Oscars - Product Placement, Pizza & Peinlichkeiten

08.03.2014 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Oscars - Product Placement, Pizza & Peinlichkeiten
Fox/Samsung/moviepilot
Oscars - Product Placement, Pizza & Peinlichkeiten
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Was unterscheidet den ADAC von der Academy of Motion Picture Arts & Sciences? Die einen sind ein von der Wirtschaft gekaufter, ignoranter und sterbenslangweiliger Verein, der einmal im Jahr einen Preis vergibt, den niemand mehr ernst nehmen kann. Und die anderen betreiben Pannenhilfe.

Spiegel Online, der Tagesspiegel und auch unsere Jenny waren sich einig: Die 86. Oscarverleihung war ein Reinfall. Trostlos, humorlos, glanzlos, öde, dafür mit reichlich Pizza und Fremdscham garniert. Die wahren Peinlichkeiten erlaubte sich die Academy jedoch hinter den Kulissen. Ein Aufreger der Woche über einen goldenen Adonis der unlängst zum gelbsüchtigen Stricher mutierte, der sich für einen 20 Millionen Dollar Deal nicht zu schade ist, zu Konzernen wie Samsung ins Bett zu legen – und trotz des Geldsegens uns Zuschauern eine Show vorsetzt, die (fast) jede Wetten, dass..? Sendung unterbieten könnte und noch soviel Relevanz besitzt wie der gelbe Engel des ADAC.

Vitamin B, Obstkörbe und Puderzucker
Eigentlich hätten wir es ahnen müssen. Als die Academy im Januar eine Nominierung in der Kategorie “Bestes Lied” zurückzog, war die Überraschung über diesen ungewöhnlichen und seltenen Schritt groß. Fast so groß wie sie zwei Wochen zuvor war, als diese Nominierung bekannt gegeben wurde. Es handelte sich dabei um den Song “Alone Yet Not Alone” zu dem gleichnamigen, aber nahezu unbekannten (weil scheinbar sehr bescheidenen) Film. Es hat sich herausgestellt, dass der Songschreiber Bruce Broughton – ein in den 1980er und 1990er Jahren überaus erfolgreicher Filmmusikkomponist (Young Sherlock Holmes, Tombstone) – seine Kontakte und Stellung als ehemaliger Präsident der Musikbranche und Mitglied der Academy dazu ausnutzte, um per Mail Werbung für seinen Song zu machen. Doch irgendwem muss Broughton auf die Füße getreten haben, stellt eine solche Praxis schließlich keine Seltenheit dar und dennoch wurde er als mahnendes Beispiel von der Academy von der Liste gestrichen. Womöglich auf Druck anderer, weniger gut vernetzter Komponisten und Produzenten von Songs wie Coldplays “Atlas” aus Die Tribute von Panem – Catching Fire, Lana Del Reys “Young and Beautiful” aus Der große Gatsby oder Ed Sheerans “I See Fire”.

Doch ist nicht bloß die Nominierungsphase von Vitamin B, Obstkörben und anal eingeführtem Puderzucker geprägt. Der Hollywood Reporter ging der Frage nach, wie der generelle Entscheidungsprozess der Jury aussah und befragte dazu sieben anonyme Mitglieder der Academy zu ihrem Stimmverhalten. Besonders interessant sind die Antworten in den Kategorien “Bester Animationsfilm” und “Bester animierter Kurzfilm”. Fünf der Sieben enthielten sich bei den Langfilmen. Bei den Kurzfilmen gab nur eine Person ihre Stimme ab. Die Begründungen reichten von “Habe zwar die Filme als DVD erhalten, aber hatte keine Lust sie zu schauen. Das Leben ist zu kurz.” über “Habe für Film A gestimmt (”Get a Horse! (Get a Horse!)“:/movies/get-a-horse von Disney) obwohl mir Film B (”Room on the Broom (Room on the Broom)“:/movies/room-on-the-broom aus Deutschland) besser gefiel” bis zu “Ich schaue mir keine Kurzfilme an. Wenn ich niemanden von den Machern kenne, stimme ich auch nicht ab”. Somit ist es kein Wunder, dass am Ende und im Zweifelsfall stets Filme wie Die Eiskönigin – Völlig unverfroren gewinnen werden. Milliardenschwere Filme, die dank ihrer üppigen PR-Budgets sich im Gedächtnis der Mitglieder verankern und nicht erst gesichtet werden müssen wie die in diesem Fall überlegende Konkurrenz aus dem Ausland (Wie der Wind sich hebt und Ernest & Célestine).

Und da wäre noch das berühmteste Selfie der Welt. Der Rekordbrecher, der Twitter kurzzeitig in die Knie zwang und auf Bitte der lieben Ellen sich in kürzester Zeit zum meist geteilten Bild in den sozialen Kanälen mauserte. Das prominent in Szenen gerückte, weisse Smartphone von Ellen, das den ganzen Abend im Einsatz, entwickelte sich zum heimlichen Star des Abends. Ein 20 Millionen Dollar schwerer Star. Soviel blätterte Samsung gemäß dem Wall Street Journal hin, um sein neues Smartphone Galaxy in die Show zu bekommen, unzählige Werbespots in den Pausen zu schalten und auch unterschwellig die Show mit koreanischer Technologien zu infiltrieren. Oder ist euch etwa aufgefallen, dass bei dem kurzen Einspieler über die sechs jungen, aufstrebenden Filmemacher, die die Disney Studios besuchten, zufälligerweise alle Newcomer Samsung Geräte benutzten?

Geld, Ignoranz und Vetternwirtschaft
Die Produzenten der Oscars betonen im Jahresrhythmus, wie sehr sie sparen müssten. Fesselnde Eröffnungsnummern, geladene Künstler wie der Cirque du soleil oder aufwändig vorproduzierte Einspieler fallen dem Rotstift zum Opfer. Das Orchester wurde bereits ab- und später wieder angeschafft und sitzt außerhalb des Dolby Theatres in einem Tonstudio und trötet seine Medleys ins Mikrofon. Einige Jahre lang wurden auch die Songs zusammengestrichen, um Zeit zu sparen. Wenn also die 20 Millionen Scheine der Südkoreaner dazu führen, dass wir ab 2015 wieder etwas für die Sinne und die Lachmuskeln bekommen, dann nur zu. Was macht bei einer Show, die im Dolby Theater (ehemals Kodak) veranstaltet wird, auf dem roten Teppich nur von Designerklamotten bevölkert wird und bei der gefühlt 100 Werbeunterbrechungen stattfinden, das eine oder andere Product Placement noch aus?

Dass die Produzenten mit der Unterstützung der (zu) braven Ellen eine virale Fremdschämorgie auf die Beine stellten, wäre nicht weiter wild. Die Zeiten, in denen die Oscars es noch wert waren, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen und sich am nächsten Tag müde aber stolz durch den Tag zu quälen, sind ohnehin seit einem Jahrzehnt vorbei. Die Gewinner waren schon immer streitbar, was aber durch die opulente Show kompensiert wurde. Aber ohne das berauschende Blendwerk, sondern nur einem knitterfrei gebügelten Host, der Pizza verteilt und Selfies ins Netz stellt, reicht es auch, den Recorder zu programmieren. Die Oscars sind längst zu einer bemitleidenswerten Mischung aus dem heutigen Wetten, dass..? und dem gelben BEngel des ADAC geworden. Mit einem Unterhaltungswert auf dem Nullpunkt, einem Auswahlverfahren, da so zeitgemäß wie ehrlich und transparent ist, mit einer Selbstverliebtheit, die selbst dem Besen im Hintern der deutschen Filmakademie Konkurrenz macht.

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