogie des Lebens, Pasolini


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