Die Antwort auf die Titel-Frage ist eindeutig: Metropolis ist der Filmklassiker schlechthin und deshalb muss das ganze Presse-Bamborium, die Begeisterung, die Euphorie auch sein. Ein Film wird natürlich nicht einfach so zum Klassiker. Metropolis von Fritz Lang ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich ein Kult aus kreativen Ideen, erdichteten Legenden und medienwirksamen Skandalen speist, wie jede Generation sich des Films annimmt und etwas Eigenes daraus macht. Metropolis hat alles davon und bietet zudem noch eine frühe utopische Weltsicht gespickt mit filmtechnischen und filmästhetischen Neuerungen.
Poster von Metropolis zieren seit den 1990er Jahren die Wände von Jugendzimmern und Cineasten-Büros, die Maschinen-Maria und die Erlöser-Maria (beide Brigitte Helm) sind weltweit zur Ikone geworden und immer wieder greifen junge Musikgruppen nach dem Filmmaterial, um die stummen Bildern mit neuen Tönen zu versehen.
Gigantomie befördert Legenden-Bildung
Metropolis hat die Ufa fast in den Ruin getrieben. 800.000 Reichsmark sollte der Film eigentlich kosten, aber Fritz Lang schöpfte aus den Vollen. Nach Angaben der Ufa kostete er letztlich 4,2 Millionen Reichmark. Die damalige Berichterstattung über den Film nahm nicht ab und immer wieder wurde allerorten über die Rekorde berichtet: 37.000 Statisten wurden engagiert, 35.000 Paar Schuhe aus der Requisite geholt, es gab 50 verschiedene Automodelle bei den Dreharbeiten. Material wurde regelrecht verschwendet, insgesamt 620.000 Meter Negativmaterial belichtet. Erich Pommer, federführender Produzent, verlor noch während der Dreharbeiten seinen Job und Fritz Lang inszenierte nach Metropolis auch nicht mehr für die Ufa.
Aber alles Geld hatte sich für die Ufa nicht wirklich gelohnt. Metropolis wurde an den Kinokassen kein Erfolg. Also entschied sich die Ufa, den Film zu “entschlacken” und kürzte ihn. Für den amerikanischen Markt wurde der 3-Stunden-Film nochmals verändert, wichtige Szenen entfernt. Was über die Jahre blieb, war ein Stückwerk, welches aber trotzdem unendliche Faszination ausübte.
Hyper-Modernes Bilder-Wirr-Warr
Was es nicht alles zu sehen gibt in Metropolis. Zackige Arbeiter, die stumpfsinnig ihrer monotonen Arbeit nachgehen; Maschinenarbeit im Takt; Stalaktiten in den Gärten der Stadt der Reichen; gigantische Spiegelkonstruktionen; die Auferstehung künstlicher Maschinen; handgefertigte Modelle einer modernen Stadt mit Autobahnen und riesiger Skyline; überflutete Arbeitquartiere in unterirdischen Städten; Dekadenz des Bürgertums. Metropolis ist voll von Bilderfetzen, die jede Generation zu immer neuen Interpretationen anregen und genau das macht ihn zu einem Klassiker.
Dazu kamen filmische Meisterleistungen; technisch und architektonisch war der Film auf dem neuesten Stand: Das neue Spiegeltrick-Verfahren des Kameramanns und Technikers Eugen Schüfftan wurde brillant eingesetzt. Tricktechnisch setzt Metropolis Standards, die sich erst langsam in der internationalen Mainstream-Filmproduktion durchsetzten.
Der Einfluss von Metropolis auf moderne Klassiker
Wer konzentriert auf einige moderne Filmklassiker schaut, wird unschwer den Einfluss von Metropolis erkennen. Blade Runner (1982), Brazil (1984), Terminator 2 – Tag der Abrechnung (1990), Das fünfte Element (1997) – sie alle schauen auf den Stummfilm aus dem Jahre 1927, der als erster ein Science-Fiction-Katastrophen-Szenario entwarf und in düsteren Bildern die Zukunft unserer Welt schildert. Nicht nur bekannte Filmemacher haben sich von Metropolis inspirieren lassen, auch Musiker waren begeistert von dem Werk. Erinnert sei an “Radio Gaga” von Queen, “Express Yourself” von Madonna oder an die Reminiszenz von Pink Floyd in der Sequenz “Another Brick in the Wall”.
Metropolis verschwand nach seinen deutschen Kinostart, der sich als Flop entpuppte, in der Versenkung. Der Film wurde in den 1980er Jahren neu entdeckt und zum wahren Kult. Zum Einen fand Giorgio Moroder, italienischer Filmkomponist, für den Stummfilm eine völlig neue Zuschauer-Schicht, in dem er Metropolis kommerzialisierte und aufpeppte. 1984 feierte seine Version von Metropolis beim Filmfestival in Cannes Premiere. Filmhistoriker waren entsetzt, Cineasten staunten, junge Zuschauer waren begeistert: Ein Kultfilm war geboren.
Zum Anderen lies der Filmhistoriker Enno Patalas vom Münchner Filmmuseum nicht locker, sammelte weltweit Stückchen von Metropolis zusammen und präsentierte 1987 eine Version, die bis zum letzten Jahr als die genaueste Fassung von Metropolis galt. Ende der 1990er Jahre wurde unter der Leitung der Murnau-Stiftung an einer weiteren Restauration gearbeitet, die 2001 auf der Berlinale aufgeführt wurde. Wieder war die Fachwelt begeistert und die Zuschauer strömten in Scharen. Das wird wohl auch bei der Berlinale 2010 der Fall sein, denn in diesem Berlinale-Jahr wird Metropolis in seiner ursprünglichen Fassung zu sein. Heute Abend könnt diese Urversion auch auf Arte bewundern.
Hier einpaar Szenen aus Metropolis von Fritz Lang:
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