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    999CINEASTOR666 15.06.2025, 16:50 Geändert 15.06.2025, 16:51

    Der Rattenfänger (OT: The Piper / AT: Piper) / GB/LV / 2023

    >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

    DER RATTENFÄNGER von Regisseur ANTHONY WALLER (AMERICAN WEREWOLF IN PARIS) bietet atmosphärische Schauwerte und eine halbwegs solide Gruselhandlung, bleibt inhaltlich aber erstaunlich konventionell – trotz der faszinierenden Vorlage. Dass der Film einen übernatürlichen Zugang zur bekannten Sage wählt, überrascht nicht – wohl aber, wie wenig daraus gemacht wird.

    Nachdem Liz Haines (ELIZABETH HURLEY) und ihre Tochter Amy (MIA JENKINS) in die Stadt Hameln gezogen sind, ereignen sich zunehmend mysteriöse Vorfälle. Alles deutet auf den geheimnisumwobenen Rattenfänger (ARBEN BAJRAKTARAJ) hin, der einer alten Legende nach diejenigen heimsucht, die in der Vergangenheit mit einem unverzeihlichen Verbrechen davongekommen sind. Liz beschließt, dem Mythos auf den Grund zu gehen – doch sie ahnt nicht, welchen Preis sie dafür zahlen muss …

    Inszenatorisch punktet DER RATTENFÄNGER mit der malerischen Kulisse Hamelns. Die engen Gassen und Fachwerkhäuser werden durch das Kameraauge von ROGER SIMONSZ (u. a. RUSH HOUR) gekonnt eingefangen. Viel braucht es nicht, um Atmosphäre zu erzeugen. Doch dieser visuelle Realismus steht leider im Kontrast zur inhaltlichen Beliebigkeit. Zwar verspricht das Set-up Spannung, doch der Film verliert sich zu oft in generischen Genre-Versatzstücken: Visionen, nächtliche Erscheinungen, unheilschwangere Musik. Effektiv, aber vorhersehbar.

    Interessanter wird DER RATTENFÄNGER, wenn er sich seiner moralischen Untertöne widmet. Der zentrale Konflikt kreist um Schuld, Reue und Buße. Amy wird wegen eines Vergehens ihrer Mutter vom Rattenfänger heimgesucht, ihre Finger beginnen nacheinander zu bluten – ein starkes Bild für unabwendbares Schicksal. Sobald der zehnte Finger blutet, wird sie geholt.

    In diesem Kontext treten zwei Nebenfiguren besonders hervor: Tante Aishe (TARA FITZGERALD), eine Zirkus-Wahrsagerin, warnt mit düsterer Überzeugung vor dem drohenden Unheil und bringt folkloristische Tiefe in die Handlung. Und dann ist da Luca Shandor (JACK STEWART), ein romantisierter Retter mit mythischer Beschützerfunktion. Er erscheint auf einem Pferd, fast wie ein Märchenprinz, und dient nicht nur als Helfer, sondern als Love Interest für Amy. Dass letztlich nur wahre Liebe sie vor dem Zugriff des Pfeifers retten kann, fügt dem Film eine beinahe kitschige Wendung hinzu, die mehr an düstere Fantasy-Romanzen à la TWILIGHT – BIS(S) ZUM MORGENGRAUEN und Konsorten erinnert als an klassischen Horror.

    Die Schauspieler machen ihre Sache ordentlich, auch wenn ELIZABETH HURLEY etwas uninspiriert wirkt, um als schützende Mutter wirklich zu überzeugen. MIA JENKINS hingegen verleiht ihrer Rolle zumindest glaubwürdige Verletzlichkeit – auch wenn das Drehbuch ihre emotionale Reise eher schematisch abarbeitet.

    Fazit: DER RATTENFÄNGER bietet schöne Bilder, ein stimmungsvolles Setting und interessante thematische Ansätze. Doch trotz seiner starken Ausgangsidee – Fluch als blutige Schuldmetapher – bleibt der Film im Mittelmaß stecken. Die romantischen Elemente um Luca wirken wie aus einem anderen Genre entlehnt und mildern das Grauen, statt es zu verstärken. Die Elemente für ein eindringliches Horrordrama wären da, werden aber zu selten konsequent ausgespielt. Atmosphärisch und solide, aber in Ton und Dramaturgie zu unausgewogen, um der Sage gerecht zu werden.

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      999CINEASTOR666 14.06.2025, 16:06 Geändert 14.06.2025, 16:07

      Fountain of Youth / US/GB / 2025

      >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

      Mit FOUNTAIN OF YOUTH liefert GUY RITCHIE einen temporeichen, stilistisch klaren Abenteuerfilm ab, der spürbar seine Handschrift trägt, sich aber gleichzeitig überraschend emotional zeigt. In der Tradition klassischer Schatzsucherfilme à la Indiana-Jones- oder Die-Mumie-Filmreihe hetzen JOHN KRASINSKI und NATALIE PORTMAN als entfremdete Geschwister über Kontinente hinweg auf der Suche nach dem legendären Jungbrunnen – und stoßen dabei nicht nur auf verschlüsselte Hinweise und skrupellose Gegner, sondern auch auf ihre eigene Vergangenheit.

      Wer bei GUY RITCHIE nur an Gangster, Revolver und Nonlinearität denkt, wird hier angenehm überrascht: Zwar gibt es einige stilistische Spielereien – etwa flotte Schnitte, visuelle Rückblenden und trockene Oneliner –, doch FOUNTAIN OF YOUTH verzichtet weitgehend auf die exzessive Coolness früherer Werke. Stattdessen steht die Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren im Mittelpunkt. NATALIE PORTMAN verleiht der innerlich zerrissenen Charlotte Würde und Tiefe, während JOHN KRASINSKI als enthusiastischer, manchmal nerviger Idealist punktet. Ihre Dialoge sind mal scharfzüngig, mal berührend, und geben dem Film das emotionale Fundament, das viele moderne Abenteuerfilme vermissen lassen.

      Die Geschichte ist alles andere als originell, aber angenehm altmodisch: Geheime Karten, antike Mechanismen, tödliche Fallen und uralte Wächter – GUY RITCHIE setzt auf bewährte Genreelemente, versieht sie aber mit genug Charme und Eigenwilligkeit, um sie frisch wirken zu lassen. Die internationalen Schauplätze sind stimmungsvoll eingefangen, wenn auch manchmal sichtbar aus dem Computer generiert.

      Dazwischen sorgen zahlreiche gut inszenierte Actionszenen für ordentlich Tempo: Von einer wilden Verfolgungsjagd durch enge Märkte bis zu einem Waffengefecht in der Wüste lässt FOUNTAIN OF YOUTH kaum eine Gelegenheit aus, sein Abenteuer mit körperlicher Dynamik und Stil aufzuladen. Besonders EIZA GONZÁLEZ glänzt in mehreren Nahkampfsequenzen, die erfreulicherweise nicht in hektischen Schnittgewitter ertrinken, sondern klar und elegant choreografiert sind. Auch das Gespür des Regisseurs für Bildkomposition trägt dazu bei, dass Explosionen, Stunts und Fluchten nicht nur laut, sondern auch visuell reizvoll ausfallen.

      Ein charmanter Nebenaspekt ist Charlottes musikalisch hochbegabter Sohn Thomas (BENJAMIN CHIVERS), der sie wider Willen begleitet und sich als kleiner Schlüsselmeister entpuppt. Während die Erwachsenen an Symbolen und Wortspielen verzweifeln, liefert er mit kindlicher Intuition und erstaunlicher Kombinationsgabe mehrfach den entscheidenden Hinweis. Dass er dabei nicht zum nervigen Sidekick verkommt, sondern in stiller Loyalität und ohne Pathos agiert, ist dem durchweg zurückgenommenen Spiel des Burschen zu verdanken.

      Besonders eindrucksvoll geraten zwei Stationen der weltumspannenden Jagd: Zum einen die Expedition zur Lusitania, dem versunkenen Passagierschiff im Nordatlantik, wo das Team das erste wichtige Artefakt hebt – eine Szene, die mit düsterer Tiefe, knarzenden Metallwänden und bedrohlicher Enge echte Spannung erzeugt. Zum anderen führt die Reise in eine geheime Grabkammer nahe den Pyramiden von Gizeh. Die Kombination aus uralten Mechanismen, rätselhaften Symbolen und der majestätischen Wüstenkulisse bringt neuen archäologischen Tiefgang in den Film.

      DOMHNALL GLEESON als todkranker Milliardär gibt dem Plot eine morbide Dringlichkeit, auch wenn sein Motiv – ewiges Leben – ein alter Hut ist. CARMEN EJOGO und LAZ ALONSO wirken als Teammitglieder funktional, ohne eigene Akzente zu setzen. STANLEY TUCCI taucht als Authorität der verborgenen Bruderschaft auf – ein Elder, der Esme instruiert und dem Film eine zusätzliche Aura von Geheimrat und Mythos verleiht.

      Besonders hervorgehoben werden muss jedoch EIZA GONZÁLEZ als Esme – eine entschlossene Agentin einer geheimen Organisation, die übernatürliche Stätten wie den Jungbrunnen bewacht und dafür kämpft, dass ihre Macht nicht missbraucht wird. Anders als in vielen Genreproduktionen wird sie nicht bloß als Gegenspielerin eingeführt, sondern entwickelt sich zu einer eigenständigen, moralisch interessanten Figur, die für ein höheres Ziel kämpft – auch wenn ihre Methoden gelegentlich fragwürdig erscheinen. EIZA GONZÁLEZ verleiht Esme dabei nicht nur elegante Härte, sondern auch Charisma und Sexappeal: Sie sieht umwerfend aus, trägt ihre Actionszenen mit beeindruckender Körperlichkeit und liefert sich mit JOHN KRASINSKI einige der amüsantesten Wortgefechte des Films. Ihre Chemie ist spürbar – ein klassischer Fall von Gegner mit Knisterfaktor. Esme ist keine bloße Versuchung oder Ablenkung, sondern eine echte Kraft im Film – gefährlich, geheimnisvoll und immer wieder im richtigen Moment präsent.

      Fazit: FOUNTAIN OF YOUTH ist kein Meilenstein, aber ein sehr unterhaltsamer, durchweg sympathischer Abenteuerfilm, der Nostalgie und Moderne geschickt verbindet. Die Chemie zwischen NATALIE PORTMAN und JOHN KRASINSKI trägt den Film ebenso wie das Gespür für Tempo und Atmosphäre von GUY RITCHIE. Ein paar erzählerische Durchhänger und klischeehafte Nebenfiguren verhindern eine höhere Wertung – doch wer sich nach klassischem Popcornkino sehnt, bekommt hier genau das Richtige.

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        999CINEASTOR666 14.06.2025, 01:57 Geändert 14.06.2025, 15:55

        The Ugly Stepsister (OT: Den stygge stesøsteren / AT: Cinderella's Stepsister) / NO/DK/RO/PL/SE / 2025

        >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

        Radikale Relektüre des klassischen Märchenstoffs. Langfilmdebütantin EMILIE BLICHFELDT liefert nicht nur einen Perspektivenwechsel, sondern auch eine feministische Neuinterpretation. Üblicherweise ist die hässliche Stiefschwester eine eitle, boshafte und überhebliche Nebenfigur, doch diesmal ist sie eine tragische Antiheldin – denn wer schön sein will, muss leiden.

        Im fiktiven Königreich „Swedlandia“ versucht Elvira (LEA MYREN), gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Alma (FLO FAGERLI) und ihrer Mutter Rebekka (ANE DAHL TORP), gesellschaftlich aufzusteigen. Die Mutter heiratet einen vermeintlich reichen Witwer, dessen unvorhergesehener Tod sie in finanzielle Not bringt. Fortan setzt sie all ihre Mittel ein, um Elvira mit grausamen chirurgischen Eingriffen auf den Ball vorzubereiten, bei dem Prinz Julian (ISAC CALMROTH) seine zukünftige Braut wählen soll.

        Der Film thematisiert Körperbilder, patriarchale Gewalt und Selbsthass. Die Regisseurin und Drehbuchautorin mischt satirische Gesellschaftskritik mit viszeral-makabrem Horror à la DAVID CRONENBERG – ein grotesker Genremix, der gleichermaßen fasziniert und abstößt. Die Goreeffekte und Ekeleinlagen sind gnadenlos. Sie sind klaustrophobisch in Nahaufnahme inszeniert, ohne jegliche Beschönigung. In schmerzhaft langen Einstellungen wird die Zahnspange per Zange herausgerissen, die Nase per Hammer und Meißel korrigiert, Wimpern in die Augenlider genäht, die Zehen per Fleischerbeil abgeschlagen, und ein meterlanger Bandwurm unter Würgen, Tränen und Erschöpfung aus dem Rachen gezogen.

        Diese Szenen sind keine plakativen Schockmomente – sie dienen als Visualisierung eines schleichenden Körper- und Identitätsverlusts, der unter dem Deckmantel von „Verbesserung“ geschieht. Der Schmerz ist real, spürbar, fast körperlich übertragbar auf das Publikum. Und genau darin liegt die verstörende Stärke von THE UGLY STEPSISTER: Es ist kein Film, den man konsumiert – es ist ein Film, der einen verändert.

        Visuell hat sich die norwegische Filmemacherin an osteuropäische Märchenfilme der 60er- und 70er-Jahre orientiert. Gleichwohl ergänzen die Kameraarbeit und der verzerrte Synthie‑Soundtrack die subtile Balance zwischen ästhetischem Anspruch und abgründigem Körperhorror kongenial – elegant, stilvoll, zugleich verstörend. EMILIE BLICHFELDT gelingt es, die Grenzen zwischen Satire, Kunstfilm und Terror zu verwischen. Die Schönheitsideale unserer Zeit werden nicht nur hinterfragt – sie werden regelrecht seziert und konserviert wie ein wissenschaftliches Präparat im Einmachglas.

        Der Film stellt die Frage: Was passiert mit einem Menschen, wenn der eigene Körper zum Feind wird? Und was, wenn dieser Feind gesellschaftlich erwünscht ist? THE UGLY STEPSISTER ist kein Feel-Good-Movie, sondern ein Schlachtfeld, auf dem weibliche Körper täglich verlieren. Die Märchenmechanik wird zerlegt, verätzt, zersägt – übrig bleibt der schmerzhafte Versuch einer Emanzipation, der nur über Selbstverstümmelung führt.

        LEA MYREN liefert als Elvira eine mutige, nuancierte und beeindruckend körperliche Performance ab – zerrissen zwischen naiver Träumerei und obsessivem Ehrgeiz. Ihr physisches Ausdrucksspektrum reicht von verunsicherter Fröhlichkeit bis zu grausamem Zerfall und macht sie zum emotionalen Dreh- und Angelpunkt. Ihre Elvira ist kein reines Opfer, sondern ein wandelndes Paradoxon: schwach, ehrgeizig, leidend, aber auch mitschuldig am System, das sie deformiert. ANE DAHL TORP als Rebekka überzeugt als kaltherzige, aber nachvollziehbare Antagonistin, ebenso THEA SOFIE LOCH NÆSS als arrogante Agnes alias Aschenputtel. ISAC CALMROTH als Prinz Julian bleibt hingegen eine Projektionsfläche: schön, oberflächlich, bedeutungslos – fast schon absichtlich unterentwickelt.

        Nicht jeder wird mit diesem Film warm – und das ist auch gut so. Wer sich auf Exploitationkino mit künstlerischem Anspruch einlassen kann, wird mit einer verstörenden, aber auch intellektuell fordernden Erfahrung belohnt. Wer jedoch auf konventionellen Grusel oder gar romantisches Märchenkino hofft, sollte um diesen Film einen weiten Bogen machen.

        Fazit: THE UGLY STEPSISTER ist eine bittere Allegorie auf Schönheitsideale, Selbstoptimierung und weibliche Rollenbilder. Er zeigt keine Emanzipation im klassischen Sinne, sondern einen Überlebenskampf gegen das eigene Selbstbild. Jeder Eingriff, jede „Verbesserung“ hinterlässt nicht nur Narben, sondern entfremdet Elvira weiter von sich selbst. Regie, Ausstattung, Sound und Schauspiel sind auf höchstem Niveau. Allerdings ist der Film nichts für Zartbesaitete: grausame Nahaufnahmen, ekelerregende Körpermetamorphosen und ein quälend entschleunigtes Martyrium sind kein Nebeneffekt – sie sind die zentrale Botschaft dieses Albtraums.

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          999CINEASTOR666 13.06.2025, 22:03 Geändert 13.06.2025, 22:23

          Until Dawn – Bleib am Leben! (OT: Until Dawn) / US/HU / 2025

          >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

          UNTIL DAWN - BLEIB AM LEBEN! basiert auf einem Videospiel – das mir persönlich jedoch nicht vertraut ist. Die filmische Adaption entpuppt sich als atmosphärisch dichter Genremix aus Mystery, Slasher und Psychodrama. Erfreulicherweise offenbart sich mehr Substanz, als man dem formelhaften Konzept auf den ersten Blick zutrauen würde.

          Ein Jahr nach dem rätselhaften Verschwinden ihrer Schwester Melanie (MAIA MITCHELL) begibt sich Clover (ELLA RUBIN) gemeinsam mit ihrem Ex-Freund Max (MICHAEL CIMINO) sowie den Freunden Megan (JI-YOUNG YOO), Nina (ODESSA A'ZION) und Abe (BELMONT CAMELI) auf die Suche. Schnell nimmt der Film Fahrt auf: eine heruntergekommene Tankstelle mit einem unheimlich gut informierten Betreiber, ein verlassenes Besucherzentrum, eine mysteriöse Regenkuppel, die Glore Valley von der Außenwelt abschirmt – die Zutaten für klaustrophobische Paranoia sind gesetzt. Was zunächst wie ein therapeutischer Selbstfindungstrip wirkt, kippt rasch in Slasher-Terror mit deutlicher Splatter-Note.

          Dann folgt der eigentliche Clou: Nachdem die Gruppe im Besucherzentrum von einem maskierten Killer brutal ermordet wird, wachen alle am Ausgangspunkt wieder auf. Ziel ist es nun, bis zur Morgendämmerung zu überleben. Die Zeitschleifen-Prämisse ist im Horrorkino kein Novum – man denke an TRIANGLE – DIE ANGST KOMMT IN WELLEN oder HAPPY DEATHDAY. Doch hier ist sie kein bloßes Gimmick, sondern zentrales dramaturgisches Element. Jede neue Runde ist eine existenzielle Prüfung, bringt neue Erkenntnisse über Ort, Figuren, Beziehungen und das düstere Geheimnis hinter Clovers verschwundener Schwester zutage. Zwar behalten die Protagonist*innen ihre Erinnerungen, doch ihre Körper bleiben nicht unversehrt.

          Spannung entsteht nicht allein durch den Killer, sondern durch das schrittweise Zusammensetzen eines größeren Puzzles. Der Film spielt klug mit den Erwartungen des Publikums: Was beim ersten Mal als Nebensächlichkeit durchgeht, kann beim nächsten Versuch tödlich enden. Altbekannten Genreformeln wird auf diese Weise neues Leben eingehaucht.

          Regisseur DAVID F. SANDBERG (LIGHTS OUT, ANNABELLE 2) beweist Gespür für Timing, Atmosphäre und Struktur. Inszenatorisch ist UNTIL DAWN - BLEIB AM LEBEN! bemerkenswert stark. Die Kameraarbeit betont Isolation und Wiederholung, während die Soundkulisse zwischen flüsterndem Wahnsinn und eruptivem Schrecken changiert. Das Creature Design der Wendigos wirkt wie ein fiebriger Alptraum. Besonders die späteren Todesarten sind brutal, doch stets narrativ motiviert.

          Lob verdient auch die Figurenzeichnung. Zwar werden manche Charaktere zunächst als Stereotype eingeführt, doch im Verlauf der Geschichte bricht der Film viele dieser Erwartungen auf. Themen wie Schuld, Verdrängung, Rivalität und Selbstopfer werden überzeugend verhandelt. Die Zeitschleife zermürbt die Gruppe psychisch wie emotional, was durch das solide Ensemble glaubhaft vermittelt wird. Die Gruppendynamik oszilliert zwischen Teenie-Klischee und emotionaler Glaubwürdigkeit – und genau das passt zur Prämisse: Jeder Fehler kann tödlich sein – oder eine neue Runde auslösen.

          Entscheidungen, Konsequenzen, Wiederholungen – all das findet hier seinen Platz, ohne bemüht zu wirken. Der visuelle Stil unterstreicht das: Nebeldurchzogene Wälder, das verlassene Besucherzentrum und surreale Lichtsetzungen schaffen eine bedrückende, beinahe halluzinatorische Albtraumlandschaft.

          Mit dem Auftauchen einer alten Hexe und der Wendigos driftet UNTIL DAWN - BLEIB AM LEBEN! in folkloristischen Horror ab – ohne jedoch zur reinen „Mythensuppe“ zu verkommen. Vielmehr gelingt DAVID F. SANDBERG eine eigenständige Mischung aus psychologischem Trauma, Kleinstadt-Mystery und übernatürlichem Grauen. Der vermeintliche Tankwart entpuppt sich als Dr. Alan J. Hill (PETER STORMARE) – ein Psychiater mit Mad-Scientist-Komplex, der Glore Valley nach einem Unglück betreute und schließlich begann, an Menschen zu experimentieren. Die Wendigos sind hier nicht bloß Monster, sondern das entmenschlichte Endstadium einer entgleisten Therapie – Sinnbilder für missbrauchte Heilungsideologien und wissenschaftlichen Fanatismus.

          Dass Clover ihre Schwester letztlich nicht retten kann, verleiht dem Film eine tragische Note. UNTIL DAWN - BLEIB AM LEBEN! verzichtet auf ein versöhnliches Happy End und bietet stattdessen Erlösung durch Erkenntnis: Die Vergangenheit lässt sich nicht rückgängig machen – aber überleben heißt, sich ihr zu stellen.

          Trotz aller Stärken ist UNTIL DAWN - BLEIB AM LEBEN! nicht frei von Schwächen: Manche Durchläufe wirken wie narrative Blindgänger und bringen die Handlung kaum voran. Im letzten Drittel gerät die Balance ins Wanken, wenn psychologischer Horror, Familiendrama und übernatürliche Elemente parallel kulminieren. Die Überfrachtung bleibt jedoch ein kurzer Moment – das emotional dichte Finale bringt die Fäden überzeugend zusammen.

          Fazit: UNTIL DAWN - BLEIB AM LEBEN! ist kein reines Slasher-Blutbad und keine plumpe Spieladaption. Vielmehr entfaltet sich hier ein spannungsgeladener, klug konstruierter Mystery-Horror mit Zeitschleifenmechanik und atmosphärischer Tiefe. DAVID F. SANDBERG gelingt es, die Spielidee filmisch weiterzudenken und daraus eine eigenständige, eindringliche Geschichte zu formen. Die Kombination aus psychologischem Grauen, folkloristischem Schrecken und moralischer Fallhöhe macht UNTIL DAWN - BLEIB AM LEBEN! zu einem der überzeugendsten Genrebeiträge der letzten Jahre. Dass der Film sich am Ende nicht in Konventionen rettet, sondern seinen düsteren Pfad bis zur Morgendämmerung konsequent beschreitet, ist sein größter Triumph.

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            999CINEASTOR666 10.06.2025, 22:55 Geändert 10.06.2025, 22:55

            Shadow Force – Die letzte Mission (OT: Shadow Force) / US / 2025

            >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

            Kyrah (KERRY WASHINGTON) und Issac (OMAR SY) waren einst Elitesoldaten einer geheim operierenden Spezialeinheit namens „Shadow Force“. Während eines Einsatzes verliebten sie sich ineinander, Kyrah wurde schwanger. Um ihren Sohn Ky (JAHLEEL KAMARA) vor der Vergeltung durch ihre ehemaligen Kameraden und deren skrupellosen Anführer, den UN-Generalsekretär Jack Cinder (MARK STRONG), zu schützen, tauchten sie unter. Ein aufsehenerregender Zwischenfall in einer Bankfiliale bringt ihre Tarnung jedoch zum Einsturz – und ruft eine tödliche Hetzjagd mit hohem Kopfgeld auf den Plan.

            Das Erzähltempo wirkt anfangs etwas behäbig – statt Hochspannung und High-Octane-Action haben Rückblenden, emotionale Szenen und erklärende Dialoge Vorrang. Nichtsdestotrotz bleibt die Geschichte stets involvierend. Der familiäre Zusammenhalt steht im Zentrum und verleiht dem Kampfszenario emotionale Tiefe. Die Dynamik zwischen Kyrah, Isaac und ihrem Sohn Ky funktioniert glaubhaft und hält die Motivation der Figuren greifbar. Das zahlt sich besonders im letzten Drittel aus, wenn der Film endlich Fahrt aufnimmt und auf ein solides Finale zusteuert.

            Natürlich bleiben Actionfilme selten glaubwürdig – doch SHADOW FORCE – DIE LETZTE MISSION übertreibt es mit der Nehmerqualität seines Antagonisten. Dass Cinder mehrfach Kugeln einsteckt und beinahe unverwundbar erscheint, wirkt weniger heroisch als schlicht unglaubwürdig. Dennoch bietet der Film einige ansprechend choreografierte Kämpfe und Schusswechsel – nicht innovativ, aber sauber inszeniert.

            KERRY WASHINGTON und OMAR SY harmonieren als Elternpaar und tragen die familiäre Dimension überzeugend. JAHLEEL KAMARA als ihr Sohn Ky ist ein echter Sympathieträger, der in brenzligen Momenten mit kindlicher Naivität und seinem Faible für LIONEL RICHIE für amüsante Auflockerung sorgt. Auch die Nebenfiguren tragen zur Atmosphäre bei: Auntie (DA'VINE JOY RANDOLPH) fungiert als resolute Ersatzmutter mit großer Klappe und noch größerem Herzen, die auch im Kugelhagel kühlen Kopf bewahrt. Unc (CLIFF "Method Man" SMITH) hingegen gibt sich väterlich, hat aber eine zwielichtige Vergangenheit – seine Rolle als einstiger Informant für Cinder bringt eine moralische Ambivalenz ins Spiel. Dass Method Man ihn spielt, ist ein schöner Insider für Genrefans: Immerhin wurde er als Teil des Wu-Tang Clans zur Rap-Legende – eine beiläufige Anspielung im Film wirkt wie ein augenzwinkernder Gruß an Kenner.

            MARK STRONG verleiht dem eiskalten Strippenzieher Jack Cinder die nötige Gravitas. Sein Spiel ist präzise, doch seine Figur bleibt eindimensional. Hier hätte ein etwas nuancierteres Drehbuch mehr herausholen können.

            Inszenatorisch zeigt sich der Film solide: Kameraarbeit, Schnitt und Ton liefern sauberes, schnörkelloses Actionkino. Schauplätze wie das kolumbianische Hinterland bringen visuell Abwechslung, ohne allzu exotisierend zu wirken. Stilistisch hebt sich der Film nicht besonders ab, wirkt aber auch nie billig.

            Fazit: SHADOW FORCE – DIE LETZTE MISSION ist ein grundsolider Actionfilm mit Herz und Familienfokus. Die Vater-Mutter-Kind-Konstellation bringt frischen Wind ins Genre, das handwerkliche Niveau ist durchweg ordentlich. Schwächen wie das zähe Pacing im Mittelteil und ein nahezu kugelsicherer Bösewicht trüben den Gesamteindruck etwas – doch wer mit gedämpften Erwartungen herangeht, wird mit einem passabel unterhaltsamen Mix aus Schusswechseln, Pathos und Familiendrama belohnt. Kein Meilenstein – aber eine Mission, die man sich durchaus anschauen kann.

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              999CINEASTOR666 09.06.2025, 22:17 Geändert 09.06.2025, 22:18

              The Bell Keeper / US / 2023

              >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

              THE BELL KEEPER verbindet urbane Legende mit einem okkulten Twist. Eine Gruppe neugieriger Freunde fährt mit einem heruntergekommenen Wohnmobil zu einem verlassenen Campingplatz, um für eine True-Crime-Doku eine berüchtigte Glocke zu läuten – obwohl die Legende genau davor warnt. Der Legende nach soll jeder, der den Klang vernimmt, vom Tod ereilt werden.

              Tatsächlich steckt hinter der Bedrohung kein gewöhnlicher Serienkiller, sondern Hank (Randy Couture), der unsterbliche Wächter des verfluchten Ortes. Seine Aufgabe: jeden zu töten, der das Läuten hört – nicht aus sadistischer Mordust, sondern weil die Betroffenen kurze Zeit später aus den Ohren bluten und von Dämonen besessen werden. Hanks Schicksal ist mit dem Ort und der Glocke verknüpft, seit ein finsterer Okkultist seine jungfräuliche Tochter geopfert hat. Das grausame Ritual öffnete das Tor für dämonische Besessenheit, die Hank seither eindämmt.

              Trotz der sattsam bekannten Zutaten bringt der Film eine charmante Naivität mit, die ihn sympathisch macht. Klischees wie der Fluch, die Warnung einer Einsiedlerin oder das Jungfrauenopfer werden nicht kaschiert, sondern genüsslich inszeniert. Dass der Film seine eigene Abgedroschenheit gelegentlich mit einem Augenzwinkern kommentiert, hilft über manche vorhersehbare Wendung hinweg.

              Die Exposition nimmt sich allerdings etwas zu viel Zeit. Die Gruppe wird routiniert, aber ohne Überraschungen eingeführt: Es gibt Neckereien, eine Prise Romantik und ein paar alberne Mutproben. Keine tiefgründigen Charakterporträts, aber auch keine nervtötenden Stereotypen – das Mittelmaß funktioniert. RANDY COUTURE überzeugt als stiller, tödlicher Beschützer, obwohl seiner Figur kaum emotionale Tiefe verliehen wird.

              Bis die Glocke endlich geläutet wird, vergeht gefühlt die Hälfte der Laufzeit. Sobald die dämonischen Besessenheiten einsetzen, fühlt man sich unweigerlich an TANZ DER TEUFEL erinnert. Zwar gibt es einige saftige Splattereinlagen, doch Gorehounds dürften enttäuscht sein – die Gewaltspitzen bleiben blutig, aber nie wirklich schockierend. Da wäre deutlich mehr drin gewesen.

              Inszenatorisch bewegt sich THE BELL KEEPER im soliden Mittelfeld. Kameraarbeit, Sounddesign und Effekte funktionieren, ohne besonders aufzufallen. Alles wirkt wie ein gut aufgelegter B-Film: keine Blamage, aber eben auch nichts, das wirklich heraussticht.

              Fazit: THE BELL KEEPER ist vorhersehbar, aber nicht langweilig – trashig, aber nicht billig. Wer mit niedrigen Erwartungen und einem Faible für einfache Genre-Unterhaltung herangeht, wird durchaus passabel unterhalten. Der Film erfindet das Rad nicht neu, fährt aber auch nicht völlig daneben. Zwischen naivem Charme, bekannten Versatzstücken und ein paar gelungenen Schauwerten bietet er Oldschool-Mythos und Geisterbahn-Stimmung – und nimmt sich selbst dabei wenig ernst. Darin liegt seine kleine, aber nicht ganz zu unterschätzende Stärke.

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                999CINEASTOR666 09.06.2025, 10:19 Geändert 09.06.2025, 13:35

                Beezel – The Blind Witch Waits (OT: Beezel) / US / 2024

                >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                BEEZEL – THE BLIND WITCH WAITS will klassischen Hexenhorror mit Haunted-House-Motiven verbinden. Das abgelegene Anwesen in Massachusetts dient dabei als tödliche Falle für all jene, die es über mehrere Jahrzehnte bewohnen. Im Zentrum steht die blinde Hexe Beezel, die sich durch ihren unstillbaren Hunger nach Menschenfleisch ewiges Leben bewahrt – ein durchaus starker Aufhänger, der in der Umsetzung allerdings enttäuscht.

                Der Film setzt nicht auf eine durchgehende Handlung oder klare Protagonist:innen, sondern erzählt episodisch: In jeder Dekade treten neue Hausbewohner auf, die bald dem übernatürlichen Grauen zum Opfer fallen. Was wie ein Konzeptfilm wirken könnte, fühlt sich letztlich wie eine Reihe austauschbarer Kurzgeschichten mit gleichem Ablauf an – Einzug, Unbehagen, Tod. Narrative Verbindungen oder emotionale Kontinuität sucht man vergeblich.

                Dabei gelingt auf der formalen Ebene viel: Die Inszenierung spielt geschickt mit Found-Footage-Anleihen – von Super-8-Optik bis VHS-Ästhetik – und erzeugt eine dichte, bedrohliche Atmosphäre. Auch die Soundkulisse verstärkt das Gefühl des Unbehagens. Visuell ist BEEZEL – THE BLIND WITCH WAITS eindeutig über Genre-Durchschnitt. Doch die inhaltliche Leere bleibt davon unberührt.

                Die zahlreichen Figuren bleiben flach, ihre Dialoge oft gestelzt, ihre Motivationen unklar. Andeutungen einer größeren Mythologie werden zwar gestreut, verlaufen aber im Sande. Statt einer eskalierenden Dramaturgie oder kreativer Variationen wiederholt der Film sein Schema stoisch – wodurch sich schnell Monotonie einstellt.

                Auch schauspielerisch bleibt alles im soliden, aber unauffälligen Bereich. Beezel selbst, die titelgebende Hexe, ist zwar visuell gelungen, doch als Figur bleibt sie schemenhaft. Ihr Schrecken ist rein funktional, ikonisches Potenzial wird verschenkt. Interessant dabei: Regisseur AARON FRADKIN übernimmt die Rolle der blinden Hexe selbst – unter dicken Schichten von Maske und Prothesen. Statt daraus eine zentrale Schreckensfigur zu formen, bleibt Beezel jedoch eher ein atmosphärisches Beiwerk, das selten im Fokus steht.

                Fazit: Atmosphärisch dicht und visuell stilvoll, punktet BEEZEL – THE BLIND WITCH WAITS auf der formalen Ebene. Doch hinter der gelungenen Retro-Ästhetik verbirgt sich ein monotoner, emotional distanzierter Horrorfilm, der weder Figurenbindung noch dramaturgische Steigerung bietet. Wer auf stimmige Optik und düstere Hausdämonie setzt, wird teils bedient – wer Horror mit erzählerischem Biss sucht, bleibt enttäuscht.

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                  999CINEASTOR666 08.06.2025, 22:04 Geändert 08.06.2025, 22:04

                  American Pie – Das Klassentreffen (OT: American Reunion / AT: American Pie 4 / American Pie: Reunion) / US / 2012

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                  Neun Jahre nach der peinlich-schönen Hochzeit ist es Zeit für das unvermeidliche Wiedersehen: Die ehemalige Clique kehrt für ein Highschool-Klassentreffen an den Ort ihrer Eskapaden zurück. Mit dabei: James „Jim“ Emanuel Levenstein (JASON BIGGS), Michelle Annabeth Levenstein (ALYSON HANNIGAN), Kevin Myers (THOMAS IAN NICHOLAS), Chris „Oz“ Ostreicher (CHRIS KLEIN), Paul „Heimscheißer“ Finch (EDDIE KAYE THOMAS) – und natürlich Steve „Stifmeister“ Stifler (SEANN WILLIAM SCOTT), der seit jeher für die Grenzüberschreitungen zuständig ist.

                  Nach einer längeren Pause gelingt der Originalreihe ein solider Neustart. Die Rückkehr zum Ursprung – örtlich wie thematisch – tut der Serie sichtlich gut. Der Humor bleibt weitgehend im bekannten Spektrum zwischen derber Peinlichkeit und pubertärer Obszönität, aber das Ganze wirkt diesmal strukturierter, pointierter und überraschend sympathisch.

                  Positiv fällt auf, dass das Ensemble wieder fast vollständig ist – inklusive CHRIS KLEIN als Oz und MENA SUVARI als Heather. Es gibt kleinere Subplots für jede Figur, die zeigen sollen, was aus ihnen geworden ist – vom Familienvater bis zum gescheiterten Ex-Popstar. Zwar kratzt der Film meist nur an der Oberfläche, aber die Balance zwischen Albernheit und leiser Melancholie gelingt besser als in den ersten Teilen. Dass Jim mittlerweile in einer Ehekrise steckt und mit einer minderjährigen Nachbarin in Versuchung gerät, hätte leicht in Geschmacklosigkeit abrutschen können – doch erstaunlicherweise gelingt der Spagat zwischen Fremdscham und Reife hier öfter als gedacht.

                  SEANN WILLIAM SCOTT als Stifler liefert gewohnt exzessiv ab, doch diesmal bekommt er auch eine Spur Selbstreflexion mit – so minimal sie auch ausfällt. Die Gags reichen von plump bis gelungen, und während nicht jede Pointe sitzt, hat der Film ein ordentliches Tempo und ein paar echte Lacher in petto – etwa die Eskalation einer Beachparty oder die konfrontative Toilettenszene mit einem ehemaligen Mitschüler.

                  Fazit: AMERICAN PIE – DAS KLASSENTREFFEN ist kein großer Wurf, aber ein solides Spätkapitel für eine Reihe, die sich überraschend gut wieder zusammenfindet. Nostalgie, ein funktionierendes Ensemble und warmherzige Momente gleichen viele Albernheiten aus. Wer mit den Figuren aufgewachsen ist, bekommt hier eine durchaus charmante Wiedervereinigung mit gelegentlichen Peinlichkeitsmomenten – aber auch dem Gefühl: So schlimm ist Erwachsenwerden gar nicht.

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                    999CINEASTOR666 08.06.2025, 20:02 Geändert 08.06.2025, 22:09

                    American Pie – Jetzt wird geheiratet (OT: American Wedding / AT: American Pie 3 / American Pie: The Wedding) / US/DE / 2003

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                    Im dritten Teil der originären American-Pie-Reihe verlässt man endgültig die Schulbank und wirft stattdessen den Brautstrauß: Jim (JASON BIGGS) macht Michelle (ALYSON HANNIGAN) einen unbeholfen-romantischen Heiratsantrag, der nur der Auftakt für eine ganze Kette absurder Vorbereitungen rund um den großen Tag ist. Was folgt, ist eine Hochzeit voller Fettnäpfchen, peinlicher Missverständnisse – und natürlich: Stifler.

                    Auffällig ist, dass die Clique merklich geschrumpft ist. Kevin (THOMAS IAN NICHOLAS) ist noch dabei, aber Oz (CHRIS KLEIN) und Heather (MENA SUVARI) fehlen kommentarlos. Dafür hat SEANN WILLIAM SCOTT als Steve Stifler nun endgültig die Hauptrolle übernommen – und das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits sorgt er für die meisten Lacher, andererseits wird sein Charakter so maßlos überzeichnet, dass aus der einst nervigen, aber charmant-provokanten Nebenfigur ein kreischender Selbstkarikatur-Clown geworden ist. Wer Stifler erträgt, bekommt hier die XL-Version.

                    Humoristisch bewegt sich der Film weiterhin im bekannten Fahrwasser: Derbe Zoten, Körperflüssigkeiten, schamlose Übergriffe. Die legendäre Szene mit dem vertauschten Schokokeksersatz oder der Stripclub-Einlage gehören zu den „Highlights“, wenn man das so nennen will. Doch trotz aller Peinlichkeiten hat AMERICAN PIE – JETZT WIRD GEHEIRATET immerhin das Bemühen, Jim und Michelle als Figuren ein wenig auszubauen. Es gibt kleine emotionale Momente – etwa zwischen Jim und seinem Vater (wieder herrlich trocken: EUGENE LEVY) – die ausnahmsweise nicht nur dem Gag dienen.

                    Insgesamt bleibt die Handlung vorhersehbar, das Figurenpersonal dünn und die Entwicklung begrenzt. Besonders enttäuschend ist, dass einige beliebte Charaktere einfach aus dem Drehbuch gestrichen wurden, ohne dass es jemandem wichtig scheint. Stattdessen wird auf Krawall gesetzt – und auf Stiflers enthemmte Hochzeitstanz-Szene, die offenbar als Komikgipfel gedacht ist.

                    Fazit: AMERICAN PIE – JETZT WIRD GEHEIRATET versucht, aus der zotigen Sexkomödien-Reihe eine „erwachsenere“ RomCom zu machen – mit überschaubarem Erfolg. Zwar sind ein paar Lacher drin, und das Timing funktioniert stellenweise ganz gut. Doch die Einseitigkeit der Figuren, der überdrehte Stifler-Fokus und die fehlende Dynamik im Ensemble bremsen das Ganze aus. Wer sich mit dem brachialen Humor der Reihe anfreunden kann, bekommt solide Durchschnittsware serviert – weder Totalausfall noch Pflichtprogramm.

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                      999CINEASTOR666 07.06.2025, 15:14 Geändert 08.06.2025, 22:09

                      American Pie 2 (AT: American Summer Story / American Pie II) / US / 2001

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                      Nach dem Überraschungserfolg des ersten Teils war eine Fortsetzung unvermeidlich. AMERICAN PIE 2 setzt direkt nach dem ersten Collegejahr an: Die alte Clique – James „Jim“ Emanuel Levenstein (JASON BIGGS), Kevin Myers (THOMAS IAN NICHOLAS), Paul „Heimscheißer“ Finch (EDDIE KAYE THOMAS), Chris „Oz“ Ostreicher (CHRIS KLEIN) und natürlich Steve Stifler (SEANN WILLIAM SCOTT) – verbringt die sonnigen Semesterferien in einem gemieteten Strandhaus mit dem einzigen Ziel, möglichst viele sexuelle Eskapaden zu erleben – und dabei in ein Fettnäpfchen nach dem nächsten zu stolpern. Was folgt, ist eine lose Aneinanderreihung aus derben Gags, sexuellen Missverständnissen, peinlichen Situationen und pubertärer Angeberei – was man mögen kann, oder eben nicht.

                      Das Sequel hat mir ein bisschen besser gefallen, da es weniger krampfhaft bemüht wirkt, etwas runder im Erzählfluss erscheint und mit ein paar gelungenen Pointen aufwartet. Besonders die Szene rund um Sekundenkleber und einer intimen Körperstelle bleibt im Gedächtnis – nicht unbedingt wegen ihrer Eleganz, aber weil sie wenigstens komödiantisch zündet.

                      Trotzdem bleibt auch Teil zwei inhaltlich wie filmisch dünn. Die Figuren entwickeln sich kaum weiter, die Konflikte wirken aufgesetzt (Kevin kann Victoria „Vicky“ Lathum (TARA REID) nicht vergessen, Finch hängt immer noch der "Stifler-Mom"-Fantasie nach), und echte Substanz sucht man vergeblich. Der Humor bleibt flach, vorhersehbar und verlässt sich zu sehr auf das bekannte Rezept: Fremdscham, Slapstick, Stifler. Letzterer hat zwar Kultstatus, aber seine Rolle ist so eindimensional wie eh und je – ein wandelnder Testosteronüberschuss mit Partyfaible.

                      Fazit: Was AMERICAN PIE 2 dann doch noch ein paar Punkte mehr einbringt als dem Original, ist die deutlich bessere Chemie im Cast – und die Tatsache, dass der Film in seiner Einfachheit zumindest weiß, was er ist: eine seichte, sommerliche Sexkomödie. Der kalkulierte Vulgaritätsfaktor nervt diesmal nur moderat – was man fast schon als Fortschritt verbuchen kann.

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                        999CINEASTOR666 06.06.2025, 07:47 Geändert 06.06.2025, 07:48

                        Scary Movie 5 (AT: Scary Movie V / Final Screaming Plan 5 / Scary MoVie) / US / 2013

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                        Nach siebenjähriger Abstinenz kehrt die Parodiereihe mit neuer Hauptbesetzung, neuem Regisseur und leider auch deutlich weniger Biss zurück. SCARY MOVIE 5 bleibt in weiten Teilen dem bekannten Konzept treu: aktuelle Horrorfilme und Hollywoodhits werden durch den Kakao gezogen, in eine lose Rahmenhandlung gepackt und mit derbem Slapstick versehen. Das Ergebnis ist weder katastrophal noch gelungen – sondern schlicht mittelmäßig.

                        Die Geschichte rund um ein Paar (ASHLEY TISDALE und SIMON REX), das drei verwahrloste Kinder adoptiert, orientiert sich lose an MAMA, dient aber wie gewohnt nur als Aufhänger für eine Reihe von Parodien. Angegriffen werden unter anderem PARANORMAL ACTIVITY, BLACK SWAN, EVIL DEAD, INCEPTION und PLANET DER AFFEN: PREVOLUTION. Auch CHARLIE SHEEN und LINDSAY LOHAN geben sich in der Eröffnungsszene als sie selbst die Ehre – inklusive augenzwinkerndem Spiel mit dem eigenen Skandalimage.

                        Einige Gags funktionieren überraschend gut, etwa wenn ein übermotivierter Wissenschaftler beim Versuch, mit einem Affen das Sprachzentrum zu erforschen, selbst am Verstand zweifelt – oder wenn BLACK SWAN in einer grotesken Tanzsequenz auf Slapstick trifft. Der Film hat durchaus Momente, in denen der absurde Humor zündet, besonders wenn SIMON REX mit stoischer Miene durch den Wahnsinn stolpert. Auch einzelne visuelle Gags sind schön überdreht und erinnern an die besseren Zeiten der Reihe.

                        Doch leider bleiben viele Pointen zu platt oder vorhersehbar. Statt satirischer Zuspitzung setzt SCARY MOVIE 5 häufig auf bloße Nachstellung mit alberner Wendung – etwa wenn die bekannten Paranormal-Activity-Nachtszenen durch willkürliches Herumfliegen von Gegenständen und akustisches Chaos ad absurdum geführt werden. Die Regie wirkt routiniert, aber uninspiriert, und die Inszenierung kommt nie über TV-Niveau hinaus. ASHLEY TISDALE bemüht sich redlich, bleibt aber im Schatten ihrer Vorgängerin ANNA FARIS, deren Gespür für Timing und Selbstironie hier deutlich fehlt.

                        Fazit: SCARY MOVIE 5 ist weder ein kompletter Reinfall noch ein gelungenes Comeback. Als harmlose Gagrevue funktioniert er in Teilen, besonders für Fans des Genres und der Reihe. Wer jedoch auf pointierte Parodie oder kreative Filmkritik hofft, wird enttäuscht. Im besten Fall bietet der Film kurzweilige, gelegentlich amüsante Unterhaltung – und im schlechtesten Fall ein Déjà-vu aus besseren Tagen. Nicht mehr als Durchschnitt, aber auch nicht der Untergang.

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                          999CINEASTOR666 05.06.2025, 07:52 Geändert 05.06.2025, 10:09

                          Scary Movie 4 (AT: Scary Movie IV / Final Screaming Plan 4) / US / 2006

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                          Mit SCARY MOVIE 4 geht die Parodiereihe in die vierte Runde – und serviert erneut einen überdrehten Mix aus Filmzitaten, Slapstick und Fäkalhumor. Regisseur DAVID ZUCKER setzt wie schon beim Vorgänger auf Tempo statt Tiefe und wirft diesmal vor allem SAW, THE GRUDGE – DER FLUCH, KRIEG DER WELTEN und THE VILLAGE – DAS DORF in den komödiantischen Fleischwolf. Was dabei herauskommt, ist eine anarchische Gagrevue, deren Trefferquote stark schwankt.

                          Die Handlung rund um Cindy Campbell (einmal mehr herrlich verpeilt: ANNA FARIS) dient nur als lose Klammer für eine Aneinanderreihung von Parodien. Gleich die Eröffnungsszene mit SHAQUILLE O'NEAL und PHIL MCGRAW, häufig Dr. Phil genannt, in Jigsaws tödlichem Keller bringt die Tonlage auf den Punkt: albern, grotesk und mit einem Hang zur völligen Entgleisung wird SAW verballhornt. In anderen Momenten wird MILLION DOLLAR BABY oder THE GRUDGE – DER FLUCH durch etliche Genickbrüche und einen japanischen Dialog konterkariert, während CRAIG BIERKO die Rolle von TOM CRUISE auf die Schippe nimmt inklusive Eskalation auf dem Sofa von Oprah Winfrey (DEBRA WILSON). Die Gags kommen schnell, manche zünden, viele verpuffen – insbesondere, wenn statt kreativer Satire bloß plumpe Schockmomente oder platte Zoten serviert werden.

                          Stärken zeigt der Film immer dann, wenn er sich auf visuelle Absurdität und Timing verlässt – etwa bei der Zerstörung durch iPod-artige Tripods oder in der grandios sinnlosen Szene, die sich an THE VILLAGE – DAS DORF anlehnt. Doch zu oft verkommt der Film zur bloßen Nummernrevue, der ein klarer Fokus fehlt. Auch wenn LESLIE NIELSEN als Präsident ein paar schöne Momente bekommt, wirken viele Pointen eher müde recycelt als frisch erfunden.

                          Fazit: SCARY MOVIE 4 ist letztlich genau das, was man erwartet – aber eben auch nicht mehr. Wer den Humor der Vorgänger mochte und keine Scheu vor infantilem Blödsinn hat, wird sich zumindest punktuell amüsieren. Allen anderen sei geraten, einen weiten Bogen um dieses komödiantische Trümmerfeld zu machen.

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                            999CINEASTOR666 03.06.2025, 20:23 Geändert 03.06.2025, 20:23

                            Scary Movie 3 (AT: Scary Movie 3.5 / Scary Movie III) / US/CA / 2003

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                            Nach dem derben Klamauk der ersten beiden Teile versucht SCARY MOVIE 3, der Parodienreihe eine leicht veränderte Richtung zu geben – mit gemischtem Erfolg. Die Wayans-Brüder sind raus, dafür übernimmt Comedy-Veteran DAVID ZUCKER (TOP SECRET!, DIE NACKTE KANONE) das Ruder. Der Ton wird dadurch ein klein wenig gezähmter, die Vulgär-Attacken kontrollierter, dafür dominiert nun Slapstick, absurder Dialogwitz und ein Hang zur Albernheit. Was der Reihe an Frische zurückgibt, geht allerdings zulasten der Bissigkeit und dem Anarchismus.

                            Bereits die Eröffnungsszene zeigt, wohin die Reise geht: Zwei Klischee-Bimbos – PAMELA ANDERSON und JENNY MCCARTHY – liefern sich einen köstlich überdrehten Schlagabtausch mit einem verfluchten Videotape. Die Handlung verknüpft lose Versatzstücke aus THE RING, SIGNS – ZEICHEN, 8 MILE und weiteren Filmen wie MATRIX RELOADED, THE OTHERS, THE SIXTH SENSE und THE HULK. ANNA FARIS kehrt als naive TV-Reporterin Cindy zurück und beweist erneut ihr komödiantisches Talent. An ihrer Seite brilliert CHARLIE SHEEN als überforderter Farmer und frischgebackener Ersatzvater, während LESLIE NIELSEN als vertrottelter US-Präsident mit klassischem Zucker-Slapstick punktet.

                            Ein Höhepunkt sind die Alien-Parodien, die völlig enthemmten Blödsinn zelebrieren: Die Außerirdischen pinkeln aus den Fingern – und stecken sie ohne Vorwarnung nichtsahnenden Menschen in den Mund. Ihre Begrüßungsform? Ein kräftiger Tritt in die Eier. Diese grotesk-logikfreie Kontaktaufnahme gehört zu den absurdesten Momenten des Films und wird so trocken präsentiert, dass man kaum anders kann, als zu lachen. Es sind genau solche Szenen, in denen der Film seine anarchische Ader aufblitzen lässt und an den Wahnsinn der Vorgänger erinnert.

                            SCARY MOVIE 3 ist weniger ein Film als eine Sketchparade. Die Episodenstruktur wirkt wie eine lose Gag-Revue, die von einem dünnen Handlungsfaden zusammengehalten wird. Einige Gags sitzen – etwa das Rap-Battle – andere rauschen am Ziel vorbei oder wirken allzu bemüht.

                            Fazit: SCARY MOVIE 3 ist harmlose Parodienkost mit absurden Spitzen. Die Neuausrichtung unter DAVID ZUCKER verleiht der Reihe neue Form, aber auch weniger Biss. Der Ton ist weniger vulgär, die Gags familienkompatibler – was nicht immer ein Vorteil ist. Dennoch sorgen Szenen wie die Alien-Finger-Pipi-Attacke, der Begrüßungstritt oder die Eröffnungsparodie mit zwei selbstironischen Tussen für Kurzweil. Wer sich auf den Slapstick-Marathon einlässt, wird unterhalten. Alle anderen bekommen eine durchwachsene, aber stellenweise sehr komische Popkultur-Collage serviert.

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                              999CINEASTOR666 31.05.2025, 22:52 Geändert 31.05.2025, 22:53

                              The Expendables 3 – A Man's Job (OT: The Expendables 3 / AT: EX3 / Expendables 3) / US/FR/DE/BG / 2014

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                              Im dritten Ableger der Actionreihe rund um Söldnerführer Barney Ross (SYLVESTER STALLONE) will das Franchise frischen Wind – oder besser: junges Blut – in seine angestaubte Truppe bringen. Das Ergebnis ist ein Film, der seine stärksten Momente den Altstars verdankt, aber zugleich darunter leidet, ihnen zu wenig Raum zu geben.

                              Die Handlung bleibt simpel gestrickt: Barney trifft auf Conrad Stonebanks (MEL GIBSON), einen ehemaligen Mitbegründer der Expendables, der zum Waffenhändler geworden ist. Nach einem verlustreichen Einsatz entschließt sich Ross, sein Team in Rente zu schicken und eine jüngere Truppe aufzustellen, um den gefährlichen Ex-Kameraden zu stellen. Natürlich läuft nicht alles nach Plan, und am Ende sind es doch wieder die alten Recken, die gebraucht werden.

                              Der Cast ist – wie gewohnt – prominent besetzt: Neben SYLVESTER STALLONE, JASON STATHAM, DOLPH LUNDGREN und ARNOLD SCHWARZENEGGER sorgen diesmal auch WESLEY SNIPES und ANTONIO BANDERAS für Aufsehen. WESLEY SNIPES wird in einer gelungenen Auftaktsequenz aus einem Gefangenentransport befreit und bringt als Doctor Death einen Hauch von Wahnsinn und physischer Präsenz mit. ANTONIO BANDERAS überdreht als hyperaktiver Galgo derart, dass seine Figur gleichermaßen nervt und amüsiert – eine der wenigen mit echter Eigenfarbe im Ensemble.

                              MEL GIBSON liefert als sadistischer Bösewicht eine der stärkeren Performances des Films – seine Figur ist kalt, berechnend und stellenweise überraschend bedrohlich. Leider kann das Skript seinem Charakter keine wirkliche Tiefe verleihen, und sein Auftritt bleibt letztlich zu kurz, um echten Eindruck zu hinterlassen.

                              Die neu rekrutierten Jungstars – darunter KELLAN LUTZ, GLEN POWELL und RONDA ROUSEY – bekommen zwar mehr Screentime als einige der Altbekannten, bleiben aber austauschbar. Ihre Dialoge sind flach, ihre Rollen klischeehaft – mehr Füllmaterial als Bereicherung.

                              Inszenatorisch setzt der Film auf gewohnt großes Spektakel: Explosionen, Shootouts, Verfolgungsjagden – das Rad wird nicht neu erfunden, aber ordentlich gedreht. Einige Actionszenen wirken dennoch überraschend unübersichtlich geschnitten, und trotz der Härte fehlt oft das Gewicht. Was früher rohe Gewalt war, ist hier oft generischer Lärm.

                              Fazit: THE EXPENDABLES 3 – A MAN'S JOB bemüht sich um Erneuerung, verliert dabei aber sein Gleichgewicht. Während WESLEY SNIPES und ANTONIO BANDERAS für frische Impulse sorgen, wird das Potential der Altstars verschenkt und die Newcomer bleiben farblos. Die Action ist da, der Spaß gelegentlich auch – doch der große Knall bleibt aus. Solide Söldnerkost mit leichten Abnutzungserscheinungen.

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                                999CINEASTOR666 31.05.2025, 17:46 Geändert 31.05.2025, 17:47

                                96 Hours – Taken 3 (OT: Taken 3 / AT: Tak3n) / FR/ES/US / 2014

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                                Mit 96 HOURS – TAKEN 3 findet die Trilogie um den pensionierten CIA-Agenten Bryan Mills (LIAM NEESON) ihren Abschluss – und das überraschend emotionaler, als man es von der Reihe erwarten würde. Während der erste Teil durch seine kompromisslose Vaterliebe und der zweite durch das Spiel mit Vergeltung überzeugte, versucht Regisseur OLIVIER MEGATON im dritten Teil, den Fokus stärker auf eine persönliche Intrige zu legen – mit spürbarem Erfolg.

                                Der Film beginnt mit einem Schockmoment: Bryans Ex-Frau Lenore (FAMKE JANSSEN) wird ermordet aufgefunden, und alle Hinweise deuten auf ihn als Täter. Es folgt keine klassische Entführung, sondern ein Kampf um Aufklärung, Freiheit und Ehre. Die Behörden – allen voran der ermittelnde Inspector Franck Dotzler (ein sichtlich spielfreudiger FOREST WHITAKER) – jagen Mills quer durch Los Angeles. Es ist ein Szenario, das weniger an die vorherigen Teile erinnert als vielmehr an AUF DER FLUCHT, und genau dieser Perspektivwechsel bringt frischen Wind.

                                LIAM NEESON spielt seinen Antihelden gewohnt stoisch, aber diesmal mit einer zusätzlichen Schicht Verletzlichkeit. Der Verlust von Lenore trifft ihn sichtbar, was dem Film eine tragische Note verleiht, ohne in Kitsch abzurutschen. Auch in den Actionszenen liefert er souverän ab – die physischen Grenzen seiner Figur werden diesmal jedoch deutlicher thematisiert, was der Glaubwürdigkeit guttut.

                                Trotzdem hat 96 HOURS – TAKEN 3 auch seine Schwächen. Die Handschrift von OLIVIER MEGATON ist erneut spürbar – hektische Schnitte und unübersichtliche Kameraarbeit beeinträchtigen einige der sonst gelungen choreografierten Actionsequenzen. Gerade die Verfolgungsjagden hätten mit mehr Ruhe deutlich eindrucksvoller gewirkt. Auch die Nebenfiguren bleiben – bis auf die Figur von FOREST WHITAKER – eher funktional als erinnerungswürdig.

                                Ein Pluspunkt ist die Entwicklung der Vater-Tochter-Beziehung. MAGGIE GRACE als Kim erhält mehr Raum zur Entfaltung und wirkt reifer, eigenständiger. Die Szenen zwischen ihr und LIAM NEESON gehören zu den stärksten Momenten des Films und geben der Reihe einen versöhnlichen, beinahe melancholischen Ausklang.

                                Fazit: 96 HOURS – TAKEN 3 ist kein simples Wiederkäuen der alten Erfolgsformel, sondern versucht bewusst, neue Wege zu gehen. Der Entführungsplot wird gegen ein düsteres Verschwörungsszenario eingetauscht, und Bryan Mills wird vom Jäger zum Gejagten. Trotz stilistischer Schwächen ist das Finale der Reihe ein spannender, emotional aufgeladener Thriller, das Bryan Mills einen würdigen Abschluss beschert.

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                                  999CINEASTOR666 31.05.2025, 16:25 Geändert 31.05.2025, 16:39

                                  96 Hours – Taken 2 (Taken 2 / AT: Taken 2: The Payback) / FR/US/TR/GB / 2012

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                                  Die Actionreihe um den ehemaligen CIA-Agenten Bryan Mills (LIAM NEESON) geht in die zweite Runde – und auch wenn der Überraschungseffekt des ersten Teils fehlt, liefert Regisseur OLIVIER MEGATON einen soliden, temporeichen Nachfolger, der Fans rasanter Entführungsaction zufriedenstellen dürfte.

                                  Inhaltlich knüpft der Film mit etwas zeitlichen Abstand an die Ereignisse des ersten Teils an. Diesmal ist es nicht Bryans Tochter Kim (MAGGIE GRACE), sondern er selbst, der zusammen mit seiner Ex-Frau Lenore (FAMKE JANSSEN) in Istanbul von Angehörigen jener albanischen Gangster entführt wird, die er im ersten Teil ausgeschaltet hat. Die Prämisse erinnert an eine Umkehrung des Originals, die Parallelen sind überdeutlich: Wieder Entführung, wieder Rache, wieder Bryan als Übervater mit tödlichen Fähigkeiten – nur diesmal darf auch Kim zur Retterin werden.

                                  LIAM NEESON bleibt die größte Stärke des Films. Mit stoischer Miene, kantiger Präsenz und trotz fortgeschrittenen Alters nimmt man ihm den knallharten Ex-Agenten nach wie vor ab. Seine Mischung aus väterlicher Besorgnis und brutaler Effizienz verleiht der Figur trotz aller Überzeichnung einen gewissen Charme. Und seine trockenen Ansagen funktionieren auch im zweiten Anlauf noch.

                                  Was 96 HOURS – TAKEN 2 jedoch etwas zurückhält, ist die Regie von OLIVIER MEGATON, der PIERRE MOREL ersetzt hat. Schon bei COLOMBIANA zeigte er seine Vorliebe für hektische Schnitte und wackelige Kameraführung. Dadurch verlieren einige Actionszenen deutlich an Übersichtlichkeit und Wucht. Die Choreografien sind zwar vorhanden, aber der Schnitt raubt ihnen oft die Wirkung. Besonders auffällig wird das im Autoverfolgungschaos durch Istanbuls Altstadtgassen – da wird eher gewackelt als inszeniert.

                                  Ein Pluspunkt ist die etwas gestärkte Rolle von MAGGIE GRACE als Tochter Kim. Auch wenn sie schauspielerisch noch immer etwas blass bleibt, darf sie diesmal aktiv zur Rettung beitragen – inklusive Granatenwurf über Hausdächer zur Standortbestimmung. Das ist zwar herrlich überzogen, bringt aber Dynamik in die Vater-Tochter-Beziehung und erweitert das Handlungsschema des Vorgängers zumindest ein wenig.

                                  Fazit: Solide Fortsetzung mit schlichter, aber effektiver Handlung. Für Fans des ersten Teils ein lohnender Nachschlag mit Tempo, harter Neeson-Action – und einem Hauch von frischer Dynamik durch Kims erweiterten Part.

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                                    999CINEASTOR666 30.05.2025, 10:04 Geändert 30.05.2025, 10:06

                                    96 Hours (OT: Taken / AT: 96 Hours – Taken) / FR/GB/US / 2008

                                    >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                                    Mit 96 HOURS gelang dem französischen Produzenten LUC BESSON und Regisseur PIERRE MOREL ein Coup, der nicht nur ein neues Subgenre im Actionkino belebte, sondern auch LIAM NEESON überraschend zum späten Actionstar machte. Der Film ist eine wuchtige, schnörkellose Entführungsgeschichte – reduziert auf das Nötigste, dafür aber mit maximaler Effizienz inszeniert.

                                    Im Zentrum steht Bryan Mills (LIAM NEESON), ein ehemaliger CIA-Agent mit Spezialausbildung, dessen Tochter Kim (Maggie Grace) bei einer Europareise in Paris von einem Menschenhändlerring verschleppt wird. Was folgt, ist eine rasante Wiederbeschaffungsmaßnahme quer durch die französische Unterwelt, getrieben von väterlicher Entschlossenheit und tödlicher Präzision. Mills legendäres Telefonat mit den Entführern ist längst ikonisch und bringt die Essenz des Films auf den Punkt: Hier gibt es keine politischen Zwischentöne, keine moralischen Grauzonen. Nur Ziel, Mittel, Konsequenz.

                                    Was 96 HOURS so effektiv macht, ist sein kompromissloses Tempo. Der Film kennt kaum Atempausen und verzichtet auf überflüssigen Ballast – selbst emotionale Rückblenden oder psychologische Vertiefungen werden auf ein Minimum beschränkt. Das mag man als simpel kritisieren, doch gerade diese Konzentration aufs Wesentliche verleiht dem Film seine Schlagkraft. Die Kamera bleibt dicht an seinem Hauptdarsteller, die Action ist klar choreografiert, handgemacht und frei von CGI-Überfluss. Jeder Schlag sitzt, jede Szene hat Momentum.

                                    LIAM NEESON spielt Mills nicht als Superheld, sondern als gebrochenen Mann mit düsterem Hintergrund. Seine Figur wirkt glaubwürdig in ihrer Brutalität, aber auch nachvollziehbar in ihrer Motivation. Diese Mischung aus väterlicher Fürsorge und kalter Entschlossenheit ist selten im Actionkino – und genau deshalb so wirksam. MAGGIE GRACE hingegen bleibt eher blass, doch das ist zu verschmerzen, da der Fokus klar auf dem Rächer liegt.

                                    Natürlich ist 96 HOURS kein Film ohne Schwächen. Die Zeichnung der Antagonisten bleibt klischeehaft, Paris dient nur als austauschbare Kulisse, und die Grundprämisse ist kaum subtil. Aber das will der Film auch gar nicht sein. Er ist ein geradliniger, harter Actionthriller alter Schule – eine Art EIN MANN SIEHT ROT für das 21. Jahrhundert. Und darin ist er nahezu perfekt.

                                    Fazit: 96 HOURS ist ein hochkonzentrierter Actionfilm, der genau weiß, was er will – und das gnadenlos durchzieht. LIAM NEESON brilliert als gnadenloser Vater, der seine Tochter mit eiserner Entschlossenheit zurückholt. Wer ehrliche, handfeste Action ohne Firlefanz sucht, findet hier ein Paradebeispiel. Und einen der besten Genrebeiträge der 2000er.

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                                      999CINEASTOR666 29.05.2025, 20:06 Geändert 30.05.2025, 10:06

                                      Rogue – Im falschen Revier (OT: Rogue / AT: Territory / Dark Waters) / AU/US / 2007

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                                      Nach dem auf wahren Begebenheiten beruhenden Outback-Serienkillerfilm WOLF CREEK wendet sich der australische Filmemacher GREG MCLEAN mit ROGUE – IM FALSCHEN REVIER dem Tierhorrorfilm zu. Der Plot ist denkbar simpel: Eine bunt gemischte Touristengruppe gerät bei einer Bootstour in das Revier eines übergroßen Salzwasserkrokodils. Nachdem das Boot angegriffen wurde, retten sich die Gekenterten auf eine kleine Flussinsel, von der aus ein Überlebenskampf gegen den Spitzenprädator beginnt.

                                      GREG MCLEAN inszeniert das Szenario mit Gespür für Atmosphäre und nutzt die überwältigende Naturkulisse des Kakadu-Nationalparks im Northern Territory durchaus effektiv. Einige Momente erzeugen Spannung durch das pure Ausgeliefertsein der Figuren – besonders in den nächtlichen Sequenzen weiß der Film, mit Dunkelheit und Ungewissheit zu spielen. Der starke Auftakt und das gemächliche, fast dokumentarisch anmutende Tempo erinnern an den Ansatz, das Tier als Naturgewalt ernst zu nehmen – eine wohltuende Abwechslung zu überdrehten Monsterfilmen.

                                      Doch wo ROGUE – IM FALSCHEN REVIER atmosphärisch punktet, krankt er an seinen Effekten: Die menschenfressende Panzerechse wird zu Beginn klugerweise nur angedeutet, bleibt lange ein schemenhaftes Ungeheuer. Leider verliert der Film genau dann seine Kraft, wenn er im Finale in der Höhle auf Konfrontation setzt. Das digital animierte Krokodil wirkt in Bewegung unnatürlich, schlecht gerendert und reißt einen jäh aus der bis dahin aufgebauten Immersion. Die finale Konfrontation wirkt dadurch nicht erschreckend, sondern fast lächerlich – ein echtes Problem in einem Film, der seine Bedrohung ernst nehmen möchte.

                                      Schauspielerisch ist der Cast solide. MICHAEL VARTAN gibt den amerikanischen Reisejournalisten Pete McKell, der nur mühsam vom Jetlag in den Überlebensmodus wechseln kann. RADHA MITCHELL bringt als Bootsführerin und Tourguide Kate Ryan Autorität in die Gruppe und beweist Rückgrat. Überraschend stark ist SAM WORTHINGTON als ruppiger Einheimischer Neil Kelly – eine Figur, die trotz begrenzter Screentime emotionale Relevanz entwickelt und dem Film einen Hauch Lokalkolorit verleiht. Eine Nebenrolle übernimmt zudem JOHN JARRATT, der als sadistischer Serienkiller Mick Taylor in WOLF CREEK brillierte. Hier spielt er jedoch nur den harmlosen Touristen Russell, ist mit Fischerhut, Sehhilfe und Schnauzer kaum zu erkennen – und auch irgendwie verschenkt.

                                      ROGUE – IM FALSCHEN REVIER ist insgesamt kein misslungener Film, aber auch keiner, der im Gedächtnis bleibt. Der Versuch, Spannung über Atmosphäre statt Schocks aufzubauen, ist lobenswert – scheitert jedoch an den mäßigen CGI-Effekten, die ausgerechnet im entscheidenden Moment alles einreißen. Wer Kroko-Horror liebt und keine bahnbrechende Innovation erwartet, bekommt solide Spannung geboten. Wer aber echtes Grauen sucht, wird wohl auf dem Trockenen sitzen bleiben.

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                                        999CINEASTOR666 27.05.2025, 10:29 Geändert 27.05.2025, 10:32

                                        Gonjiam: Haunted Asylum (OT: Gon-ji-am) / KR / 2018

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                                        Der südkoreanische Found-Footage-Horrorfilm GONJIAM: HAUNTED ASYLUM schlägt genau in die Kerbe moderner Gruselunterhaltung: Influencer-Generation trifft auf Spukhaus-Mythos. Inszeniert ist der Spuk in der Tradition von Genreklassikern wie GRAVE ENCOUNTERS oder PARANORMAL ACTIVITY, aber mit einem frischen asiatischen Einschlag, der besonders in der Atmosphäre und Inszenierung deutlich wird.

                                        Die Prämisse ist ebenso simpel wie effektiv: Die Filmcrew einer Webserie dringt in die titelgebende psychiatrische Klinik ein, die seit einem Massenselbstmord im Jahr 1979 verlassen ist. Während ihre nächtliche Erkundung live gestreamt wird, entwickelt sich der Trip zum Albtraum – zunächst subtil, dann zunehmend eskalierend. Was als Clickbait beginnt, mündet in echtem Grauen.

                                        Der Film nimmt sich Zeit, seine Figuren vorzustellen – vielleicht sogar etwas zu viel. Die erste Hälfte wirkt eher wie eine Realityshow, in der sich die Charaktere necken, ausrüsten und vorbereiten. Das mag für Ungeduldige zäh erscheinen, zahlt sich aber insofern aus, als dass die Dynamik der Gruppe glaubwürdig bleibt. Wirklich tief gezeichnet wird allerdings keine Figur, was im Horrorgenre nicht unüblich, aber dennoch schade ist, da es der finalen Eskalation etwas emotionale Wucht nimmt.

                                        Inszenatorisch punktet GONJIAM: HAUNTED ASYLUM mit seinem Schauplatz: Die heruntergekommene Klinik ist ein Paradebeispiel für urbanen Verfall und bietet mit ihren langen Fluren und dunklen Räumen jede Menge Schauwerte für Gruselfans. Die Kameraarbeit bleibt durchweg innerhalb der Diegese – GoPros, Handycams, Drohne – was die Immersion verstärkt. Der Spannungsaufbau ist gelungen: Seltsame Geräusche, Dinge bewegen sich wie von Geisterhand, psychologische Spiele, bis hin zu handfesten Geisterterror.

                                        Was dem Film fehlt, ist Originalität im Plot. GONJIAM: HAUNTED ASYLUM reiht sich nahtlos in das Subgenre ein, ohne ihm etwas wirklich Neues hinzuzufügen. Auch das Ende bleibt etwas diffus – ein abrupter Schnitt, der wohl Schockwirkung erzielen soll, aber eher das Gefühl hinterlässt, dass noch etwas gefehlt hat. Dennoch: Die Stimmung, die Audiovisualität und das Gespür für Timing sind absolut sehenswert.

                                        Fazit: GONJIAM: HAUNTED ASYLUM ist kein Meilenstein des Found-Footage-Horrors, aber ein atmosphärisch dichter, solide gemachter Vertreter seines Genres. Er überzeugt durch glaubwürdige Inszenierung, schaurige Kulisse und effektive Spannungsführung, lässt aber an inhaltlicher Tiefe und Innovation vermissen. Wer sich auf die Prämisse einlässt und keine großen Überraschungen erwartet, bekommt gepflegten Grusel mit südkoreanischem Flair.

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                                          999CINEASTOR666 26.05.2025, 23:37 Geändert 28.05.2025, 12:44

                                          The Bayou (AT: Gator Creek) / GB / 2025

                                          >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

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                                          Ich habe ein weiteres billiges Creature Feature erwartet – und war mehr als überrascht, dass diese Mischung aus Survivalthriller und Tierhorrorfilm in nahezu allen Belangen recht solide ausfällt. Der Film macht von Beginn an klar, was er sein will, und verliert keine Zeit mit unnötigen Umwegen: Die Exposition ist kurz und knackig.

                                          Die Protagonistin Kyle (ATHENA STRATES), eine Biologiestudentin mit Fachwissen über Spitzenprädatoren, begibt sich mit ihrer Freundin Alice (MADALENA ARAGÃO) sowie Malika (ELISHA APPLEBAUM) und Sam (MOHAMMED MANSARAY) auf den Weg zu einem besonderen Ort. Dort wollen sie die Asche von Kyles verstorbenem Bruder verstreuen. Der Flug dorthin endet jedoch in einem katastrophalen Absturz, und die Gruppe findet sich plötzlich inmitten des weitläufigen Sumpfgebiets Louisianas wieder.

                                          Mit dem Piloten Frank (ANDONIS ANTHONY) und weiteren überlebenden Passagieren müssen sie sich einer tödlichen Bedrohung stellen: aggressiven Alligatoren, die – durch Drogenkonsum mutmaßlich enthemmt – zu Bestien mutiert sind. Die Eröffnungsszene, in der die DEA ein Drogenlabor aushebt und giftige Substanzen in die Sümpfe geraten, liefert eine einfache, aber effektive Erklärung für das Verhalten der Tiere.

                                          Der Überlebenskampf verläuft zwar nach bekannten Mustern, ist aber effektiv durchgetaktet. Der Film setzt nicht auf Innovation, sondern auf bewährte Mittel – und macht das erstaunlich gut. ATHENA STRATES liefert eine solide Leistung ab, vor allem in Momenten, in denen das Trauma um den Bruderverlust angedeutet wird. Leider bleibt diese emotionale Ebene weitgehend an der Oberfläche.

                                          Unter den Nebenfiguren fällt besonders Malika auf, die als „Oberbitch“ für ein paar Reibungspunkte sorgt, während Pilot Frank Sympathiepunkte sammelt. Die übrigen Charaktere bleiben funktional und dienen vor allem dazu, dem Reptilienhorror zum Opfer zu fallen – was man von einem Genrevertreter wie diesem aber auch erwarten darf.

                                          Inszenatorisch überzeugt THE BAYOU mit stimmungsvollen Naturaufnahmen und einer effektiven Klangkulisse, die ein Gefühl von Isolation und ständiger Bedrohung erzeugt. Besonders gelungen ist der Verzicht darauf, die Alligatorangriffe ständig frontal zu zeigen. Stattdessen wird mit Andeutungen und Ungewissheit Spannung erzeugt. Die digitalen Effekte sind nicht perfekt, aber solide – solange man nicht zu genau hinsieht.

                                          Was den Film allerdings deutlich schwächt, ist der Aufbau der Dramaturgie. Die Spannungskurve verläuft weitgehend linear, und das Finale kommt plötzlich und wirkt unfertig. Gerade als man meint, jetzt müsste noch ein Höhepunkt folgen – ein Twist, eine Eskalation, ein emotionaler Payoff –, ist alles vorbei. Zudem enthält der Schluss einige fragwürdige Entscheidungen, die den Gesamteindruck trüben.

                                          Fazit: THE BAYOU überrascht positiv als solider Genrevertreter, der sich durch kompetente Inszenierung und durchgängig spannende Unterhaltung vom üblichen B-Movie-Einerlei abhebt. Trotz einfacher Story, archetypischer Figuren und überschaubarer Effekte gelingt es dem Film, Atmosphäre und Spannung zu erzeugen. Ein echter Wermutstropfen ist allerdings das abrupte, unbefriedigende Finale, dem es an dramaturgischer Steigerung und erzählerischer Schlüssigkeit fehlt. Für Genrefans trotzdem einen Blick wert.

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                                            Scary Movie 2 (AT: Scarier Movie / Scary Movie II / The Most 'New' Screaming Plan) / US / 2001

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                                            Wenn man glaubt, dass bei SCARY MOVIE bereits jede Hemmschwelle gefallen ist, setzt die Fortsetzung noch eine Schippe drauf – allerdings nicht immer im positiven Sinne. Sie verschreibt sich ganz dem Motto: Lauter, ekliger, schamloser. Was im ersten Teil noch halbwegs frisch und subversiv wirkte, verliert sich diesmal zunehmend in plumper Vulgärität und einem grotesk überzogenen Zitatmarathon.

                                            Ein echter Lichtblick gleich zu Beginn: Die Eröffnungsszene, eine Persiflage auf DER EXORZIST, in der JAMES WOODS als schmuddeliger Vater McFeely gegen die vom Teufel besessene Megan Voorhees (NATASHA LYONNE) antritt, zählt zu einem der witzigsten Momente des Films. Der absurde Schlagabtausch zwischen Dämon und Priester ist herrlich überdreht, makaber und in seiner Blasphemie fast schon charmant – ein kurzer Beweis dafür, was SCARY MOVIE 2 hätte sein können, wenn er sich mehr auf Timing und kreative Zuspitzung verlassen hätte.

                                            Danach verfällt der Film zunehmend in einen Reigen aus sexuellen Anspielungen, Fäkalwitzen und altbekannten Slapstickmustern. Eine besonders absurde Szene ist der überdimensionale Joint, der als groteskes Requisit für absurde Komik sorgt und so den speziellen, anarchischen Humor des Films treffend verkörpert. Die Parodie auf 3 ENGEL FÜR CHARLIE (2000) und MATRIX ist ein weiterer humorvoller Versuch, populäre Kultur aufs Korn zu nehmen und zeigt mit ihrem durchgestylten Charme, dass die Reihe auch solche Elemente gekonnt einsetzt. Das Spukhaus als Kulisse – eine Persiflage auf klassische Horrorfilm-Klischees – bietet die Bühne für eine bunte Mischung aus Gags, die mal flach, mal treffsicher und oft überdreht sind, dabei aber durchaus unterhaltsam.

                                            ANNA FARIS als Cindy Campbell beweist erneut ihr komödiantisches Talent und ist einer der wenigen Lichtblicke im Cast. Auch TIM CURRY als dubioser Professor Oldman bringt eine spürbare Spielfreude ein, die manchen Szenen zusätzlichen Charme verleiht. Die Figuren bleiben meist mehr Stichwortgeber für Gags als ausgearbeitete Charaktere. Der Plot – soweit vorhanden – dient vor allem als lose Klammer für die Vielzahl an Spoofs, die neben DAS GEISTERSCHLOSS, ENTITY – ES GIBT KEIN ENTRINNEN VOR DEM UNSICHTBAREN, DAS UNS VERFOLGT auch HOLLOW MAN, FINAL DESTINATION, HANNIBAL sowie weitere Horror- und Popkultur-Phänomene auf möglichst derbe Weise durch den Kakao ziehen.

                                            Unvergessen bleibt jedoch CHRIS ELLIOTT als Butler Hanson, der mit seiner grotesk missgebildeten Hand für einige der denkwürdigsten (und zugleich widerlichsten) Szenen sorgt. Der Moment, in dem er mit seiner „kleinen starken Hand“ genüsslich im Kartoffelbrei herummanscht und ihn anschließend den Gästen serviert, ist ein Paradebeispiel für den Humor des Films: verstörend, albern, irgendwie fesselnd – und bei allem Fremdschämen verdammt effektiv.

                                            Fazit: SCARY MOVIE 2 ist ein Film, der seine Stärke in Momenten des entfesselten Irrsinns zeigt – wie im großartigen Exorzismus-Intro, Hansons unappetitlicher Küchenszene oder dem übergroßen Joint. Die Gags sind mal platt, mal überraschend clever und tragen so zu einem anarchischen Parodie-Reigen bei, der für Fans derben Humors ein Fest ist. Für alle anderen bleibt es ein schleppender Spaß mit gelegentlichen Glanzlichtern.

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                                              999CINEASTOR666 23.05.2025, 20:20 Geändert 23.05.2025, 20:44

                                              Panic Room / US / 2002

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                                              PANIC ROOM von DAVID FINCHER ist ein klaustrophobischer Thriller, der mit minimalistischer Prämisse und maximaler technischer Raffinesse punktet – dabei jedoch nicht immer die Balance zwischen Form und Inhalt hält. Die Ausgangslage ist einfach: Meg Altman (JODIE FOSTER) zieht mit ihrer Tochter Sarah (die sehr junge KRISTEN STEWART) in ein mehrstöckiges Stadthaus in der Upper West Side. In der ersten Nacht wird in das Haus eingebrochen – und zwar gezielt. Drei Männer dringen ein, um einen verborgenen Schatz im Panikraum zu finden. Doch genau dort verschanzen sich Meg und Sarah.

                                              Die Einbrecher sind nicht bloß Schurken von der Stange. Besonders FOREST WHITAKER verleiht seinem Charakter Burnham eine moralische Ambivalenz, die dem Film gut tut: Er ist Techniker, kein Mörder – und zunehmend von Gewissensbissen geplagt. JARED LETO gibt den hitzköpfigen Junior mit Cornrows und losem Mundwerk – fast schon zu karikaturesk. Und dann ist da noch Raoul (DWIGHT YOAKAM), der mit seiner maskierten Erscheinung und eiskalten Brutalität das Gewaltpotenzial drastisch in die Höhe treibt. Seine Präsenz verleiht dem Film eine unberechenbare Schärfe, die dem Thriller den nötigen Ernst zurückgibt, den die Performance von JARED LETO immer wieder untergräbt.

                                              Der MacGuffin ist ein kleiner Bodentresor mit Wertpapieren in Millionenhöhe, der sich – natürlich – im Panikraum befindet. Eine denkbar ironische Konstellation: Die Gesuchten sind eingeschlossen mit dem Gesuchten. Gleichzeitig erschwert eine Erkrankung der Tochter – sie leidet an Diabetes – die Lage dramatisch. Der drohende Zuckerschock sorgt für zusätzliche Spannung und verleiht der Flucht in den Panikraum auch eine zeitliche Dringlichkeit.

                                              DAVID FINCHER inszeniert das Ganze mit seinem typischen Perfektionismus. Besonders auffällig ist der Einsatz von virtuellen Kamerafahrten durch das Schlüsseloch einer Tür, ein Rollo oder Kabelschächte – ein technisches Spektakel, das allerdings sichtbar auf VFX setzt und dadurch in Momenten künstlich und steril wirkt. Hier opfert DAVID FINCHER gelegentlich Authentizität dem Stilwillen.

                                              Der Film gewinnt an Dynamik, als Meg versucht, Hilfe von außen zu mobilisieren. Ihr Ex-Ehemann Stephen (PATRICK BAUCHAU) taucht auf – und wird prompt Opfer eines Gewaltakts. Später erscheint auch die Polizei, doch Meg sieht sich gezwungen, sie wieder wegzuschicken, aus Angst vor Eskalation. Diese Szenen verstärken die Isolation und bringen gleichzeitig realistische Eskalationsstufen in das ansonsten sehr auf das Haus beschränkte Szenario.

                                              Fazit: PANIC ROOM ist ein effektiver, stilistisch ambitionierter Thriller mit starken Performances und spannendem Aufbau. Die Geschichte bleibt vergleichsweise schlicht, wird jedoch durch Details wie die kranke Tochter und das differenzierte Figurenensemble aufgewertet. Trotz gelegentlicher stilistischer Selbstverliebtheit und CGI-Schwächen bleibt das Werk von DAVID FINCHER ein packendes Kammerspiel mit doppeltem Boden.

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                                                999CINEASTOR666 23.05.2025, 10:18 Geändert 23.05.2025, 10:29

                                                Gran Torino / DE/US / 2008

                                                >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                                                Mit GRAN TORINO inszeniert CLINT EASTWOOD nicht nur ein Spätwerk, sondern ein filmisches Vermächtnis, das ihn als Schauspieler und Regisseur gleichermaßen auf den Punkt bringt. Was zunächst wie ein melancholisches Altersdrama über Fremdenhass, Generationenkonflikte und Vorstadtverfall erscheint, entpuppt sich als tiefgreifende Reflexion über Schuld, Erlösung und die Suche nach Würde in einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft.

                                                Walt Kowalski (CLINT EASTWOOD), Koreakriegsveteran und stur wie ein Betonpfeiler, lebt in einem heruntergekommenen Vorort von Detroit. Umgeben von Hmong-Einwanderern, sieht er seine amerikanische Nachkriegsidylle zerbröckeln. Walt ist rassistisch, verbittert und pflegt seinen Groll wie andere ihren Garten. Doch als der junge Nachbar Thao Vang Lor (BEE VANG) auf Druck einer Gang versucht, Walts geliebten 1972er Gran Torino zu stehlen, nimmt das Schicksal eine überraschende Wendung.

                                                Durch eine Reihe von Ereignissen wird Walt unfreiwillig zum Beschützer und Mentor. Was als harter Abwehrreflex beginnt, wird zu einer Annäherung – voller Missverständnisse, aber auch Menschlichkeit. Am Ende steht ein Opfer, das mehr sagt als jede Schießerei.

                                                CLINT EASTWOOD spielt hier gewissermaßen gegen sich selbst: Der knurrige, latent gewaltbereite Einzelgänger ist eine Parodie des "Dirty Harry"-Mythos. Doch GRAN TORINO ist keine reine Selbstironie, sondern eine Abrechnung mit einem ganzen Männlichkeitsbild. Walt ist kein Held – er ist ein Relikt, ein Fossil mit Waffe und Sprüchen, für den die Welt unverständlich geworden ist. Und gerade deshalb trifft der Film so präzise ins Mark: Er zeigt, dass Wandel nicht durch große Reden geschieht, sondern durch leises Handeln, durch Nähe und – letztlich – durch Selbstaufgabe.

                                                Seine Regie bleibt unaufdringlich, fast stoisch. Kein Pathos, keine ausgebeuteten Emotionen – stattdessen eine fast schon lakonische Klarheit, die Raum lässt für Figuren und Konflikte. Die Kamera beobachtet, verurteilt nicht, dramatisiert nicht unnötig. Gerade in dieser Reduktion liegt eine ungeheure emotionale Wucht.

                                                Auch der sparsame Musikeinsatz – besonders das von JAMIE CULLUM und CLINT EASTWOOD selbst komponierte Titellied – verstärkt das melancholische Grundgefühl. Jeder Ton sitzt, jede Pause hat Bedeutung.

                                                CLINT EASTWOOD liefert eine der stärksten Leistungen seiner Karriere ab. Ohne jede Eitelkeit spielt er einen verbitterten, aber zutiefst menschlichen Charakter, dessen Wandel nie plakativ wirkt. Thao und seine Schwester Sue (AHNEY HER) bringen mit ihrer natürlichen Präsenz Frische und Realismus in die Geschichte. Dass beide Laiendarsteller sind, erweist sich als Glücksgriff – sie verkörpern keine Klischees, sondern echte Menschen in einem echten Umfeld.

                                                GRAN TORINO ist auch ein Kommentar auf das moderne Amerika – ein Land, das sich im Wandel befindet, das mit Einwanderung, Entfremdung und sozialem Zerfall ringt. Walt steht sinnbildlich für eine Generation, die sich überlebt hat und trotzdem noch etwas zu sagen hat – wenn sie es denn wagt, zuzuhören.

                                                Dabei bleibt der Film erstaunlich differenziert: Rassismus wird nicht entschuldigt, aber erklärt. Gewalt wird nicht glorifiziert, sondern problematisiert. Und das zentrale Thema – die Fähigkeit zur Veränderung – wird nicht erzwungen, sondern verdient.

                                                Fazit: GRAN TORINO ist ein Meisterwerk. Ein stilles, eindringliches Drama über Verlust, Veränderung und die Möglichkeit von Gnade in einer erbarmungslosen Welt. CLINT EASTWOOD gelingt hier das Kunststück, sein filmisches Erbe nicht zu feiern, sondern zu hinterfragen – und genau dadurch größer denn je zu machen. Ein stiller Donnerschlag. Ergreifend, konsequent, aufwühlend – GRAN TORINO ist ein filmisches Vermächtnis mit Nachhall. Ein moderner Klassiker, der nichts beschönigt und gerade deshalb Hoffnung macht.

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                                                  999CINEASTOR666 22.05.2025, 20:27 Geändert 23.05.2025, 14:47

                                                  Cliffhanger – Nur die Starken überleben (OT: Cliffhanger) / FR/IT/JP/US / 1993

                                                  >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                                                  In einer Ära testosterongeladener Actionfilme voller Bleigehalt, trockener Einzeiler und Explosivität gelingt Regisseur RENNY HARLIN mit CLIFFHANGER ein Kunststück: Er bringt das Genre hoch hinaus – wortwörtlich. Statt in dunklen Gassen oder tropischen Dschungeln lässt er seine muskelbepackten Protagonisten in eisiger Höhe um Leben, Ehre und Millionen kämpfen. Und mit SYLVESTER STALLONE als gequältem Bergretter gelingt ihm dabei ein Spagat zwischen physischen Extremszenen und emotionalem Trauma.

                                                  Der Film beginnt mit einer der eindrucksvollsten und grausamsten Eröffnungsszenen des Actionkinos der 90er: Eine Frau hängt am Seil über einer Schlucht – und stürzt ab, weil der Held sie nicht halten kann. Diese Szene ist nicht nur spektakulär inszeniert, sie ist auch dramaturgisch brillant: In wenigen Minuten ist der Zuschauer emotional investiert, und die Figur Gabe Walker (SYLVESTER STALLONE) ist gezeichnet. Keine heroische Unverwundbarkeit, kein abgebrühter Spruch. Nur Schuld und Stille.

                                                  CLIFFHANGER spielt in den Rocky Mountains, wurde aber größtenteils in den italienischen Dolomiten gedreht – eine Wahl, die dem Film nicht nur spektakuläre Bilder, sondern auch eine einzigartige Atmosphäre verleiht. Die Natur ist hier nicht bloß Kulisse, sondern Mitspieler: klirrende Kälte, steile Abgründe, unberechenbare Schneestürme. Diese Topografie macht die Actionszenen zu einem Tanz mit dem Tod – nicht nur wegen der Schurken, sondern auch wegen der Schwerkraft.

                                                  SYLVESTER STALLONE spielt Gabe Walker mit einer für das Genre seltenen Verletzlichkeit. Zwar trägt er wie gewohnt die Mauersteine auf dem Bizeps, doch diesmal werden seine körperlichen Grenzen sichtbar. Er friert, er blutet, er scheitert – aber er gibt nicht auf. CLIFFHANGER ist kein Macho-Märchen, sondern ein Kampf gegen die eigene Angst.

                                                  Als Gegenspieler brilliert JOHN LITHGOW als sadistischer Ex-Agent Eric Qualen mit genüsslicher Übertreibung – ein Antagonist wie aus dem Lehrbuch: berechnend, zynisch, kultiviert und jederzeit bereit, seine Komplizen über die Klinge springen zu lassen, sobald der Kurs stimmt. Sein Aufeinandertreffen mit SYLVESTER STALLONE ist kein Duell auf Augenhöhe, sondern ein symbolischer Kampf: Zivilisierte Grausamkeit gegen rohe Entschlossenheit.

                                                  Was CLIFFHANGER wirklich auszeichnet, ist seine handgemachte Action. Keine CGI-Kulissen, keine Greenscreens – Stallone hängt (mit Drahtseil und Willen) wirklich an den Felswänden. Die Kameraarbeit ist nervenaufreibend: Vogelperspektiven über Schluchten, subjektive Stürze, rasante Schnitte zwischen Gestein und Geschrei. Man spürt jeden Tritt, jede zitternde Hand, jeden bröckelnden Vorsprung.

                                                  Besonders hervorzuheben ist die Luftseil-Szene zwischen zwei Gipfeln – ein Geniestreich des Spannungskinos, der bis heute Referenz bleibt. Ebenso die Kämpfe in engen Höhlen, unter Eismassen oder auf schneebedeckten Plateaus – alles mit physischer Wucht und überzeugender Härte inszeniert.

                                                  Trotz aller Härte vergisst der Film nie seine Figuren. Neben Gabe steht Jessie (JANINE TURNER) – nicht als Damsel in Distress, sondern als fähige Retterin, die in brenzligen Momenten mehr als nur das Love Interest ist. Auch Gabe’s ehemaliger Freund Hal (MICHAEL ROOKER) bekommt Tiefe, zunächst als Verbitterter, dann als Mitstreiter. Diese Dreiecksbeziehung funktioniert nicht durch Klischees, sondern durch echte, von Verlust geprägte Spannung.

                                                  Fazit: CLIFFHANGER ist mehr als ein Actionfilm – er ist ein Manifest gegen synthetische, seelenlose Blockbuster. Statt überbordender Explosionen setzt er auf klaustrophobische Enge in der Weite der Natur, auf Menschen, die wirklich fallen könnten. Und auf einen SYLVESTER STALLONE, der hier vielleicht seine menschlichste Heldendarstellung abliefert. Mit einem Score von TREVOR JONES, der nicht nur Spannung, sondern auch Melancholie transportiert, schließt sich der Kreis: CLIFFHANGER ist eiskalt, aber nie gefühllos. Ein fesselndes Stück Höhenrausch-Action mit Charakter, Schweiß, Schnee – und dem Mut, auch mal innezuhalten, bevor’s wieder kracht.

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                                                    Final Destination: Bloodlines (AT: Final Destination 6 / Final Destination 6: Bloodlines) / US/CA / 2025

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                                                    Es fängt schon beim Opener an: Eine düstere Vorahnung, die kitschiger, schmalziger und künstlicher kaum sein könnte. Als die Geschichte schließlich im Hier und Jetzt landet, fiel mir ein Stein vom Herzen – doch das Gefühl währte nur kurz. Die Figuren entpuppen sich als bloße Abziehbilder, ihre Funktion klar umrissen, aber ohne jede Tiefe. Eine Verbindung zur zentralen Familie aufzubauen, erweist sich als Herausforderung – vielleicht, weil sie als dramaturgisches Konstrukt nie hätte existieren dürfen.

                                                    Die Hauptakteurin wirkt panisch und hysterisch – meist steht sie mit weit aufgerissenen Augen und Mund herum, als wäre das allein schon Ausdruck von Furcht. Statt mit Spannung oder Mysterium zu spielen, serviert der Film der neuen Generation die Prämisse der Reihe auf dem Silbertablett – und erklärt sie dabei gleich zu Tode. Das eigentlich Unfassbare wird banalisiert, das Grauen verkommt zur bloßen Behauptung.

                                                    Ja, der Humor ist tiefschwarz, die Todesszenarien sind kreativ, es wird ordentlich gesplattert, und markerschütternde Schreie signalisieren den Schlussstrich. Doch so bizarr manche Todesfälle auch sind: Sie stützen sich übermäßig auf CGI und berauben das Geschehen jeder physischen Wucht. Immersion? Keine Chance. Spannung ergibt sich einzig aus der Frage, wie der Nächste das Zeitliche segnet – nicht, ob oder wann. Und das reicht längst nicht mehr aus.

                                                    TONY TODD ist ebenfalls wieder mit von der Partie – in einem seiner letzten Auftritte. Sichtbar gezeichnet vom Magenkrebs, ist er nur noch Haut und Knochen – ein trauriger Anblick, den der Film respektvoll, aber unübersehbar inszeniert.

                                                    Das große Finale will bitterböse sein – und endet in einem digitalen Desaster. So schlecht animiert, dass man nur noch den Kopf schütteln kann.

                                                    Fazit: FINAL DESTINATION: BLOODLINES versucht, die Kultreihe für eine neue Generation aufzubereiten – und scheitert dabei an den eigenen Ansprüchen. Statt Spannung und Schock gibt es CGI-Gekröse und klischeebeladene Figuren. Was einst mit makabrem Einfallsreichtum und einer unterschwelligen Todesangst faszinierte, wirkt hier wie eine müde Simulation früherer Erfolge.

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