Expendables 3 – ein Desaster zwischen Leak & Logik

13.08.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
The Expendables 3
Splendid/Twentieth Century Fox
The Expendables 3
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Der vorzeitig in Internettauschbörsen gelangte dritte Teil der Expendables-Reihe könnte dem Studio hohe Umsatzeinbußen bescheren – folglich läuft deren Krisenmanagement auf Hochtouren. Notizen zum Fiasko, oder: How to (not) ruin a Blockbuster.

(1) The Expendables 3 ist die Fortsetzung von The Expendables 2, der eine Fortsetzung von The Expendables 1 ist. In den Kinos spielten die ersten beiden Filme weltweit rund 580 Millionen US-Dollar ein, exklusive nachfolgender Auswertung auf internationalen Videomärkten, dem Verkauf der Fernsehrechte sowie anderweitiger Lizenzeinnahmen. An diesem Projekt wurde bislang gut verdient.

(2) The Expendables 3 ist der erste Hollywood-Blockbuster seit fünf Jahren, der in Form einer digitalen Kopie bereits vor dem offiziellen Kinostart durch Tauschbörsen des Internets geistert. Im Gegensatz zum Franchise-Abkömmling X-Men Origins: Wolverine, dem es 2009 ähnlich erging, soll die illegal verbreitete Version von The Expendables 3 den Film vollständig und in DVD-Qualität abbilden.

(3) Nach Angaben des Vertriebsstudios Lionsgate Films beziehungsweise deren antipiracy executive Robert Wenokur sei The Expendables 3 bereits deutlich mehr als zwei Millionen Mal herunter geladen worden, ebenso widerrechtliche Streaming-Angebote noch nicht einberechnet. Für die unerlaubte Bereitstellung des Films wurden US-amerikanische Filehosting-Dienste und Torrent-Websites vom Rechteinhaber zunächst angeschrieben und schließlich verklagt.

(4a) Auf der Filmpremiere in London äußerte Sylvester Stallone, Filmpate und kreativer Motor der Expendables, sein Bedauern über den Vorfall. Er würde weniger ihm selbst, als vielmehr tausenden von Leuten schaden, die nun keine Filme mehr drehen könnten und viel Geld verloren hätten. Es ist nicht unklug, das so zu formulieren.

(4b) Co-Star Kellan Lutz sieht die Sache ungleich entspannter und verweist auf die Attraktionsstätte Kino. Dort würden letztlich auch jene Zuschauer den Film noch einmal sehen wollen, die sich vorerst mit Downloads desselbigen begnügen. Denn schließlich seien die amüsanten One-Liner auf kleinen iPads oder Computern ohnehin nicht mehr zu hören…

(5) Aufgrund strikter Reglements zur Vorbeugung ebensolcher Missstände könne der mutmaßliche Übeltäter nur ein Mitarbeiter des Studios oder einer für den letzten Feinschliff des Films zuständigen Postproduktionsfirma sein. Obwohl das den Kreis der Verdächtigen erheblich einschränkt, ist der Verantwortliche des Leaks bisher nicht gefunden.

(6a) Die mit Hollywood-Systematiken vertraute Mannheimer Filmemacherin Lexi Alexander, zeitweilige Regieanwärterin für das Franchise-Spinoff ExpendaBelles, bezeichnete das Studiovorgehen als MPAA-Propaganda. In ihrem Blog-, der sich regelmäßig um die Handhabung von Filmpiraterie dreht, wertete sie den Vorfall als eine Art proletarischen Widerstand. So könne etwa einer der vielen schlecht bezahlten und unschön behandelten Assistenten den Leak anonym initiiert haben, um despotischen Vorgesetzten eins auszuwischen.

(6b) Rachegelüste sind nicht das originellste Motiv für die illegale Bereitstellung eines Kinofilms. Aber es rückt die Dinge zumindest ins Verhältnis: Keinem unrechtmäßigen Hobby-Uploader ist es bisher gelungen, eine Quelle vergleichbaren Ausmaßes auftreiben und vorzeitig in Tauschbörsen anbieten zu können. Und auch keinem Journalisten, der vor jeder größeren Pressevorführung Sperrfristen unterschreiben sowie elektronische Geräte und Taschen abgeben muss, bevor er doppelt und dreifach gefilzt das Kino betreten darf.

(6c) Alle Verantwortung liegt also im Produktionsapparat selbst. Das macht die Schadensbegrenzungsversuche von Lionsgate Films nicht weniger selbstverständlich nachvollziehbar. Aber sie berühren eben nicht das Problem, sondern nur dessen Auswirkung (und damit einmal mehr den Diskurs über digitale Verfügbarkeit und Urheberrecht).

(7) Die ersten Gratisfanmeinungen zu The Expendables 3 sind einigermaßen vernichtend, vorrangig steht die für das PG-13-Rating zurückgeschraubte Gewaltdarstellung im Fokus der Kritik. Ironischerweise soll der Film ausgerechnet getreu dieser Logik noch mehr Geld einspielen als seine Vorgänger, so die niedrigere Freigabe allein Sache kommerzieller Erwägungen ist (auf DVD und Blu-ray wird eine längere R-Rated-Fassung nachgereicht…).

(8) Ob The Expendables 3 als durch Filmpiraterie ruinierter Blockbuster in die Box-Office-Geschichte eingehen wird, kann bislang nur gemutmaßt werden. Nicht validierten Untersuchungen der Carnegie Mellon University in Pittsburgh zufolge würden Leaks vor Kinostart zu Umsatzeinbußen von durchschnittlich 19 Prozent führen.

(9) Indirekt könnte die Auswertung des Films dadurch zu einem unfreiwilligen Mainstream-Probelauf jüngerer Verwertungspraktiken gerinnen. Noch ist die Day-and-Date-Release genannte Veröffentlichungsprozedur parallel im Kino und als Video-on-Demand verfügbarer Filme auf Independent-Produktionen beschränkt. Sollte sich The Expendables 3 trotz millionenfacher Downloads als finanzieller Erfolg auf dem Niveau der Vorgänger erweisen, würde dies auch einer bestimmten Argumentationspraxis Vorschub leisten.

(10) Wahre Fans lassen sich erst zum Kinostart enttäuschen! (moviepilot-User Cinepheel)


Als Mr. Vincent Vega meint es Rajko Burchardt gut mit den Menschen. Wenn er nicht gerade auf moviepilot fern sieht oder seine Filmecke pflegt, schreibt er Kinokritiken und zwitschert auch gelegentlich vor sich hin.

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