Wie Hollywood sich die Welt zurechtbiegt

11.02.2012 - 08:00 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Völlige Konfusion
MVLFFLLC. TM & Marvel/moviepilot
Völlige Konfusion
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Die Woche ist vorbei, der Aufreger da. Es ist mal wieder an der Zeit, die Ventile ein Stück weit zu öffnen, um Dampf abzulassen, sonst wird der Druck zu groß und lässt alles in die Luft fliegen.

Es dauert nicht mehr allzu lange, dann kommen Superhelden-Fans wieder auf ihre Kosten: Marvel’s The Avengers wird den Kinobesuchern voraussichtlich ordentlich einheizen. Für die deutschen Besucher gibt es noch ein Schmankerl, denn Stuttgart kommt in diesem Film auch vor! Naja, zumindest wird Stuttgart erwähnt, denn eigentlich handelt es sich um einen Nachbau in Cleveland – um einen sehr eigenwilligen Nachbau.

Um nicht nachvollziehbare Fehler, die aus Ignoranz oder Nachlässigkeit geschehen, geht es im Aufreger der Woche.

Alles anders im Film
In Hollywood werden gerne einmal sehr eigene Wege beschritten. Zum Beispiel wenn es darum geht, den eigentlichen Ort, an dem eine Geschichte spielt, woanders hinzuverlegen. Manchmal ist das notwendig, da keine Drehgenehmigung zu bekommen ist, manchmal aber auch aus Kostengründen oder weil die Bedingungen in anderen Teilen der Welt schlicht besser sind. Sex and the City 2 war der Regierung von Dubai zu heiß, weshalb Marokko als Alternative auserkoren wurde. In Der unglaubliche Hulk ist deutlich zu erkennen, dass Toronto zum Teil Stadtdouble für New York war. Und für Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten ist die Produktion aus der Karibik in die Nähe von Hawaii geschippert. Alles halb so wild, im fertigen Film fällt das meist nicht auf. Vermeidbare Schlampereien sind jedoch ärgerlich. Für die Comicverfilmung Marvel’s The Avengers wurde die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart in Cleveland neu errichtet, wobei sich offensichtlich niemand ernsthaft die Mühe gemacht zu haben scheint, mal kurz im Internet zu recherchieren.

Fehler über Fehler
Dass Stuttgart nach Ohio verlegt wurde, lässt sich aus produktionstechnischen Gründen ja noch verstehen. Auch dass ein VW Golf als Polizeiauto herhalten muss, ist eher ungewöhnlich, sei jedoch verziehen. Warum aber werden vermeidbare Fehler begangen und Fantasienamen benutzt? Dass Café Rüdiger in der Bolzstraße hat ja noch etwas Witziges, auch wenn sich mir nicht ganz erschließt, warum ein Café dieses Namens eine Brasserie ist. Der Schreibfehler, der aus der Bolzstraße plötzlich die Bolzstaraße macht, ist hingegen einfach nur ein Zeichen dafür, dass am Set wenige Menschen sind, die auch bei solchen Kleinigkeiten genau arbeiten. Wer das immer noch anzweifelt, sollte sich das Schild mit dem denkwürdigen Schriftzug Reservierten Parken angucken. Dass offensichtlich noch nicht einmal eine Karte von Stuttgart bemüht wurde, um dem Stadtbild zumindest nahe zu kommen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Der Hauptbahnhof, den in Deutschland mittlerweile jedes Kind mit geschlossenen Augen skizzieren könnte, wirkt wie eine U-Bahn-Haltestelle in Neukölln. Ganz schön popelig.

Warum denn nicht präziser?
Mit Genauigkeit haben es die amerikanischen Filmemacher ganz offensichtlich nicht so, das haben wir schon zuvor häufig gemerkt. Wer den dröhnenden Blockbuster Das A-Team gesehen hat, der weiß ganz genau, wovon die Rede ist. Frankfurt am Main hat die Kennzeichen von Frankfurt an der Oder, Deutschland besteht großflächig aus Wüste, der Kölner Dom ist aus unerfindlichen Gründen nach Frankfurt versetzt worden und ob deutsch oder norwegisch gesprochen wird, scheint auch völlig sekundär, klingt ja eh irgendwie gleich. Beispiele für solch schludriges Vorgehen gibt es zuhauf, vom charmant radebrechenden Deutsch in Stirb langsam („Schieß dem Fenster“) bis hin zum hyperinternationalen Bahnhof in Hostel. Das stört mal mehr, mal weniger.

Aber ganz ehrlich, ein Stadtbild nachzubauen, geographische und topographische Tatsachen halbwegs korrekt widerzugeben und simple Worte richtig zu schreiben, sollte eigentlich drin sein. Dazu bedarf es eines Internetanschlusses und ein bisschen Zeit zur Recherche. So hätten beispielsweise auch die Macher von James Bond 007 – Ein Quantum Trost verhindern können, dass La Paz nicht als tropischer Ort gezeigt wird, sondern als 3600 Meter über dem Meeresspiegel liegende, klimatisch eher kühle Stadt. Filme sind zwar Fantasie und müssen nicht immer ganz genau sein, es dürfen auch Fehler vorkommen, davor ist schließlich niemand gefeit. Bei einer Multimillionen-Dollar-Produktion sollte ein kurzer Blick ins Internet allerdings riskiert werden.

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