digital_bath - Kommentare

Alle Kommentare von digital_bath

  • 5 .5

    "Joker 2" ist kein wirklich guter Film, aber er ist auch kein Desaster, wie es die Dynamik des Internets suggeriert.
    Ich mochte zu Beginn den ganz anderen Ansatz und ich mochte auch die ersten Gesangseinlagen in der Fantasiewelt eines ziemlich ge- bzw. verstörten Mannes. Was mich dann aber ziemlich störte war, dass vieles im Film - und da kann man die Musical-Momente auch hervorheben - ehrlicherweise ins Nichts führten.
    "Joker 2" entmystifiziert den legendären Bösewicht und zeigt ihn in seiner schwächlichsten Form.
    Ist das jetzt enttäuschend sogar so gewollt?

    Der Film spielt vielleicht mit dem Mythos von Legenden und zeigt eine Wahrheit, wie sie um unsere Helden und Legenden auch stehen könnte. Sie sind anders - manchmal auch zerbrechlich - und leben mehr im Schein unserer heroischen Gedanken als im wirklichen Sein.

    Nehmen wir mal den größten Boxer aller Zeiten, der oft bereits vor seinen Kämpfen den Ausgang richtig prophezeite. Ein Mann, der den Vietnamkrieg verweigerte und sich für die Rechte der Afroamerikaner:innen eingesetzt hat. Ein richtiger Held.
    Sehen wir aber auch den Menschen, der zwielichtige Kontakte hatte, seine Gegner evtl. gegen Geld dazu brachte, in der von ihm genannten Runde zu Boden zu gehen? Den Showman, der untreu war?
    Ich bin ein riesen Fan vom Größten aller Zeiten und vieles sind nicht belegbare Unterstellungen, aber die starke Doku von Arte "Muhammad Ali" hat mir da einfach echt mal einen anderen kritischeren Blick verschafft.
    Wie kam ich jetzt nochmal vom Joker zu Ali?
    Wir machen aus Menschen Legenden und spinnen uns einen Mythos zusammen.

    Wenn ich es jetzt gut mit Todd Phillips meine, dann zeigt er uns bewusst in Teil 1, wie wir und die Medien Joker sehen wollen und in Teil 2, wie er am Ende wirklich ist. Ein gebrochener psychisch kranker Mann, um den ein Mythos entstanden ist.
    Oder aber Todd Phillips hatte tatsächlich keinen Bock auf den 2. Teil und präsentiert uns einen schlicht nicht guten Film.

    2
    • 9
      digital_bath 16.01.2024, 23:01 Geändert 17.01.2024, 07:47

      ACHTUNG SPOILER - ACHTUNG SPOILER - ACHTUNG SPOILER

      Ein Vater verbringt mit seiner Tochter einen gemeinsamen Sommerurlaub am Meer. Dabei verfolgt der Zuschauende das Geschehen aus dem Blickwinkel von alten Videokameraaufnahmen des Vaters und den Erinnerungen der Tochter.

      Es gibt Leute, die sagen Aftersun sei ein Coming of Age-Film eines Mädchens über das Heranwachsen und die vorpubertätsbedingte Abgrenzung von den Eltern. Dann sagen andere, der Film zeigt eben genanntes und die scheinbar seelischen Probleme eines Vaters. Ich gehe einen Schritt weiter und sage, dass der Film so gut wie kaum ein anderer das Dilemma und die Tragik von Depressionen aus Sicht von Angehörigen zeigt. Ich sehe ihn als Warnsignal. So ist für mich eindeutig, dass der Vater Suizid begangen hat und es sich bei Aftersun um den allerletzten oder zumindest letzten intensiven Kontakt zwischen Vater und Tochter handelt.
      Im Kern wirft der Film die Frage auf, wie kann man jemanden helfen, bzw. wie kann man erkennen, dass es jemanden seelisch so schlecht geht, dass er oder sie die Lust am Leben verloren hat? Oder anders: Die Tochter Sophie stellt sich ihr Leben lang die Frage: Hätte ich es merken können oder müssen? Hätte ich ihn retten können?
      Dazu schaut sie sich die alten Videokassetten vom letzten Urlaub an, bei dem aus ihrer kindlichen Sicht doch eigentlich alles in Ordnung erschien. Und dennoch schwebte vielleicht damals bereits die Sorge eines Kindes um ihren Vater im Raum. Ein Vater, dem am Karaoke-Abend alles über den Kopf wächst. Er entschuldigt sich am nächsten Tag bei seiner Tochter und die Tochter Sophie ist diejenige, die suggeriert, es gehe schon alles in Ordnung. Dieses vertauschte Rollenverhältnis, bei dem ein Kind das Gefühl hat, Verantwortung für die Eltern übernehmen zu müssen, hat Sophie bis in das Erwachsenenalter verfolgt. Sie sitzt immer noch vor den Videos und sucht nach Antworten.

      Das wirklich Gelungene an Aftersun ist, dass der Zuschauende die gleiche Rolle wie Sophie einnimmt. Man schaut den Film. Es sind Fragmente aus einer Videokamera und Rückblenden. Man hat das Gefühl, dass hier irgendwas nicht in Ordnung ist. Man sammelt Indizien, wie der steigende Alkoholkonsum vom Vater Calum oder die Abneigung gegenüber dem eigenen Geburtstag. Und dann hört man einen Vater, der seine Tochter darum bittet, dass sie, wenn sie älter ist, immer mit ihm sprechen kann – egal was sie auch bedrücke. Ein so liebevoller Blick in die Zukunft.
      Doch Calum hat Sophie und das Publikum offensichtlich getäuscht.

      Das besondere ist, dass der Film gegen Ende nicht plakativ und explizit den Selbstmord zeigt. Die Zuschauenden werden mit emotionaler Wucht von einem flackernden Bilderrausch unter der kongenialen Musik eines Under Pressure von Queen und David Bowie überwältigt, bei dem der seelische Schmerz eines depressiven Vaters mit Songtextpassagen wie „this is our last dance“ auf innige herzliche Umarmungen von Vater und Tochter treffen. Das flackernde Licht wird immer schillernder. Eine erwachsene Sophie schubst ihren leidenden Vater von sich weg. Hier ist wahre Liebe und wahrer Schmerz zu spüren, wie schon lange nicht mehr im Kino. Eine ästhetische, surreale Filmszene für die Ewigkeit.
      Am Ende macht Calum die Videokamera aus, blickt den Zauschauenden direkt ins Gesicht, als würde er fragen: Habt ihr es gesehen? Er verschwindet am Ende des Flures und verliert sich in der dunklen surealen Welt. Calum ist am Ende und wir haben es nicht rechtzeitig gemerkt.
      Ich habe Aftersun ein zweites und drittes Mal gesehen und jedes Mal entdecke ich neue Indizien, die vereinzelt vielleicht nicht viel aussagen, aber zusammen mehr als eindeutig auf den Freitod hinweisen. Calums Sprüche wie. „Ich hätte nicht gedacht, überhaupt 30 Jahre alt zu werden“, herumliegende Bücher zum Thema Selbsthilfe und Selbstfürsorge, übermäßige Wut/Enttäuschung über das Verlorengehen einer Taucherbrille, etc. zeigen dann doch eindeutig den ständigen Kampf eines „Ich will, aber ich kann nicht mehr.“ Die offensichtlich finanziellen Nöte im Kontrast zur Liebe gegenüber seiner Tochter spiegeln sich in den gekauften Teppich wieder.

      Abschließend noch eine Exkursion zu einem Gespräch mit einer Psychologin zum Thema Suizid, die mal gesagt hat, dass am Gefährdetsten diejenigen sind, die den Angehörigen suggerieren, dass eigentlich wieder alles in Ordnung sei. Dieser Schein trügt, denn die betroffene Person mit dem Willen, den Freitod zu wählen, hat bereits eine Entscheidung getroffen. Und dieser Entschluss befreit die Seele von ihrem Schmerz. Dann ist alles zu spät und es stellt sich die Frage all der Angehörigen: Hätte ich es merken müssen? Hätte ich sie oder ihn retten können?

      6
      • Oh man. X-beliebige Kommentare/Videos von x-beliebigen Leuten auf x-beliebigen Social Media-Plattformen sind inzwischen Referenzen dafür, ob eine Serie gut oder schlecht ist.

        4
        • Hätte es Bam Margera (wie ursprünglich geplant) in den Film geschafft, würde dieser Artikel hoffentlich auch über seine cKy-Tetralogie berichten.

          • 2012 lief der Extended Cut mit einer Länge von 251 Min in Cannes. Diese Version gibt es inzwischen auch auf DVD/BluRay.

            • digital_bath 07.03.2022, 09:35 Geändert 07.03.2022, 09:38

              Ich kann die Meinung des Autors nicht verstehen. Wie kann das Ende der Serie enttäuschend sein, da es zu realistisch ist? Shameless ist doch seit 11 Jahren dafür bekannt, dass es so bitterböse die Gesellschaft und den Zeitgeist wiederspiegelt. Und zu glauben, dass alle Fans unzufrieden über die Cliffhanger sind, ist nicht richtig. Ich war sehr begeistert von der letzten Staffel und finde die Perspektiven der Charaktere spannend. Wir wissen nicht, ob es ihnen gelingt oder ob sie scheitern. So ist das Leben.

              1
              • 1
                • Schöner Artikel. Mich freut es, dass ihr Blair Witch Project soweit oben platziert habt. Für mich einer der gruseligsten Filme überhaupt.

                  2
                    • Ehre wem Ehre gebührt...falls man das in diesem Fall wirklich sagen kann

                      1998: Jumping off a building (Bam Margera)
                      1999: Landspeed: CKY (Bam Margera/Brandon Dicamillo)
                      2000: CKY2K (Bam Margera/Brandon Dicamillo)
                      ---
                      ab 2000: Jackass mit Clips aus siehe oben

                        • Ich hätte noch auf THE STAND von Stephen King erweitert. Mal eben schnell die 1800 Seiten in einem Guss durchlesen und dann anschließend über die schlechte Umsetzung der Serie meckern...vielleicht ;-)
                          Schlimmer als die Verfilmung vom Dunklen Turm kann es nicht sein.

                          2
                          • Ich mag PSYCHO und würde ihn gerne mal in einer Retrospektive im Kino sehen. So in 3 Monaten bis 4 Jahren, wenn die Kinos dann vielleicht mal wieder aufmachen und man nicht mehr nur noch Streaming, Streaming. Streaming lesen muss.

                            1
                            • digital_bath 11.01.2021, 10:43 Geändert 11.01.2021, 12:18

                              Aus Sicht eines Liebhabers der Buchreihe war Fassungslosigkeit wohl mein erster Gedanke, nachdem ich dieses Werk gesehen habe. Ist das deren Ernst?! Eine Schande für das Universum des dunklen Turms.
                              King sollte einen 9. Teil schreiben, in dem Roland auf die Macher des Films trifft und die Veröffentlichung auf seine Weise verhindert.

                              1
                              • Devs klingt sehr interessant.

                                Ansonsten war mein kleines Highlight Tales From The Loop.

                                2
                                    • Irgendwie werde ich mit der Story rund um das Grundstück nicht so richtig warm, obwohl Saul einige geniale Momente seid seiner "Transformation" hatte.
                                      Das Ende am Brunnen fand ich mega, so dass die Vorfreude auf die nächstens Folgen immens gestiegen ist.

                                      Ja und vermisse die Recaps...ich vermisse sie wirklich :-(

                                      1
                                      • Ich musste bei dem Artikel etwas lachen. Der Mythos um Joko & Klaas gleicht dem vom Wrestling. Wer daran glaubt, muss wirklich ziemlich naiv sein.
                                        Aber schön, dass Funk auch hier der Zielgruppe entsprechend aufklärt. Ähnliche Produktionen über Fake News und virale Hits ließen sich in Vergangenheit gut in medienpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen integrieren.

                                        7
                                        • Hab die BluRay bereits zu Hause. Gibt einige gute Filmklassiker von der Murnau-Stiftung restauriert: Metropolis, Nosferatu, Nibelungen, etc.

                                          • War natürlich nochmal schön zu sehen. Übrigens hoffe ich, dass es wieder ein Moviepilot-Recap zur aktuellen Staffel gibt

                                            4
                                            • Danke für die Erinnerung. Transit fehlt noch in der Petzold-Sammlung

                                              • 1
                                                • Beim italienischen Kino geht mir irgendwie immer das Herz auf. Ob Felllini, Leone, de Sica, Visconti, Pasolini, Antonioni und wie sie alle heißen. Leider habe ich die Legenden nicht zu ihrer aktiven Zeit im Kino sehen können. Bertulloci und Tornatore scheinen mir da die letzten großen Regisseure made in Italy zu sein

                                                  1
                                                  • Ich bin auch gerade etwas verwirrt oder einfach zu blöd. Habe eigentlich den Satz, aber zwei Buchstaben passen nicht zu meiner Schreibweise :-/