Das ZDF begann gestern mit der Zeitreise einer Gruppe Berliner Jugendlicher von der Nachkriegs- bis in die Nachwendezeit ihre Erinnerung zum 20. Jahr nach dem Mauerfall 1989.
Sechs Schicksale in der Berliner Nachkriegszeit
In den Ruinen von Berlin verbrüdern sich sechs Jugendliche. Mit dem Spruch ‘Nichts kann uns trennen, nicht mal der Tod’ werden sie zu den Wölfen und haben ein gemeinsames Ziel: Die Nachkriegszeit überstehen und ein Kneipe eröffnen, damit auch sie absahnen können. Dabei sind sie alle ziemlich unterschiedlich. Da wäre der wütende Bernd (Vincent Redetzki), dessen Mutter mit einem US-Soldaten ein Kind hat und dessen Vater gebrochen aus der Kriegsgefangenschaft heimkommt, aber zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist; da wäre der diplomatische Kurt (Philip Wiegratz), der Sohn einen Nazi-Mitläufers, der schnell zum Demokraten mutiert; der stille und clevere Jakob (Neel Fehler), der als Jude dem Konzentrationslager entkommen konnte; Silke (Nina Gummich), die in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) ihre Heimat findet und die schöne Lotte (Henriette Confurius), die gern Sängerin werden will sowie ihr Bruder Ralf (Maximilian Werner), der kleine Techniker.
Alle leben in der geteilten Stadt. Erleben die Luftbrücke und den Geldumtausch, die Abriegelung in der Stadt und den Schwarzmarkt, hilflose Eltern und brutale Schläger, den täglichen Überlebenskampf. Kleine Wölfe unter Wölfen. Und es geht um Freundschaft und Liebe. Bernd und Jakob, die beide Lotte begehren, Silke, die Jakob vergöttert und von der Kurt etwas will. Eine Jugendgang, dessen Zusammenhalt sich auf Vertrauen gründet, aber das ist schwer zu haben in der Nachkriegszeit.
Kritik: Geschichtsstunde light
Familiensaga und Dokumentation vermischen sich zu einem Zeitbild, das zwar viel an Historischen zeigt, aber nicht viel Neues erzählt, meint Meine Filmwelt-Kritikerin Ines Walk. Wie bei Forrest Gump sind die sechs Protagonisten bei den großen Ereignisse der Zeit dabei: Sie räumen Trümmer weg, ein amerikanisches Flugzeug stürzt ab, das Geld wird getauscht. Dokumentar-Aufnahmen der Zeit wechseln sich nahtlos ab mit der Fiktion und so wird die Geschichte der Helden um die vorhandene Aufnahmen gebaut. Genauso ist es gewesen in Berlin, damals, sagen uns die Filmemacher, nur war es bestimmt anders. Authentizität kann nicht mit alten Filmaufnahmen erkauft werden und schon gar nicht mit onkelhaften und lehrbuchartigen Off-Kommentaren.
Die Filmemacher verdienen großes Lob für die formale Umsetzung der Geschichte, etwa die Szenenbildner. Was sie an Trümmern zusammengekarrt und an Gegenstände gesammelt haben, verdient Hochachtung. Die Montage der Bilder überzeugt, weil die Übergänge zwischen den verschiedensten Aufnahmen überaus flüssig sind und sich sehr unaufdringlich in die Geschichte einfügen. Nur in der Fiktion sind die Gesichter der Protagonisten dann doch ziemlich fernsehglatt, zu schön, sauber und adrett, um wahr zu sein. Das Casting allerdings ist hervorragend: Alle jungen Darsteller sind bestens besetzt. Und geschickt haben die Drehbuchautoren die Geschichte entworfen, denn wer den 1. Teil gesehen hat, will bestimmt wissen, warum die Hochzeit zwischen den Kindern der beiden Freundes-Paare Bernd und Lotte sowie Jakob und Silke in der Silvesternacht 1989 nicht stattfindet.
Große Fragen, die auf Antworten warten
Die Wölfe versucht nichts Geringes als die Frage zu beantworten: Kann ein jeder sein Schicksal in die eigene Hand nehmen? Durch was werden wir, was wir sind? In Teil 1 sahen wir in gewisser Weise die Grundierung einer Person, ihre Prägungen, ihre Sozialisation. In den nächsten beiden Filmen werden wir sehen, ob aus den jungen Leuten das wird, was bereits angelegt ist, denn es kommen noch Ereignisse, die Leben verändern: Der Bau der Berliner Mauer und der Fall derselben. Forrest Gump tat in seinem tiefsten Kern so, als wären die Menschen Herr über ihr Schicksal und im Zweifelsfall an ihrem Scheitern selber schuld. Anders Die Wölfe: Hier denken die Macher, dass der Weg, den jemand geht, bereits früh angelegt wird und wir wegen der Welt um uns rum wenig selbst entscheiden können.
Wir bleiben gespannt, wie sich der Weg der sechs Helden weiterentwickelt. Am Montag und am Dienstag ist dies wieder bei ZDF zu sehen. Was meint Ihr? Schaut Ihr auch die anderen Teile? Hier könnt Ihr den Film Die Wölfe ebenfalls kommentieren.