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Vor 80 Jahren: Kein Platz für Leni Riefenstahl

20.11.2018 - 00:01 Uhr
Sportdoku bewirbt mörderische Ideologie.
Hieronymus Hölzig
Sportdoku bewirbt mörderische Ideologie.
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Am 20.11.1938 lief Leni Riefenstahls "Olympia" erstmals auch in den USA. Doch die Amerika-Tour von Hitlers Star-Regisseurin geriet anders als geplant. Der Glanz ihres europaweit gefeierten Films war im Zuge der Novemberpogrome über Nacht verblasst.

An Hitlers 49. Geburtstag erhält dieser ein besonderes Geschenk. Ihm zu Ehren wird der Dokumentar-Zweiteiler Olympia am 20. April 1938 uraufgeführt. Die geballte NS-Prominenz kehrt an jenem Abend in den Berliner Ufa-Palast  ein, dessen Außenfassade mit den olympischen Ringen geschmückt ist. Nachdem die Saalbeleuchtung dem Flimmern des Projektors weicht, sind zunächst diffuse Wolken auf der Leinwand zu sehen, welche nach und nach die Ruinen des Antiken Griechenlands enthüllen. Begleitet von wagnerisch anmutender Musik tauchen Marmorstatuen auf, nach sieben Minuten erwacht ein steinerner Diskuswerfer per Überblendung zum Leben. Schöne Menschen in Bewegung erscheinen nun, der Olympische Fackellauf wird nachgezeichnet und die Kamera fliegt über eine Landkarte. Der Zeitraffer endet im brechend vollen Stadion von Berlin, wo der letzte Fackelträger das Olympische Feuer entfacht. 21 Minuten sind bis hierhin vergangen, knapp 200 weitere folgen in den beiden Teilen Fest der Völker und Fest der Schönheit. Es ist die Dokumentation der Sommerspiele von '36, welche als "Nazi Games", als ein Turnier des "schönen Scheins " in die Geschichte eingehen. Erschaffen hat das verblüffende Bildmaterial die Lieblings-Filmemacherin des Diktators. Für Leni Riefenstahl wird Olympia zum riesengroßen Erfolg. Deutsche Zeitungen feiern das Werk sowieso, denn Propagandaminister Goebbels hatte schon im November '36 die freie Kunstkritik  verboten.

Verführung bis ins Ausland

Riefenstahl ging bald darauf auf Promo-Tour  durch ganz Europa, viele Länder zeigten bereitwillig die Bewegtbilder der schönen Sportler. Die Filmfestspiele von Venedig endeten für die Regisseurin mit dem Hauptpreis - angesichts des faschistischen Italiens nicht überraschend. Doch auch der Figaro  in Frankreich zeigte sich begeistert: „Und dann die olympische Flamme, die mit den Nationalhymnen in eine Atmosphäre steigt, wie sie günstiger für den Frieden in der Welt niemals geschaffen wurde.“ Schon ein Werkfilm über die Dreharbeiten hatte bei der Pariser Weltausstellung im Jahr davor eine Goldmedaille erhalten. In der Schweiz, in Belgien, in Österreich - Fast überall war man verzückt. Die Tobis  schickte Filmrollen nach ganz Europa; einzig Großbritannien erteilte dem faschistischen Körperkult eine Absage. Riefenstahl ließ sich von den Vorbehalten des Vereinigten Königreichs aber nicht abschrecken und trachtete bereits nach Höherem. Es ist kein Wunder, dass ihr Sportfilm diverse Siege von Amerikanern besonders hervorhebt. Heimlich auf die ganz große Bühne schielend, begab sie sich Anfang November '38 in die USA. Das klare Ziel lautete, einen Verleiher  für Olympia zu finden. Die furios gestartete Karriere der Leni Riefenstahl nahm Kurs auf Hollywood.

"Rein historischer Film"

Diese Karriere war 15 Jahre zuvor noch in eine ganz andere Richtung gegangen. Ihre Profi-Laufbahn als Tänzerin hatte im Oktober '23 mit tosendem Münchner Beifall begonnen und nahm im darauffolgenden Sommer schon ein jähes Ende. Eine schwerwiegende Knieverletzung  in Prag machte den Traum zunichte und führte unweigerlich zum Kurswechsel. So fand die gebürtige Berlinerin zum Lichtspielwesen, war ab 1924 in Filmen von Regisseur Arnold Fanck zu sehen. Schnee und Eis bedeckten ihre Bühne zu jener Zeit: Die Berge waren das wiederkehrende Motiv in Fancks Filmen. Neben der Schauspielerei agierte Riefenstahl schon damals auch hinter der Kamera, den wohl größten Erfolg Die weiße Hölle vom Piz Palü eingeschlossen. Im Jahr vor der Machtergreifung übernahm sie zum ersten Mal selbst die künstlerische Leitung. Das blaue Licht, ebenfalls ein Bergfilm, mit ihr und Béla Balázs in der Regiefunktion wurde bis weit über die Landesgrenzen hinweg gefeiert und erweckte die Neugier der auf dem Vormarsch befindlichen Demagogen. Siegfried Kracauer  würde Das blaue Licht später als "präfaschistisch" bezeichnen. Balázs, seinerseits Jude und Kommunist, befand sich Monate nach der Veröffentlichung im Exil, als seine Co-Regisseurin den neuen Machthabern schon die Hand reichte. Stürmer-Herausgeber Julius Streicher ließ auf ihr Zutun hin Balázs' Vorspann-Erwähnung  entfernen. Ende '33 erschien bereits der erste Teil ihrer berüchtigten "Parteitags-Trilogie". Der Sieg des Glaubens war nur ein Vorgeschmack auf das, was 1935, im Jahr der Nürnberger Rassengesetze folgte. Triumph des Willens wurde zum vorläufigen Höhepunkt von Riefenstahls zweifelhaftem Höhenflug. Mehr als hunderttausend SS- und SA-Männer in Reih und Glied, Fahnenaufmärsche, der Mann mit Zahnbürstenbart im Scheinwerferlicht - Es sind Bilder, die Riefenstahls bereitwillige Beteiligung an der faschistischen Propaganda unbestreitbar machen. Dennoch wird sie später sagen, selbst dieses Werk wäre ein "rein historischer Film " gewesen. Tatsächlich hatte man ihr auch außerhalb von Hitlerdeutschland lange Zeit aus der Hand gefressen. Denn auch Triumph des Willens gewann andernorts Preise, so etwa den Grand Prix  der Pariser Weltfachausstellung 1937.

Weltstadt als Potemkinsches Dorf

Der Fackellauf, wie er in Olympia zu sehen ist, markiert nicht nur eine der bleibendsten Szenen des Films, sondern war generell ein Novum der "Nazi Games". Damals zum ersten Mal durchgeführt, ist der Lauf ein bis heute bestehendes Relikt  der Spiele von Berlin. Dabei war die Umsetzung des Turniers lange Zeit ungewiss . Der "Internationalismus und Pazifismus" hinter dem Olympischen Gedanken missfiel den NS-Schergen, die mit dem IOC-Zuschlag von '31 erstmal nichts so recht anzufangen wussten. Auf der anderen Seite bot das Großturnier eine perfekte Werbebühne für die eigene Sache, sodass Hitler bald das Beste daraus machen wollte. Boykott-Bestrebungen  von außerhalb ließen nach den Gesetzen von Nürnberg nicht lang auf sich warten und drohten, den übermütigen Veranstaltern ihre Feststimmung zu trüben. Ein Knochen musste her, den es IOC und Ausland hinzuwerfen galt und so wurde die als "Halbjüdin" eingestufte Fechterin Helene Mayer  für die deutsche Olympiamannschaft zugelassen. Überhaupt gab sich Berlin dann, als es im August '36 losging, verhältnismäßig weltoffen und zahm: Streichers Hetzblatt Der Stürmer  wurde nur unter der Hand verkauft. Im Gegenzug sah man ausländische Gäste  teils mit rechtem Arm grüßen, Hoffnungen auf ein verändertes Deutschland dank der Spiele hielten Einzug. Besucherrekord. Rundfunkübertragungen in 40 Länder. Während Deutschland den Medaillenspiegel  dominierte und der schwarze Leichtathlet Jesse Owens vor den Augen eines zähneknirschenden Österreichers zur Legende wurde, postierte Riefenstahl schon wieder Kameras an den besten Aussichtspunkten.

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