Darüber hat sich Mave 2014 aufgeregt

03.01.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Til Schweiger und Mave sind die Gebrüder Grimmig.
Warner Bros./moviepilot
Til Schweiger und Mave sind die Gebrüder Grimmig.
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Der erste Aufreger des Jahres blickt zurück auf die unangenehmeren Auswüchse des Film- und Fernsehgeschäfts 2014. Willkommen zur ersten Ausgabe von Maves Aufreger der Woche: ein Rückblick, ein Überblick und in gewisser Weise eine Vorstellung.

Ab jetzt weht hier ein anderer Wind. Im Endeffekt kommt er zwar aus derselben Richtung, riecht aber anders. Was ich damit sagen will: Mir wurde die ehrenvolle Aufgabe übertragen, meinem "Hass freien Lauf" zu lassen (um es mit dem Imperator zu halten). Das klingt schlimmer, als es ist. Hass ist eigentlich auch ein zu starkes Wort für das, was ich hier allwöchentlich plane. Anger Management Problems trifft die Sache vielleicht besser. Bei vielen Ereignissen, Aussagen oder Entscheidungen fällt es mir sehr schwer, ruhig zu bleiben. Das Schöne daran ist: Hier darf (nein, muss!) ich mich aufregen.

Begonnen hatte guggenheim, dann hat goodspeed diese Aufgabe gewissenhaft ausgeübt und beide haben ihre Sache dabei meiner Meinung nach sehr gut gemacht. Mir ist bewusst, dass ich hier in große Fußstapfen trete und hoffe, sie halbwegs angemessen ausfüllen zu können. Habt Geduld mit mir oder regt euch über meine Meinung auf: Aller Anfang ist schwer und dies ist mein erster Aufreger. Aber keine Sorge, im Aufregen habe ich Erfahrung. Damit ihr ungefähr erahnen könnt, was euch an dieser Stelle in Zukunft erwartet, bzw. worüber ich mich normalerweise so echauffiere, starten wir mit einem der momentan so beliebten Jahresrückblicke.

Honig im Internet-Topf

Es begab sich vor gar nicht allzu langer Zeit, dass Film-Bewertungsportale wie moviepilot.de einen enormen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen konnten. An sich ist das ein Grund zur Freude, allerdings haben all diese vielen neuen Mitglieder nur einen einzigen Film bewertet: Til Schweigers Honig im Kopf. Wie der Zufall so spielt, haben sie den Film alle mit der Höchstwertung bedacht und hatten dementsprechend auch ausschließlich lobende Worte für die rührselige Familienkomödie übrig. Seltsam allerdings, dass ein Großteil der positiven Kritiken auf Englisch oder Russisch verfasst wurde - bei einem deutschsprachigen Film, der bisher nirgendwo auf Englisch oder Russisch zu sehen war.

Da frage ich mich schon, wie blöd Til Schweiger eigentlich ist - beziehungsweise für wie blöd er die Menschen generell hält. Wenn diese Bewertungen nicht gekauft sind, fresse ich einen Besen.  Sicherlich, vielleicht weiß Til "neues Tatort-Intro" Schweiger persönlich nichts von alldem und irgendein Filmagentur-Strippenzieher hat das hinter seinem Rücken in Auftrag gegeben. Das kann schon sein. Es passt aber einfach zu gut zu dem sonstigen Gebaren des Mannes, der seinen eigenen Filmpreis schaffen wollte, damit er auch mal einen bekommt. Zu dem Regisseur und Schauspieler, der den Medien seine Filme nicht mehr vor Kinostart präsentieren will, weil sie schlechte Kritiken bekommen (könnten).

Das Schöne daran ist, dass Internet-Seiten wie diese hier mittlerweile eine große Bedeutung erlangt haben, wenn es darum geht, sich ein Bild davon zu machen, wie mir ein Film gefallen könnte. Das System beruht jedoch auf der Meinung vieler einzelner Menschen und wird durch solche Attacken aufs Schändlichste missbraucht und unterwandert. Bei einer lebendigen, aktiven Community fallen solche Voting-Armeen zum Glück schnell auf und es kann reagiert werden - zum Beispiel durch Sperrung bestimmter IP-Adressen. Anderswo funktioniert die Selbstreinigung nicht so gut. Dort im Speziellen, aber auch im Allgemeinen sind wir als Konsumenten gefragt, unseren Hirnschmalz anzustrengen und nicht sofort alles zu glauben, nur weil es im Internet steht.

Apropos: Der berühmte Oscar-Selfie von Ellen DeGeneres stellt eine etwas gelungenere Art und Weise des viralen Marketings im Jahr 2014 dar, sorgte aber trotzdem für viel Aufruhr. Samsung hat angeblich 20 Millionen US-Dollar dafür investiert, das neue Smartphone-Produkt so prominent zu platzieren. Auch wenn durch die Twitter-Kampagne Geld für wohltätige Zwecke gesammelt wurde, erscheinen die Academy Awards durch solche und ähnliche Aktionen in einem immer unglaubwürdigeren Licht.

War Games

Aber nicht nur Marketing-Genies wissen das Internet für ihre Zwecke zu nutzen. Wir haben vor Kurzem im Zuge des Sony-Hacks und der darauf folgenden Drohungen vielleicht den ersten mehr oder weniger öffentlich ausgetragenen Cyber-Krieg erlebt. Kurz nach dem großen, desaströsen Sony-Hack gibt es Anschlags-Drohungen, sollte der Nordkorea-kritische The Interview wie geplant in den Kinos starten. Ich dachte immer, die USA würde mit Terroristen nicht verhandeln. Aber auch wenn ich schlimm finde, sich solchen Subjekten zu beugen, kann ich verstehen, dass der Filmstart abgeblasen wurde. Menschenleben sollte ein Kinostart nicht gefährden.

Dann hat Nordkorea aber urplötzlich einfach mal kein Internet mehr.  Das muss man sich mal vorstellen: Irgendjemand schaltet einem ganzen Land mehrfach das Internet ab, einfach so, und nicht nur für ein paar Minuten. Kurz danach heißt es, dass The Interview doch gezeigt wird - kostenlos online und in ausgewählten Kinos. Wie kann das sein? Was ist aus den Anschlägen geworden? Die Lage scheint sich seltsamerweise plötzlich total entspannt zu haben - von ganz allein. Das wirklich Aufregenswerte daran ist, dass sich Menschen über Kunst so echauffieren können, dass sie bereit sind, anderen deswegen Schaden zuzufügen.


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