AlexDeLarge - Kommentare

Alle Kommentare von AlexDeLarge

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    *Spoiler* Zunächst müssen wohl einige leider berechtigte und schwerwiegende Kritikpunkte adressiert werden, um zu dem vordringen zu können, was diesen Film so bemerkens- und sehenswert macht. Also, here we go. Die Darstellung des ersten Weltkriegs, sprich die Deutschen als stereotype Aggressoren (denen am besten mit der Pumpgun beizukommen ist) ist nicht gerade das, was man historisch sorgfältig oder einfühlsam nennen kann. Diese Geschichtsklitterung mag vielleicht der Tatsache geschuldet sein, dass man das WWII-Setting der Originalvorlage zeitlich nach vorne verlegt und die dankbaren Nazi-Gegner schlicht umettiketiert hat. Aus Hitler wird Ludendorff und fertig ist die Laube. Wenigstens wird man weitgehend von Geschmacklosigkeiten wie dem Auftritt von Superhelden in KZs verschont (looking at you Marvel) und dafür mit Bildern von Superhelden in Schützengräben beeindruckt. Nun ja, doch um fair zu bleiben: Die Moral des Films weist letztlich dann doch (wenn auch etwas verhalten) der Hybris der Hypermaskulinität in Gestalt des Krieges die berechtigte Kriegsschuld zu, und nicht der einzelnen Nation. Das ist schwer in Ordnung. Allein das heroische Schlussbild in dem Wonder Woman als amerikanische Wunderwaffe - soeben hat sie quasi per Atomschlag das Prinzip des Krieges dem Erdboden gleichgemacht und so Frieden herstellt - lässt sich als recht ekelhafte Rechtfertigung des Atombombenabwurfs der Amerikaner dechriffrieren, was ich hier mal unter "Einfluss des DC Politbüros" verbuche und schnell vergessen möchte. Nun aber zum Kern dessen was diesen Film herausragend macht: Es ist der vielleicht erstmalig konsequent weibliche Blick, den Patty Jenkins klug, ironisch und höchst humorvoll auf das Superheldengenre wirft. Was ein geschicktes Brechen mit überkommenen Konventionen dem Genre abzugewinnen vermag ist innovativ, rührt an, macht Spaß und Wonder Woman leicht zum besten DC-Film seit Jahren. Wonder Woman kommt wie Tarzan aus einem Dschungel der Zeitlosigkeit in die Moderne und sie stellt endlich die richtigen Fragen. Nach diesem Film wird es sehr viel schwieriger werden im Mainstream-Actionkino weibliche Körper platt zu sexualisieren, weibliche Figuren zu bloßen Stichwortgebern zu degradieren und weiblichen Hauptfiguren ihr "Love Interest" als einzige Motivation mitzugeben. Was bei Ghostbusters in die Hose ging ist hier hervorragend und mit Leichtigkeit und Augenzwinkern gelungen. Natürlich ist das nur ein Anfang. Natürlich werden die im Genderdiskurs geschulten Augen bei näherer Betrachtung genügend heteronormative Haare in der Suppe finden. Doch eines ist sicher: Wonder Woman gibt kleinen Mädchen und Jungs eine Identifikationsfigur, die wirklich ein Gegengewicht darstellt, zu den Super- und Ironmans dieser Welt und ihrer sexistischen Rationalität und das ist in höchstem Maße erfreulich.

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    • 4 .5

      überbemühtes Placebo-Kino, dass trotz Aufguss aller alten Zutaten nicht mal annähernd an den Charme des Vorgängers anzuknüpfen weiß

      *Spoiler* Symptomatisch Starlords offenes Bekenntnis zur Mittelmäßigkeit als flammende Absage an seinen (Gott)vater "Ego". Ego: "You will be like everybody else" Starlord: "What's so bad about that?" - ideologisch gewendet ist das nicht nur ein Appell an den Untertanengeist der Marvel-Konsumenten, sondern auch eine Bankrotterklärung an die zunehmende Ideenlosigkeit der Marvel-Franchises.

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      • 7

        Der vernuschelte Marxist unserer Herzen Slavoj Žižek widmete diesem B-Movie-Meisterwerk eine höchst liebevolle Analyse in seinem eigenen Dokumentarfilm "A Pervert's Guide to Ideology". Zizeks vielzitiertes Diktum wir könnten uns "wohl eher den Untergang der Welt, als den Untergang des Kapitalismus vorstellen" ist ihm wahrscheinlich während der Szene eingefallen, als Wrestlerurgestein Rowdy Roddy Piper in der Hauptrolle des "Nada" (Nichts) mit der Shotgun das Feuer auf die "Polizei" eröffnet, dabei diesen einen, ins kollektive Gedächtnis eingebrannten, vom Videospielhelden "Duke Nukem" rezitierten Satz für die Ewigkeit auf den Lippen: "I have come here to chew bubblegum and kick ass... and I'm all out of bubblegum."

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        • 5 .5
          AlexDeLarge 13.01.2017, 13:47 Geändert 13.01.2017, 14:34

          Die komlizierte Anlage, ein Personal Drama auf der Folie eines Backcountry-Horror-Flicks als Film-im-Film zu erzählen, ist der Hauptgrund, weshalb Tom Fords zweite Regiearbeit weder als Thriller noch als Drama richtig überzeugen kann.

          Spannungsmomente werden durch hübsch-sinnnlose Überblendungen zwischen den Erzählebenen eher verhindert als intensiviert, Ansätze von Figurenkomplexität und Ambiguität mit Interpretationsbeihilfen aus der Holzhammerabteilung im Keim erstickt. Es gelingt dem Film über weite Strecken einfach nicht, die schlaftrunkene Vorstellungswelt der Protagonistin mit der Geschichte des von ihr gelesenen Gruselmanuskripts überzeugend ineinanderzublenden, so dass mit dem Changieren zwischen den Erzählperspektiven dramatisch etwas abgewonnen wäre.

          Gelungene Horrorfilme brauchen keine Film-im-Film Metaebene, um selbst bei einer stereotypen Handlung wie hier (Damsels mal wieder in Distress) emotionale Räume aufzuspannen, die Traumata um Verlust, Trauer oder Hilflosigkeit durch die Folie eines Alptraums erlebbar machen (z.B. Deliverance). Doch dieser Film lässt einen seltsam kalt. Dies mag der Einbettung der Thrillerhandlung in die von Sinn und Bedeutung entleerte Kunstwelt der Protagonistin geschuldet sein, die aber derartig klischeeträchtig und uninteressant porträtiert wird, dass sie weder zur eigentlichen Handlung beiträgt, noch als gesellschaftskritisches Augenzwinkern zu überzeugen weiß. Vielmehr drängt sich dem geneigten Zuschauer fast die Frage auf, ob nicht auch Tom Ford unter Erfolgsdruck nach dem tollen "Single Man" in eine Schaffenskrise geraten sein könnte. Derartig beliebig und uninspiriert wirkt dieses Mal das Ausstaffieren des Films mit überzeichneten Charakteren, die als Abziehbilder des Kulturbetriebs in den Parodien prototypischer Kunstwerke und überdesignten Luxusinterieurs herumwandeln. Oder eben wahlweise der Hillbilly, der als Gegenentwurf gerne ausgiebig nackt auf seiner Verranda das große Geschäft auf dem Porzellanthron verrichtet. Nimm das Duchamp! Ja, ja einsam dengelt die Krankette gegen unser Koons-Hündchen, ja ja unsere Babys interessieren uns nurmehr als Bildchen auf dem Smartphonescreen.

          Dieser Zinnober wäre ja noch ganz unterhaltsam, wenn das alles symbolisch Sinn ergäbe bzw. zur eigentlichen Noir Geschichte beitrüge, aber der dünne Plot um die innere Leere der reichen Kunsthändlerin und ihr verdrängtes Trauma reicht dafür nicht aus. Er trieft nur so von x-fach gesehenen Genreversatzstücken und auch der Twist am Schluss kommt nicht ohne tiefen Griff in die Mottenkiste sexistischer Trauma-Tropes aus. So können selbst die durchweg hervorragenden Darsteller (besonders grandios: Michael Shannon) den Film nicht vor dem Scheitern bewahren. Es ist wirklich schade, denn irgendwo verschüttet in dem von Kunstideen, Jump Scares, lynchesken Performances und überstilisierten Räumen überladenen Werk steckt bestimmt ein guter Film.

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          • 6
            AlexDeLarge 18.10.2016, 11:52 Geändert 24.10.2016, 12:23

            Science of Sleep meets Nekromantik. Ein auf Spielfilmlänge aufgeblähter (pun intended) in die eigene Schrägheit arg selbstverliebter Kurzfilm, der trotz origineller Anlage und einiger lustiger Montagesequenzen nicht über die volle Strecke fesseln kann. Schwerer noch wiegt, dass der Film zurückschreckt das eigentlich angelegte düstere Potential eines Umschlagens von "teenage angst" in die Vollpsychose wirklich voll auszuloten und sich stattdessen auf altbekannte Indie-Botschaften ("Weirdness" umarmen, Limonade aus den Zitronen des Lebens machen) und mickrige Lebensweisheiten ("Wir sind alle Teil derselben Scheisse") beschränkt. Die Entscheidung die verquer, pubertär-kindliche Weltsicht des Protagonisten selbst am Punkt der Konfrontation mit der Wirklichkeit nicht Antasten zu wollen, versagt Hauptfigur wie Publikum einen Weg aus einer lächerlichen Weltsicht, die Flatulenz zur Befreiuung des Körpers und Do-it-yourself-Kreativität zur gesellschaftlichen Gegenposition erheben will.

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            • 7

              Es ist schon erforderlich hier etwas zwischen den Zeilen der Werbefilminszenierung zu lesen. Dann aber erfährt man Erstaunliches über die Mechanismen der Psychoindustrie der Selbstoptimierung und die charismatische Macht von Empathie.

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              • 6 .5

                +++Spoiler+++ Trotz spannender Grundanlage, die in der ersten Hälfte mit Unterstützung eines treibendem Carpenter-Gedächtnissoundtracks und geschicktem Einsatz von Kamerabewegungen sehr gut funktioniert, zwingt der Film das freudianisch angelegte "böse ES" leider viel zu schnell auf den Boden der CGI-Fantsielosigkeit. So raubt die unnötige Explizierung des Horrors mittels schlecht gemachten Effekte dem Film schnell seinen ominösen Zauber. Die Grundidee (grob gesagt Reflexion der dunklen Seiten sexuellen Begehrens) wird leider auch nicht konsequent genug dahin geführt, wo es richtig wehtun könnte oder interessant wird. Trotzdem ein sehenswerter Genrebeitrag - atmosphärisch, wenn auch nicht stilistisch, erinnert das Ganze sehr stark an die herausragende Graphic Novel "Black Hole". Deren kongeniale Vermengung von Body Horror, Aids-Angst und dem dunklen Begehren im Coming of Age Trope des 80er-Jahre Horrorfilms (think Cronenberg) hat hier sicher Pate gestanden. Der Film passt natürlich auch gut in die "Stranger Things"-Retrowelle, die ja auch im Remix vormals schockierender Mitternachtsfilme dem geneigten Zuschauer ja eher die lauwarme Badewanne der Nostalgie einlässt, als ihn unter eine Schockdusche zu stellen. Aber manchmal ist so ein Wannenbad ja auch was Feines.

                • 6

                  Auch eine Nummernrevue der Coen-Brüder bleibt eben nur eine Nummernrevue. Toller Cast hin, Stewie-Griffin-Gedächtnis-Steptanzeinlage her - der Film macht es sich auf dem Zuckerwattekissen der Hollywood-Selbstreferentialität einfach zu bequem. Weder gelingt es die mal mehr, mal weniger zündenden Gagsequenzen in einem halbwegs kohärenten Plot zusammenzubinden, noch werden die unterschwelligen, ernsten Themen (Religiöse Bigotterie, Verfolgung Andersdenkender, Hollywood als Keimzelle der Bewusstseinsindustrie etc.) mit wirklich satirischer Schärfe seziert. Übrig bleibt also ein recht brave, blutleere Musicalfantasie - sozusagen der kindische Gegentraum zu David Lynchs Mulholland Drive.

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                  • 7

                    Lubetzi ist wahrscheinlich derzeit der allerbeste Kameramann der Welt und channelt hier hart den Geist von good-old Terrence Malick (Think: "Thin Red Line in the Wild West"). Und hätte sich der Film ausschließlich auf dessen atemberaubende Naturbilder beschränkt, wäre jetzt auch nicht allzuviel verloren gegangen von der Ehrfurchtswirkung, die sich hier dem urbanen Individuum und seiner maskulinen Natursehnsucht auftut. Regiesseur Iñárritu hingegen wandelt offenbar auf den Einfühlungsspuren von Kevin Kostner (Think: "Der-in-dem-Pferd-schläft") - zum Glück wird der historische Narrationkontext und der dümmliche Plot (ich dachte eigentlich wir hätten Vergewaltigung von Frauen als billige Plot Device endlich hinter uns gelassen?) von Tom Hardy zur Unverständlichkeit vernuschelt, von Leo nachhaltig zerstöhnt und letztlich doch ganz gut vom Bären gefressen.

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                    • 9

                      Ästhetische Maximalverfremdung + Hyperrealistische Dialoge = Wahrheit.

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                      • 7 .5

                        "It is seems so real, when you see it on TV"

                        • 8

                          Fast unmöglich dem Film vorzuwerfen sich allzu mechanistischer Modellvorstellungen der Emotionsentstehung zu bedienen, während man sich gerade noch selbst das Grinsen und die Tränen aus dem Gesicht gewischt hat.

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                          • 8
                            AlexDeLarge 22.09.2015, 13:30 Geändert 22.09.2015, 13:34

                            Lummerland ist abgebrannt. "Ich seh, ich seh" ist eine fast schnörkellos exekutierte Horrorperle, die handwerklich so gekonnt mit den Modalitäten des Genres zu spielen weiß, das man kaum glauben kann, hier einen Debütfilm vor sich zu haben. Dem jungen Regie-Duo gelingt es aus dem titelgebenden Formalismus der Verdopplung bzw. Doppelbödigkeit, der die Tragik des Todes mit den psychischen Abgründen der Abspaltung kontrastiert eine schreckliche Fuge zu komponieren. Folgerichtig ist es das dann auch das Kinderlied, das als emotional-schaurige Klammer Trost und Wahnsinn "auf immer und immer" in sich vereinigt. Auch den beiden Settings des Films, einer aus dem österreichischen Heimatfilm entlehnten Waldmystik wird als Zwilling die Luxusvilla, eine Art White Cube Gefängnis, entgegengehalten. Unscharfe Porträtaufnahmen à la Gerhard Richter und plastinierte Katzen nach Damien Hirst werden zur Kulisse des Ausverkaufs einer seelischen Identität, an dem die darin umhergeisternde Mutterfigur (natürlich eine B-Klasse Fernsehmoderatorin) unheillbar zerbrochen ist. Man weiß am Ende gar nicht mehr ob Forstidyll oder White Cube den bösen Zwilling des jeweiligen anderen bilden bzw. wer hier eigentlich die Sichtebenen verschleiert. Verlässlich erscheint also nebem dem unvermeidlichen Gewaltexzess (dem "falschen Sehen" wird mit Sekundenkleber ein Ende bereitet - ein Bastelprojekt der gruseligen Art) nur der Einbruch der österreichischen Seidlrealität, der den Film auch produziert hat. So findet der Film in einer weiteren Verdopplung (Rotes Kreuz und Kirche) den Anschluss an das österreichische Seidl-Universum und auf dessen künstlerischen Blickwinkel ist ja schließlich auch immer Verlass. Also: lupenreine Genrekunst für alle Fans von Mysery, Sixth Sense und Österrreich.

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                            • 5 .5
                              AlexDeLarge 16.09.2015, 14:03 Geändert 09.08.2017, 10:38

                              Lieber Terrence, ich finde Deine Filme eigentlich total super, wirklich. Badlands - der Hammer! Thin Red Line - ein Meisterwerk. Tree of Life, hmm na ja, irgendwie auch noch voll gut. Aber nimm Dir doch mal wieder eine längere Auszeit und zwar möglichst weit weg von L.A. Zugegeben. Keiner (nicht Sofia Coppola, schon gar nicht Alejandro Iñárritu) kann der Oberflächlichkeit, der Leere und der kühlen architektonischen Brutalität der Traumfabrik mehr Schönheit abringen als Du. Dein Blick bleibt einzigartig, Du erzeugst einen Sog, dem man sich nicht leicht entziehen kann - keine Frage. Aber jetzt haben wir ja alle den kleinen Käfer am Boden gesehen. Jetzt ist der Wohlstandsmensch auf Sinnsuche als Sujet auch mal durch. Leg den den Plato weg, der tut Dir nicht gut. Es gibt auch andere Philosophen. Zum Beispiel solche, bei denen politische Verhältnisse vorkommen und die Armut und Leid nicht nur als (bild)ästhetische Ideenkategorie ausloten. Stell mal wieder ein paar echte Fragen. Vielleicht nach den Zusammenhängen des Sinnverlustes, weil da gibt es nämlich schon ein paar ganz reale und soziale, ohne die man die individuellen Schicksalsschläge ja gar nicht versteht. Im Taxi weint sichs eben anders als im Bus. Da brauchst Du auch keiner Figur eine Biographie überstülpen oder gar so langweilige lineare Narrative wie die anderen uncoolen Lügenregiesseure. Lass das ruhig so mit den fragmentarischen Erinnerungssplittern, das ist toll. Aber bitte, bitte, bitte! Hör auf mit dem permanenten bedeutungsschwangeren, hohlen Gedankengeflüster auf der Tonspur und dem grauenhaften Peer Gynt Gedudel. Dein (noch)Fan. T.

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                              • 9

                                Aleksey German ist Alejandro Jodorowskys schwer depressiver Bruder. Wo Alejandro dem Zuschauer noch transzendente Auswege aus der Absurdität des Lebens andeutet, gerinnt Alekseys Mittelalteralptraum des Daseins zu einem nicht versiegenden Strom aus Schlamm, Schleim, Blut und Exkrementen. Die Renaissance hat es in dieser Welt nie gegeben, jeder geschichtliche Zusammenhang löst sich in Gestammel auf. Poesie und Kultur hängen am Galgen oder werden in der Jauchegrube ertränkt. Das göttliche Prinzip stolpert dabei, hilflos die Melodie der Erlösung flötend, als ein vermeintlicher Fixpunkt durch Chaos und Leid. Der Herr belohnt und bestraft willkürlich, kann keinen Einfluss geltend machen, ergeht sich in jämmerlichen Versuchen den ewigen Pestgestank der Existenz durch kleine weiße Tüchlein der Hoffnung zu verdecken. Vergeblich. Man kann so oft dran riechen wie man will, der Mensch stinkt. Nach dreistündigem Parforceritt durch Dantes Hölle hat es der Film geschafft: Das Ende - die Ankunft in der klaren Kälte der Moderne kommt einem wie die Erlösung vor. Gott (natürlich nicht überwunden), trägt nun die dicke Bifokalbrille der Rationalität. Seiner jetzt jazzigen Melodie folgend, trommelt der Mensch - kein Stück geläutert - den ewigen Takt nach vorne stumpf gegen seinen Militärhelm. Nur einem kleinen Mädchen kommen leise Zweifel: "Mir macht die Musik Bauchweh." Mir der Film. Ein Meisterwerk.

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                                • 6

                                  Ich bin ein taubes Nüsschen. Yeah!

                                  • 7 .5

                                    Intensives Gerichtskammerspiel, das den Zuschauer den kafkaesken Kampf seiner Heldin gegen die geistige Enge eines total absurden - religiös fundierten Rechtssystems - fast physisch nachempfinden lässt. Für mich wirft der Film folgende spannende Fragen auf: Besteht nicht das Leiden und zwar ausnahmslos aller Beteiligten darin, den systemimmanenten Bezugsrahmen (in diesem Fall das unbedingte Beharren aller Akteure auf die Legitimation durch einen "Großen Anderen", symbolisiert durch den titelgebenden Scheidungsschein "Gett") nicht mehr verlassen zu können, weil sie die Wand gegen die sie Anrennen damit erst erschaffen? Dient nicht der beharrliche Widerstand gegen die fatale Logik des Scheidungsrechts erst ihrer Instandsetzung und letzten Endes sogar ihrer Legitimation? Das ist denke ich das eigentliche Drama des Films, der uns mehr über fundamentalistische Rationalität zu sagen vermag, als es vordergründig den Anschein hat.

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                                    • 6 .5

                                      Journalistische Dokumentation über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche, die Ihre verstörende Wirkung aus langen Gesprächspassagen mit einem freimütig, naiv und bereits völlig entrückt scheinenden Täter (ein Priester und Serienvergewaltiger) bezieht, dessen weltfremde Schilderungen seiner Taten mit den Leidensberichten der Opfer und deren Angehörigen kontrastiert werden. Der Film zeigt auch eindeutig, die skandalöse Vertuschungsmaschinerie der Kirchenobrigkeit. Künstlerisch relativ uninteressant, aufgrund seiner besonderen Beobachtungsperspektive dennoch ein sehenswerter Film zu einem düsteren Thema.

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                                        • 6 .5
                                          AlexDeLarge 02.02.2015, 12:35 Geändert 02.02.2015, 13:16

                                          Für den denkfaulen Mainstream-Zuschauer bis ins letzte ausbuchstabiertes Metakino bei dem trotz toller Kamera und Cast, rasanter Inszenierung und vieler guter Gags der Funke nicht recht überspringen und die schmale Gratwanderung zwischen Ernst und Witz nicht recht gelingen will.

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                                          • 7 .5
                                            AlexDeLarge 19.01.2015, 10:01 Geändert 09.08.2017, 11:17

                                            Der Meister hätte vermutlich im Grab rotiert, wenn er wüsste das die filmische Betrachtung seines Lebens ausgerechnet von der Erzählstimme des Oberscientologen Tom Cruise begleitet werden würde. Jan Harlan erweist sich auch dahingehend wenig stilsicher, wenn er meint den Tod Kubricks (Kubrick, der Ligeti im Mainstreamkino einsetzt!) mit Panflötengedudel und einer sentimentalen Montage sich traurig verabschiedendender Filmcharaktere zu untermalen. Davon abgesehen hat der Film tolle Interviews und Archivbilder zu bieten und ist ein durchaus angemessener Fanservice.

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                                            • 7
                                              AlexDeLarge 06.10.2014, 10:34 Geändert 10.10.2014, 13:51

                                              Es ist dem Verständnis von "State of Mind" immens zuträglich, wenn man ihn als eine freie Verfilmung von Albert Camus' Roman "Der Fremde" liest. Der Film adaptiert Motive aus dem Roman und verpackt - ebenso wie die Vorlage - zentrale Begriffe und Ideen von Camus' Philosophie mehr oder weniger offensichtlich in Personen, Dramaturgie und doppeldeutigen Dialogen. (z.B. "Do you know what 'Life' means?" "Yes. Prison"). Dies verleiht der Rahmenhandung an einigen Stellen wirklich Tiefe, wirkt an anderen Stellen aber gezwungen. Der famosen Darstellung des "Teenage-Etrangé" von Ryan Gosling ist es zu verdanken, dass es dem Film trotzdem gelingt eine besondere melancholische Stimmung aufzubauen, die dem Gefühl der Vorlage durchaus recht nahe kommt. Klare Abzüge in der B-Note für die schlimme 90ies-Indie-Rock-Musikauswahl.

                                              • 4
                                                über Stereo

                                                Trotz einem spannend inszenierten Finale und dem großartigem Georg Friedrich als Gansterboss ist dieser stlistisch überdeutlich von Drive bzw. Only God Forgives abgekupferte Psychothriller leider ein Griff ins Klo. Dramaturgisch wenig plausible Wendungen, ungelenke Dialoge aus dem Drehbuchkindergarten, klischeehafte Bildeinfälle, aber vor allem die einfältig umgesetzte schizoide Psycho-Dynamik von Bleibtreu/Vogel, die das Potential des talentierten Schauspielerduos völlig verschenkt, lässt die interessante Grundidee zum wenig überzeugenden Vehikel in einem ansonsten recht dünnen Plot verkommen.

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                                                • 7

                                                  Man erzählt sich Werner Herzog hätte gewettet, wenn alle Darsteller die Dreharbeiten durchhalten springt er in ein Kaktusfeld. Er litt angeblich recht lange an den Spätfolgen dieses Sprungs. Ein ähnlicher Angriff auf die Nerven ist auch dieses verstörende und höchst sperrige Frühwerk, das selbst dem hartgesottenen Arthouse-Filmfan einiges an Sitzfleisch abverlangt. Wer dem kompletten Verzicht auf lineare Erzählstruktur folgen kann, assoziative Trash-Bilder ohne naheliegende Deutungsangebote aushält, und wen selbst eine Tonspur nicht abschreckt, die einen minutenlang mit Motorgeräuschen und irrem Kichern malträtiert, dem eröffnet sich eine surrealistisch bildgewaltige Fabelwelt, die lange im Gedächtnis haften bleibt. Dieser Ausnahmefilm ist ein Kaktusstachel im Arsch von Autoritäten, Revolutionären und Kinogängern. "Feste, feste!"

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                                                  • 7
                                                    AlexDeLarge 21.11.2013, 13:12 Geändert 09.08.2017, 11:18
                                                    über Argo

                                                    Packender "Old-School"-Thriller mit gutem Humor und unverhohlenen Anleihen am Handwerk der Großmeister Lumet (Network), Pakula (Parallax View) und Pollack (Three Days of the Condor). Verzeihlich sind die dramaturgischen Übertreibungen der echten Begebenheit (Flughafenszene) zugunsten des Spannungsbogens, weniger verzeihlich die undifferenzierte Darstellung der politischen Akteure, die man wohl irgendwo zwischen unpolitischer Haltung und amerikanischer Propaganda einordnen kann.

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