Der Witte - Kommentare

Alle Kommentare von Der Witte

  • 4 .5

    [...] Von den Darstellern und dem Dialog wird alles mit einem (scheinbaren) Minimum Konstruktion ausgelöst, was durchaus Wahrhaftigkeit motivieren könnte, würde der Stil nicht seinen Voyeurismus mit Charakternähe verwechseln. [...] Jene Darstellung kann man mutig nennen, als direkten Draht zur Konfrontation mit Tod und Verderben im Medium Film. Bei allem Bezug zur seelischen Reportage verhindert „James White“ es aber, dass die Tragweite dieser Lage, ob nun in den Charakteren oder sich selbst, resonant erfasst werden kann. [...] Die einseitige Präsentation vom Innen- und Außenleben Whites sowie seiner Mitmenschen lässt jedenfalls nur wenige Deutungen zu, die über die Beschissenheit der Dinge und der Vergänglichkeit der Hoffnung hinausgehen, bei denen jeder auf sich allein gestellt sein muss. [...]

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    • 4

      [...] Die Motivation zeigt sich allerdings so hohl, wie der Soundtrack Steve Jablonskys zu neunzig Prozent oberepischen Ernst vorspielt. Was als Herzstück unter muskelbepackten Turtle-Bros bleibt, pocht nur marginal, wenn die mutierten Jungs hadern, ob sie nicht bei Tageslicht an die frische Luft und somit ihren wohlverdienten Heldenstatus einnehmen sollten. [...] Es lässt sich von Glück reden, wenn manch menschliches Verhalten hier wie eine Karikatur wirkt, während reichlich Juxeinlagen stets auf die gleiche Art in Fremdscham versinken und somit lachhaft werden. [...] Bei jener Aufdringlichkeit, die jedes Dezibel auf einmal aufspielt, bleibt aber kein Grund mehr, warum diese Überforderung durch Nichtigkeiten noch von Belang ist, wenn sich alles nur dem Standard gemäß abspult, mit dem Willen zum Selbstbewusstsein zwar flirtet, aber keinerlei Augenkontakt (auch nicht mit dem Zuschauer) herstellt. [...]

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      • 7 .5

        [...] Die Aufklärung zu dieser Persönlichkeit ist weniger in der Nacherzählung gegeben, viel mehr präsentiert sich der Prozess stellvertretend im Handlungsverlauf, der per Minimalismus davon berichtet, wie schnell, einfach und unbemerkt Brutalität gegenüber dem Individuum entstehen und wie lange es im Gegenzug dauern kann, die Sicherheit dazu wiederherzustellen, wenn es denn nicht schon zu spät ist. [...] Gut, dass Reichardt in ihrer Inszenierung trotz allem nüchternen Realismus nicht auf Distanz setzt, sondern durchweg in der Nähe bleibt, in der festen Perspektive dazu direkt am Schmerz sitzt und doch den Voyeurismus eines Misery-Porns vermeidet, welcher sich eher noch am Nihilismus hochschrauben würde. [...]

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        • 4 .5

          [...] Das Medium Film (wird) am energischsten als Werbefläche verstanden, in der sich nicht einmal ein Konsens-bedienender Regisseur wie Feig frei bewegen und Inspirationen schöpfen kann. Prominente Auftritte von Sony-4K-Camcordern, Pringles, Viacom und 7-Eleven ballen sich im obligatorischen Bombast-Finale auf dem Times Square, wie auch parallel die Menge an Geistern und anderer paranormaler Erscheinungen im CGI-Gewand zunehmen, ohne dass jemals eine echte Konsequenz für unsere Protagonistinnen zu spüren ist. [...] Größtenteils hat man eine Emulation dessen vor Augen, was in Grundzügen einmal funktioniert hat und sich nun bemüht, als Komödie in einem Konzept Fuß zu fassen, das eine völlig andere Chemie voraussetzt. [...] Einfallslos kaut er in einer Handvoll leerer Studiokulissen Massen an Etablierung durch, um einerseits Gadgets (Spielzeuge fürs Merchandise) aufzubereiten und andererseits Mängel in Inhalt und Tempo mit Mythologien und Witzen zu kaschieren. Letzteres mag die gelungenste Eigenart sein, durch die das Zusammenwirken seines Geisterjägervierers eine Dynamik unter sich, eben Freiraum zur Sympathie erzeugen kann. [...]

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          • 4 .5

            [...] Das politische Mantra des Films schenkt diesem seine wahrhaftigsten Ansätze, einen geerdeten Bezug aus dem Fantastischen ins Profunde zu erreichen, das Individuum zur Empathie mit dem kollektiven Leiden und der Hoffnung auf eine Union der Völker zu bündeln, durch die Tarzan quasi als Superheld der Steppe agiert. [...] Allerdings beißen sich jene Ambitionen mit Zugeständnissen, die für Abenteuerflair sorgen sollen, dem innewohnend Genuinen jedoch ein Bein stellen. Dies fängt in der vielfachen Nutzung von Greenscreens an und hört gewiss nicht bei cartoonhaften Computertieren auf, ehe eine CGI-Version Tarzans an Bäumen und Ranken vorbeifliegt. [...] auch da der Film in seiner passiven Schaltung auf pseudo-epische Elemente daran scheitert, die Geschichte der Motivation ihrer Figuren anzupassen, an vielerlei Stellen spart und stattdessen Eindrücke eines stumpfen Befreier-Märchens bringt [...]

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            • 7

              [...] Wo nicht gerade selten Crime-Formate und Co. den verbrecherischen Moloch innerhalb jener Verhältnisse zeichnen möchten, hat Baker zwar keine Scheuklappen auf, doch in jenen Gegebenheiten von Prostitution, zwischenmenschlichen Konflikten, Crack, Obdachlosigkeit und Hass ist der moralische Hinweis nicht mehr nötig, stattdessen der Mut zur Selbstverständlichkeit, der Kraft und Zärtlichkeit auf den Straßen neben jenem, was man im Allgemeinen unter Hollywood versteht. [...] Die bewährten Konzepte der Menschheit können sich eben nicht im Farbenrausch der Individuen entwerten, denn inmitten des oberflächlichen Zynismus des Undergrounds lebt das Ich nun mal nicht vom Ego allein. Manche wollen sich das noch einreden und besitzen entsprechende Toughness im Umgang mit Mitmenschen derselben vergessenen Klasse, doch ohne Liebe und Freundschaft könnten sich diese Persönlichkeiten erst gar nicht bilden, insbesondere dann, wenn aus ihnen gescheiterte Existenzen entstehen: Es gibt immer einen Hintergrund [...]

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              • 7

                [...] Das Abenteuer eines Mysteriums erhält hier in horizontal kurvender Beobachtung eine Atmosphäre, die selbst in ihren Optionen des gewissen Endes nicht der ultimativen Skepsis anheimfallen will, obgleich gerade Kralls Domizil in seiner Orientierungslosigkeit von allein schon für Gewalt zu sorgen scheint. Die Abkopplung wird zwar sein Mittel, die Vergänglichkeit der Einheit als Schwäche hinzustellen und diese in die Ecke gezwängt um ihren Lebenssaft zu bringen, doch solch brutale Segregation wird auch blind gegenüber dem Widerstand im Innern. Das Gleichnis zur aktuellen politischen Lage ist nicht schwer zu entziffern, auch wie der Film Vorbildcharakter für die Konfliktbewältigung für sich zu beanspruchen versucht. Der Warp zur Prätension passiert aber nicht, so stimmig er dies aus der Essenz der Vorlage schöpft und ohnehin jede Überschwänglichkeit durch Taten und Spannung vermeidet. [...]

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                • 7

                  [...] Der Liebhaber der Plansequenzen bittet sodann zum Kombinationstanz an Einzelmomenten à la Rube-Goldberg-Machine, während Sophie als kleines Wesen gegen die Größe unwirklicher und doch wirkungsvoller Dimensionen zu bestehen hat. [...] Es bewegt, wenn die Lebendigkeit im Menschen und jene in einer Figur aus technischer Kreation (sowie deren Skelett Rylance) ergänzend zueinander einstehen, gemeinsam in die höheren Sphären des bisher Unerreichbaren vordringen und Träume ballen, mixen und verteilen. [...] Der Weg zum Mut ist aber kein behaupteter, so sehr sich das Große um das Kleine kümmert, die Sicherheit in der Distanz sucht, obgleich die Freundschaft untrennbar verbleibt, deren Herzen sich über die Ozeane hinaus hören und auch allmählich alles auf Augenhöhe sehen können. [...]

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                  • 7 .5

                    [...] Der Charme leitet sich gewiss auch aus der Freiheit eines Amateurs ab, so wie die mangelnde technische Sorgfalt individuelle Eckpunkte sowie Tempi im Naturalismus erschafft, keinen Deut auf Nachahmung setzt, aber alsbald eine unglaublich idealistische Liebesgeschichte erzählt, deren Hauptakteure man sich nur schwer und somit umso beglückender vorstellen kann. [...] Das Chaos regiert in stimmig-ausgelassener Unbeholfenheit, evoziert für sich eine Glaubwürdigkeit der Eigenarten, bei welcher man dem Austausch zweier grundsympathischer Bettwürste selbst in derer billigsten Unterwäsche stets lauschen möchte. Da darf der Abflug zum Glück nicht fehlen, auch wenn er nicht mal am Rande als solcher zu erkennen, trotzdem einer ist. [...]

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                    • 6 .5

                      [...] Weibliche Emotionen verschießen schon Tränen, wenn eine flüchtige Bekanntschaft eine Chance auf ein besseres Leben ausschlägt, gleichsam unvermittelt kommen in der U-Bahn-Station wilde Dance Battles zustande, die mit dem Knalleffekt von „Tokyo Tribe“ mithalten können. Tanzsequenzen sowie wortwörtliche Duelle werden ohnehin das Highlight individualistischer Katharsis, ob nun beim Benefizbankett zum Tango gegen den schnöseligen Nebenbuhler oder bei den Ballettübungen unter Altmeister Kramrovsky. [...] Schließlich verlässt sich der Film im Verlauf auch nicht darauf, den Zwang des Realismus zur dramaturgischen Vermittlung vorherrschen zu lassen. Eher verstärkt er seine Klischees und Topoi zu Spaßgaranten, um die inneren Überraschungen eines Jedermann zu akzentuieren. [...]

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                      • 5

                        [...] Er übernimmt sich in der Zusammenkunft seiner Charaktere mit solch Sprunghaftigkeit, dass man in dramaturgischer Hinsicht von mangelnder Geduld sprechen kann – oder von einer inszenatorischen Verwandtschaft mit Klaus Lemke. [...] Für Freunde des gepflegten Honk-Faktors regnet also eine seltene Sternschnuppe die Leinwand herunter, an der ungeniert Flachwitze und Grinsegesten im Angesicht totaler Vernichtung angewendet werden. Und nicht nur nostalgische 90s Kids erkennen den Unterschied zur Ironiefabrik Marvel, wenn ein Emmerich seine im Kriegskitsch romantisierten Dumpfbacken ausstellt, die ihren Bad-Ass-Pathos von selbst lächerlich machen, ohne es zu merken. Mit jener Qualität an Käse lässt sich dennoch nicht unterminieren, wie beiläufig das Massensterben via CGI nun hingenommen wird [...]

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                        • 6 .5

                          [...] Wie herrlich ordinär dort das hochbürgerliche Gewand abgelegt wird und einen Teufel namens Lucrezia Borgia durch die Unschuld ihrer Nachfahren jagen lässt, entwickelt schnell exploitatives Format voller Zooms, deftiger Visagen sowie ebenso plakativer Schaubuden-Effekte, anhand derer das Übernatürliche hier Moral, Sex und Fehden aufmischt [...], so ungehalten die Erwachsenen auch um die Testamentsvollstreckung wie um einen Kadaver kreisen. [...] Nicht, dass Bianchi daran den erhobenen Finger üben würde, eher einen gesteigerten Fieberstand für die erotischen wie aberwitzigen Belange der Szenarien, die sodann gerne in Hysterie sowie weitere plumpe Sprüche münden, ehe die Reißleine der Opfergabe dort ein Ende finden lässt, wo der Film eh kaum noch Interesse hatte, irgendeine Story zu erzählen. [...]

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                          • 7 .5

                            Sich die Zukunft in der Gewöhnlichkeit verbauen oder für die Zukunft brutal Vollgas geben: In Paul Verhoevens schonungslosem Portrait der 80er-Jahre-Jugend Hollands ist das Leben via Provinz nicht unbedingt eins mit besten Aussichten, der Weg hinaus sodann die Grundspannung schlechthin. [...] Die innere Einsicht geschieht hier im Raunen der Maschinen, bei flapsigen Flirts sowie Schlägereien zwischen Flachland und Supermarkt, Graffiti und Leder; frisch, bunt und gern verdorben, wie auch der Frust einwirkt, zwar den Harten heraushängen lässt, den Schmerz oder gar die Faszination zum Unerreichbaren/Vorbild/gleichen Geschlecht der Kamera gegenüber aber nicht verheimlichen kann. Das Netz an Beziehungen nimmt da diverse Verzweigungen und Verlängerungen für auf, bleibt dennoch authentisch auf Zack, locker beim (meist auf Vorteil hinarbeitenden) Sex und doch deftig beim Verbrechen, sofern sich zwischendurch noch am Ehrgeiz versucht werden darf und meistens doch im Tal der Enttäuschungen landet. [...]

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                            • 4 .5

                              [...] Die forcierte Sedierung des Wuxia-Plots gängigster Form erschlägt zudem mit Massen an innenpolitischen Details, die genauso wie Anekdoten aus der Vergangenheit unseres Ensembles in aller Fülle nacherzählt werden müssen, anstatt sie (gerne auf kreativem Wege) zu zeigen. Die resultierende emotionale Distanz geht sodann einher mit einem Mangel an Stimmung, der größtenteils als Natürlichkeit von der strikt nüchternen Sorte vorherrscht. [...] Zur Verinnerlichung eines moralischen Konflikts oder kontemplativer Ambivalenzen reicht die Inszenierung jedenfalls nur bedingt, hält sich vage und teilnahmslos, bis einige Impressionen doch die Poesie von Stille, Ehre und Gnade vervollständigen und nicht bloß das blutleere Prozedere altertümlicher Politik in den Fokus rücken. [...]

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                              • 8

                                [...] Dieses Verhältnis eines Zwischenlebens zu durchlaufen, ist für Regisseurin wie Ko-Autorin Schrader angesichts des bitteren Selbstverständnisses kein Anlass zur Dramatisierung, mehr für eine Nähe untereinander, wie klein die Welt doch sein kann, wie sich Gefühle in jenen Perspektiven schüren, der Unterschied zwischen geographischer und emotionaler Distanz herauskristallisiert, eben unbemerkt wie eine Bombe einschlagen und im Nachhinein erst herausgelesen werden kann. Stille und Leben können nicht ohne einander [...]

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                                • 5 .5

                                  [...] (Ein) Film, der seine Dynamik stets zur Zeitlupe streckt, ehe der Weg des unschuldigen Opfers zur Schlachtbank nach zwei Stunden vollendet wird. [...] Der Wahn zur Perfektion: Refn fängt an, sein eigenes Wesen als audiovisueller Fünf-Sterne-Koch anzuerkennen und in diesem Rahmen zu reflektieren. Für dessen Sprung ins Wasser braucht es aber auch eben solches, ohne bricht es sich die Knochen. Dementsprechend kurz gedacht scheint Refns schleichende Paranoia des Glamours, wenn sie in der taumelnd bunten Neonröhre aus Marmor, Kleid und Teint das geläufigste Ideal auswählt: Je jünger, desto besser, desto reizvoller, desto zerstörenswerter. [...]

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                                  • 6 .5

                                    [...] Die verborgene wie ungefähre und unfaire Schuld, der Zweifel am Innern - das vermittelt ein Cooper so klein und effektiv, wie er auch zur zweiten Hälfte hin ganz er selbst wird, wenn der mörderische Trip um ihn herum seinerseits ohne Fragen in Make-Up und Leder-Outfit ausgeführt wird. [...] Mit Musikalität kann sich der Film übrigens ganz hervorragend brüsten, sobald er eine visuelle Sequenz des Schaffens im Rhythmus unheilvoller Synths in voller Länge ausspielen lässt und unbedarft der Zwischenwelt frönt, wie sie Vincent sodann auch von der Schminke zu Blut und Blei führt, die menschlichen Monster einlädt und gnadenlos zerschießt, wie auf einmal auch die Hunde ihre Fresssucht binnen dynamisch abgelichteter Mauern beweisen. [...]

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                                    • 5

                                      [...] Der Vergleich zwischen Mini-Neurotiker Hart und Pain-&-Gain-Sympathikus Johnson kommt natürlich auf eine Dynamik à la „Twins – Zwillinge“ – vielerlei Pointen brauchen lediglich Referenzen an vergangene Filme, um die Lachquote aufrechtzuerhalten. Da wird’s entsprechend plump; doch manch Charakterzug übertrumpft solch fades Namedropping. So ist es reizvoll, wie bedingt schlau man daraus wird, warum Bob seinen Golden-Jet-Schwarm mit grinsendem Sadismus zu tödlich gefährlichen Abenteuern verleitet und in eine Angelegenheit internationaler Größenordnung hineinzieht [...] Nicht, dass Regisseur Thurber die volle Route Political Correctness beschreitet, doch auf halbem Wege fängt er durchaus Empathie ein, wo der Schritt zum Zynismus ein ach so leichter wäre – und manch leichten Weg lässt der Film trotzdem über sich ergehen, damit Klischees eben nicht Mangelware bleiben. Damit geht ein gedrosseltes Tempo einher, das vor allem im letzten Drittel geradezu wie in Portionen den Agenten- und den Komödienanteil separat zu erfüllen scheint. [...]

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                                      • 7 .5

                                        [...] Im Land unbegrenzter Möglichkeiten sind eben auch Konformität und ein gebrochener Wille erforderlich, sofern man nicht doch im Stillen nach der Güte schaut, die sich des kollektiven Drangs wegen nicht weiter als vor die Haustür trauen mag. Die Gesellschaftsmodelle, Symbole, Hunde und Menschen verlaufen hier nahtlos und doch still im Nirgendwo, dass eben das eintritt, was die erste Episode prophezeite: Die Gnade in der Emotion gegenüber der Sterblichkeit [...] Und obwohl Solondz an jener Stelle nur bedingt mit der „Happiness“ kokettiert, bleibt er human und in entscheidenden Momenten zärtlich, den Außenseitern verpflichtet und doch nicht so voller Ernst geladen, wie es ein Robert Bresson gezeichnet hätte. [...]

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                                        • 7

                                          [...] Sex ist Sex, scheiß auf die Scham; auch davor, vielleicht nicht jede Nuance mit absolutem Realismus zu treffen. Dem Spaß kann es nicht schaden, Borchu lässt das Spannungsfeld der Verhältnisse jedoch nicht aus den Augen. Kontraste und Erwartungen von Beziehungsmodellen lassen sich auf eine Begegnung ein, die nur allzu konsequent den Mächten von Zweisamkeit und Willkürlichkeit erliegt und einen Konflikt erschafft, bei dem sich kein Mittelweg finden lässt. Wo die Liebe hinfällt, kann ebenso die Enttäuschung, ein Wandel ohne Wiederkehr, Vertrauensbruch und Gift entstehen. [...] Da sie weder auf Ziellandungen noch auf Belanglosigkeiten setzt, besitzt ihr stringentes Chaos Format, so wie die Erdenbürger der Postmoderne gegenwärtig doch verstärkt ungewiss der eigenen Rolle gegenüberstehen, diese infrage stellen, Umstrukturierungen beinahe tagtäglich erleben und erwirken. Dem Zwiespalt noch mit Pietät begegnen zu müssen, wäre da nur widersinnig [...]

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                                          • 8

                                            [...] Die beste Art der Dramaturgie ist nämlich auch irgendwie diejenige, die sich nicht als solche erkennen lässt, von daher ist „Die Qual vor dem Ende“ auch ein Hort provinzieller Belanglosigkeiten, lockerer Damenbekanntschaften und redseliger Impro-Sektionen der Zwischenmenschlichkeit. Jene verlaufen sich aber nie ins Leere, sondern schielen effektiv auf die Angst vor dem Zerfall, dem gleichzeitigen Wiederaufbau der Liebe, dem Roger und Philippe sowohl die Stirn zu bieten scheinen, als auch Angst vor ihm haben - wie der Vater, so der Sohn. Verdrängen ist jedoch vergebens, das signalisieren schon die ersten Sequenzen, die uns anhand von Kleinigkeiten und vertrauten Tönen an das Wesen der Mutter führen und dabei ziemlich direkt wie gegenwärtig Nachvollziehbarkeit evozieren [...] Die Lösungen liegen nicht immanent auf der Hand, während der Schmerz eben die Parteien ausbluten lässt, doch Schritt für Schritt verläuft das Leben wie das Sterben. Dafür hält Pialat authentische wie minimalistische Gesten ohne Reißertum sowie ohne Pardon bereit, auf jeden Fall blickt er innig und erwachsen auf den Verlust des Gegebenen [...]

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                                            • 7 .5

                                              [...] Ein Road-Movie unbedarfter Fantasien kündigt sich fast an, wie es der Jugend so einfach passen könnte, doch die Spießer holen nun mal jeden ein, selbst wenn diese nicht wissen, warum. Daraufhin soll man eben wieder in beengtem Kreise lumpige Geburtstage feiern, bei Muttern zuhause gleich neben dem IKEA-Wandschrank stumpf am Sekt nuckeln und mit halbstarken Pseudo-Machos das Knutschen üben, weil einem nichts anderes übrig bleibt. Um Gottes Willen, Fucking Åmål! Die ganze Mentalität vor Ort ist der Feind, nicht unbedingt ein einzelner Mensch im Ensemble, genauso bittersüß verschieben sich auch die Sympathien im Wechselbad geduldeter Gewöhnlichkeit und erfüllten/unerfüllten Erwartungen der Geschlechter, an denen man sich so oder so klammern muss, um die Furcht vor dem Alleinsein schon im Kindesalter vermeiden zu können - die Rasierklingen und Shoegazer-CD's sind da nicht weit, genauso wenig das Klopfen am Fenster anhand von hochgeworfenen Mini-Steinen. [...]

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                                              • 3
                                                über Agnes

                                                [...] Nun kann es durchaus reizen, wenn ein Film seinen inneren Diskurs offen an die Oberfläche dringen lässt und über passionierte Figuren zum Expressionismus ansetzt. „Agnes“ vermittelt jedoch den Eindruck, dass der Subtext als aufgedunsene Leiche angeschwemmt kommt. Jede Faszination, ob nun zum Tode, zum Metaphysischen oder zur Zukunft, wird wie auf Stichwort aufgesagt und kommt eher behauptet an, als dass sich eine wahre Leidenschaft im Ensemble abzeichnen würde [...] Aber soll ja so, könnte man meinen, dass Schmid sein Paar als Extremfall des Introvertierten präsentieren möchte. Ein legitimer Ansatz, der Feingefühl erfordert, hier jedoch als externe Emotionalisierung auf Hochtouren betrieben wird. [...] Das Reelle birgt aber auch bei ihnen harte Konsequenzen – und so weiß der Film trotz aller Traumtänzerei nur zu gut, dass er nur skizzenhafte Beweggründe, Inhalte und Gefühle vorweisen kann.

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                                                • 7

                                                  [...] Sein Mysterium um die vermeintliche Femme Fatale Christine (Renée Soutendijk) setzt zudem keine willkürlichen Barrieren ein, sondern unterhält mit reichlich unheilvollen Symbolen, die seinen Protagonisten Gerard (Jeroen Krabbé) zwar auf bestimmte Deutungen und dementsprechende Visionen bringen, diesem im Suff aber auch entgleiten lässt, während man selbst den Dreh bereits raus haben könnte. Der Spaß erlaubt sich einige mehr subversiv provokante und melodramatische Eindrücke, der Aufbau dorthin zeugt dennoch von legitimer Spannung. Schließlich lässt Verhoeven sein Meta-Spiel gut mit dem Charakter Gerards harmonisieren, der als Autor laut eigener Aussage besonders geschickt darin ist, sich eine Wahrheit zusammen zu lügen [...] Die Frage nach der Verschwörung per eigener Psychologie treibt jedenfalls reichlich Reißerisches in die Augen, bis sie mehrmals aus den Schädelhöhlen schlüpfen und im Zwielicht onanieren, eine Verkettung an Omina wahrnehmen, sie entweder fürchten oder sich daran aufgeilen. [...]

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                                                  • 7

                                                    [...] Anders aber als die geläufige Interpretation einer Dystopie, also jene über die Schlacht unter den letzten verbliebenen Menschen und Regierenden, erfolgt hier die Ermattung im ultimativen Frieden. [...] Zen hat hier durchaus seinen Humor im Wiederholen und Strecken minimaler Prozesse, in der Ruhe liegt aber auch die Tragik einer verlorenen Lebendigkeit. [...] Der Halt an der Hoffnung in Paketform äußert sich ebenso mit Bescheidenheit – wohl auch deshalb, weil schon der kleinste Nachlass an Erinnerungen in Sonos flüsternder Zukunftsvision dermaßen geschätzt wird, dass selbst die Zugänglichkeit der Teleportation ungenutzt bleibt. Mit einer Schuldigkeit für jene Umstände mag er die Menschheit hier also nicht belegen, dafür ist die Rationalität ihrer Maschinen ja auch nicht gebaut. [...]

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