Post vom Mann im Mond in Moon

21.06.2014 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
I hope life on Earth is everything you remember it to be.
Koch Media/moviepilot
I hope life on Earth is everything you remember it to be.
88
34
Keine direkte Kommunikation mit der Erde, stattdessen wird im Kommentar der Woche ein Brief geschrieben, vom Mann im Mond an seine Familie auf der Erde…

Im Kommentar der Woche stellen wir euch jeden Samstag einen Kommentar aus dem regelrechten Firmament an Kommentaren auf moviepilot vor. Ob von der dunklen Seite des Mondes (oder einer Serie), ein kleines Lebenszeichen unter einem Film, als aufgezeichnete Nachricht an die glorreiche Vergangenheit eines Schauspielers oder die Flucht vor der grausamen Realität einer News: Wenn irgendwo auf moviepilot beim Lesen eines Kommentars Gerty zu euch spricht, schlagt uns diesen Kommentar vor, am besten per Nachricht – wie auch diese Woche.

Der Kommentar der Woche
Fragen über Fragen, über Liebe, Leben, Menschsein und die Zukunft: Bubo schlüpft in ihrem wehmütigen Liebesbrief in die Rolle des einsamen Sam (Sam Rockwell) in Duncan JonesMoon:

„I am the one and only
Nobody I’d rather be
I am the one and only
You can’t take that away from me“
Chesney Hawkes – The One and Only

Liebste,

die Langstreckenkommunikation zur Erde funktioniert immer noch nicht. Wie gerne würde ich jetzt eine Liveschaltung zu Dir herstellen können! Gerty sagt, ich soll mir darüber keine Gedanken machen, und das tu ich auch nicht. Auf Gerty kann ich mich verlassen, vermutlich mehr, als ich mich auf einen anderen Menschen hier oben verlassen könnte? So schreibe ich Dir einen altmodischen Brief, oder besser gesagt: Ich schreibe ihn für mich selbst, ein Postamt auf dem Mond gibt es ja nicht.

Wie wundervoll Deine letzte Videonachricht war, die mir Lunar Industries übermittelt hat. Deine Stimme zu hören, Dein Gesicht zu sehen… wie gross meine kleine Prinzessin Eve geworden ist! Wie sie wohl reagiert, wenn ihr Astronauten-Daddy sie das erste Mal in die Arme schliessen darf? Ach, Liebste, ihr fehlt mir so sehr! Die Einsamkeit ist schlimm. Es gibt nur mich, Gerty und die Arbeit. Ich lenke mich ab, so gut ich kann. Ich habe viel zu tun, das Helium-3 fördert sich nicht von selbst, und ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich einen wichtigen Beitrag für die Menschheit leiste, indem ich sie mit dringend benötigter sauberer Energie versorge, anstatt einfach nur ein funktionierendes Glied in einer Fabrik zu sein. Ich weiß, dass ich durch mein Tun hier oben und bei Euch unten etwas von Bedeutung hinterlasse, anstatt einfach nur dem Zweck meiner Arbeit zu folgen. Eve soll schliesslich zu ihrem Vater aufblicken können, und ich hoffe, Du bist stolz auf mich. Ich bin stolz auf Euch, auf meine wunderschönen Frauen, welche die letzten knapp drei Jahre so stark gewesen sind, so allein, ohne mich. Ohne die Vorfreude an Euch und die Erinnerungen an Dich wäre ich verloren. Ich träume jede Nacht von Dir; Du liegst in meinen Armen, ich spüre Deine Nähe mit jedem Herzschlag, ich rieche den Duft Deiner Haut, fühle die Wärme Deiner Berührungen, während wir uns lieben. Also halte durch, Liebste, verlier nicht Deinen Mut, denn ich tue es auch nicht. Nur noch drei Wochen, dann bin ich wieder bei Dir, bei Euch….und somit auch endlich wieder bei mir selbst. Was macht einen Menschen aus? Ich denke mittlerweile, es ist nicht der Charakter, es ist nicht die verlangte Leistung oder die gegebene Begabung, es sind nicht die Wünsche oder Vorstellungen. Es sind die schönen Erinnerungen, die mich zu dem machen, der ich bin. Glücklicher könnte ich also im Prinzip nicht sein, habe ich doch nur Erinnerungen an Dich. Du ahnst nicht, wie viel Kraft hinter all dem damit einhergehenden Leid ich daraus ziehen kann! Die Hoffnung auf neue Erinnerungen mit Euch hält mich am Leben.

Ich fühle mich schon viel besser, jetzt, da ich an Euch und unsere Zukunft denke. Ich bringe meine Tage rum, indem ich arbeite, auf dem Laufband trainiere, Musik höre und mir alte Folgen von „Verliebt in eine Hexe“ ansehe. Meinen Pflanzen geht es gut, ich pflege sie mit grösster Sorgfalt. Pete ist unglaublich gewachsen und Jodys Blätter glänzen am schönsten von allen. Ist es seltsam, dass ich ihnen Namen gebe und mit ihnen rede? Die Stille bringt mich manchmal fast um. Ich schnitze auch immer noch fleissig an meiner Stadt, ich weiß nicht, wie lange ich das eigentlich schon mache? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich damit überhaupt angefangen habe. Manchmal fühlt es sich so an, als hätte ich nie etwas anderes als diese Astronauten-Nahrung gegessen. Ich kann diese Bohnen langsam nicht mehr sehen. Wenn ich wieder bei Euch bin, gehen wir ganz schick essen! Ich kann es kaum erwarten… nur noch drei Wochen, Liebste… nur noch drei Wochen, dann bin ich wieder daheim. Ich will nach Hause.

Ich hoffe, mein Nachfolger wird mit der Einsamkeit zurechtkommen. Ich tue hier alles, damit er sich gut einarbeiten und zurechtfinden kann, wenn ich wieder bei Euch bin – ich weiß ja aus Erfahrung, wie hart es ist, hier durchzukommen, so….allein und verlassen. Gerty hin oder her, er ist mein Freund, aber eben kein menschliches Wesen, egal, wie menschlich er programmiert ist. Bisweilen fühlt es sich tatsächlich so an, als hätte ich noch nie ein direktes Wort mit einem Menschen gewechselt. Gott, diese Einsamkeit lässt einen fast verrückt werden. Ich sehe manchmal Dinge, die nicht da sind. Die Kopfschmerzen werden immer stärker, und irgendwie fühle ich mich… ständig schwächer, so, als wären meine Tage, einer Sanduhr gleich, bald abgelaufen? Was die Macht der Erinnerungen, gepaart mit diesem Alleinsein, für merkwürdige Auswirkungen haben kann? Aber der Gedanke an Dich, Eve und mein Zuhause bei Euch lässt mich durchhalten, mach Dir also keine Sorgen, das ist nur meine Psyche, die unter den Umständen leidet. Es ist doch nicht mehr lange! Ich weiß ja, wer ich bin. Ich bin Sam Bell. Astronaut, liebender Ehemann und stolzer Vater, und ich bin verdammt nochmal stärker als die Einsamkeit!

Gerty meldet gerade, dass irgendwas draußen nicht stimmt. Ich muss also kurz nachsehen, und den Fehler beheben, was auch immer der Fehler ist. Vielleicht nehme ich den Brief mit, wenn ich nach Hause fliege, damit wir bald zusammen darüber lachen können, wie unwirklich meine drei Jahre hier auf dem Mond gewesen sind. Nur noch drei Wochen, Liebste, dann bin ich wieder bei Dir, darf Eve aufwachsen sehen, dann habe ich mein Leben zurück und muss nicht mehr von meinen Erinnerungen zehren; dann bin ich endlich wieder gänzlich ich selbst!
In Liebe, Dein Sam.


Den Kommentar findet ihr übrigens hier.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News