Happy! - Die blutige Serien-Alternative zum Avengers-Wochenende

27.04.2018 - 15:40 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Happy!Syfy
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Happy! ist auf Netflix gestartet und schickt ein blaues und immer frohes Cartoon-Einhorn in eine hyperbrutale Welt voller Sex und Gewalt. Ob das funktioniert, erfahrt ihr in unserem Serien-Check.

Update: Dieser Serien-Check erschien bereits am 08.12.2017 zur Erstausstrahlung in den USA auf Syfy. Zum Start von Happy! auf Netflix in Deutschland haben wir den Text für euch aufgehübscht und aufgefrischt.

Adaptionen von Comicvorlagen überfluten die Kinosäle und die TV-Bildschirme. Abseits von Marvel- und DC-Superhelden treten auch Verfilmungen von Comics für Erwachsene immer häufiger in Erscheinung. So konnten Umsetzungen wie The Walking Dead, Preacher oder Outcast Fans um sich scharen. Eine Besonderheit stellt nun die neue Serie Happy! des Senders Syfy dar, der zuletzt den Comic Wynonna Earp als Serie umsetzte. Doch im Gegensatz zu vielen Serien, die auf Graphic Novels basieren, besteht das Ausgangsmaterial von Autor Grant Morrison und Darick Robertson aus gerade einmal vier Heften, die hier zu einer 8-teiligen 1. Staffel aufbereitet werden.

Hinter dem Serienprojekt stecken sowohl Happy!-Schöpfer Morrison als auch Filmemacher Brian Taylor, der zudem die Regie für die Pilotfolge übernahm. Taylor sollte dem geneigten Genrefan als ein Teil des Regie-Duos Neveldine and Taylor bekannt sein, das bereits mit den Crank-Filmen, Gamer und Ghost Rider: Spirit of Vengeance seinen eigenwilligen Stil präsentierte. Nun nahm sich Taylor der bereits düster-abgedrehten Vorlage von Happy! an, um diese noch irrer und überdrehter für das Format Serie zu transponieren.

Ein düsterer Action-Thriller und ein Cartoon-Pferdchen

Obwohl das Weihnachtsfest kurz bevorsteht, schafft es die reichhaltige Festtagsbeleuchtung nicht die düsteren Straßen von New York zu erhellen. Denn in dieser Stadt regieren Mafia- und Gangsterbosse die verschneiten Häuserschluchten und wenn ein als Weihnachtsmann verkleideter Serienkiller kleine Kinder entführt, dann interessiert das die eigentlichen Ordnungshüter recht wenig. Von dieser depressiven Stimmung gezeichnet, bekommen wir den abgehalfterten und ewig narkotisierten Auftragskiller und ehemaligen Detective Nick Sax als Hauptfigur vorgesetzt. Doch bereits die Eröffnungssequenz verrät uns, dass wir uns definitiv nicht in einem typischen Neo-Noir-Gangster-Thriller befinden. Denn nach einem erschöpften und sich nach dem Tod sehnenden Blick in den Spiegel schießt sich Nick Sax mit zwei Pistolen in den Kopf.

Und wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein blaues Einhorn her

Fontänenartig spritzt das Blut aus seinem Kopf, während sich der Raum um ihn herum in eine Disco verwandelt. Immer noch Blut aus dem Kopf schießend tanzt Nick mit ein paar Tänzern zu einer trashigen Jingle-Bells-Funk-Nummer im Licht der Discokugel. Natürlich handelt es sich nur um eine Traumsequenz, doch hier bekommen wir direkt den Wahnsinn von Happy! und Nicks Gedankenwelt vorgelegt. Zurück in der Tristesse von New York widmet sich Nick Sax seinem nächsten Auftrag, dem Mord an drei Mafia-Brüdern. Doch als Nick noch einen vierten und nicht auf der Abschussliste stehenden Bruder tötet, der ihm vor seinem Tod ein geheimnisvolles Passwort verrät, beginnt das Plotgetriebe seinen Lauf zu nehmen und Nick steht plötzlich auf der Fahndungsliste der ganzen Unterwelt von New York. Jedoch erleidet er prompt einen Herzinfarkt und findet sich in einem Krankenwagen wieder. Dem Tod gerade von der Schippe gesprungen, tanzt sich plötzlich ein kleines fliegendes blaues Pferdchen mit dem Namen Happy in sein Blickfeld, das dringend seine Hilfe benötigt. Denn das kleine Mädchen, das sich den imaginären Freund ausgedacht hat, wurde von Very Bad Santa entführt und einzig der empathielose Nick kann es retten.

"My life is an ever-swirling toilet that just won't flush." - Nick Sax

Jede Serie braucht einen Christopher Meloni

Gesprochen von Comedian Patton Oswalt bietet das kleine singende CGI-Einhorn mit seiner unumstößlich positiven Art das perfekte Gegenstück zu dem trübsinnigen Pessimisten Nick. Leider zündet das cartoonige Gagfeuerwerk des geflügelten Pferdes in der ersten Episode noch nicht so richtig. Denn das absolute Highlight des Piloten ist und bleibt Christopher Meloni als Nick Sax. So mancher Verschwörungstheoretiker könnte glauben, dass der ehemalige Law and Order-Darsteller hier eine dystopische Zukunftsvision seiner Figur Elliot Stabler darstellt, der nach seiner Polizeikarriere zum Auftragsmörder umgeschult hat. In der Masse an ramponierten und seelisch gebeutelten Männerfiguren in der Serienwelt könnte Nick Sax der nächste große Breakout-Star werden. Denn Melonis Antiheld ist mit einer Art so so dreist sympathisch, dass er das Wunschkind von Deadpool und John Wick sein könnte. In jeder noch so ausweglosen und dramatischen Situation hat Sax stets einen patzigen Spruch auf Lager - selbst wenn gerade ein psychotischer Arzt dabei ist, Nicks Gemächt in kleine Scheibchen schneiden zu wollen.
Nick Sax und ein ungewöhnlicher Humor

Schon nach wenigen Minuten sollte jedem Zuschauer klar sein, ob Happy! sein Cup of Tea ist, denn die Serie richtet sich bewusst an eine bestimmte Zielgruppe. Brian Taylors Handschrift ist in der ersten Episode deutlich zu erkennen. Mit blutigen und extrem gewalttätigen Kampfszenen, krudem Humor und totaler Abgedrehtheit wirkt Happy! wie eine Mischung aus Crank und Falsches Spiel mit Roger Rabbit. So haben Nick Sax und Chev Chelios einiges gemeinsam. Nur Sax hat als unsterblich wirkende Ein-Mann-Armee noch mehr Style, wenn er mit Leichtigkeit seine Gegnerhorden umnietet, wie es nur ein John Wick oder Bryan Mills könnte. Auch in der Bildsprache lässt sich der Einfluss von Brian Taylors vorherigen Werken nicht verleugnen. Mit zahlreichen POV-Einstellungen, aufgeregter Handkamera und Weitwinkel-Bildern wird uns die Surrealität der Geschehnisse auf hyperstilisierte Art näher gebracht.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Der beliebte Ausdruck Style over Substance kommt leider auch bei Happy! zum Tragen. Obwohl die Serie versucht mit blutigem Over-the-Top-Irrwitz zu punkten, bleiben Charaktere und Plot etwas auf der Srecke. Besonders an interessanten Charakteren mangelt es in der Pilotfolge und so bleibt unsere ganze Aufmerksamkeit vorerst bei Nick Sax und seinem imaginären Flugpferd. Auch über einen genretypischen Action-Thriller-Plot scheint Happy! derzeit noch nicht hinauszuwachsen. So haben wir einen miesgelaunten und am Leben desinteressierten Hauptcharakter, der eine Heldentat vollbringen und die Freude am Leben wiederfinden muss, während er von korrupten Polizisten und Gangstern gejagt wird. Dieses Problem ergibt sich schon aus der Comicvorlage heraus, in der jedoch mit selbstreferentiellem Humor auf die stereotypen Handlung eingegangen wird. Auch Happy selbst verkommt in der Pilotfolge zu einem Plotdevice, um den Protagonisten auf seine Mission zu schicken.

Nichtsdestotrotz weiß Happy! seine Stärken auszuspielen, die die Probleme leicht vergessen machen. Denn mit Blut, Gewalt, Sex und Humor werden hier die Grenzen der Sehgewohnheiten überschritten und machen Happy! zu einem einzigartigen und visuell beeindruckenden Serienhighlight, das sich vor den ähnlich stilisierten Extrem-Serien Preacher, Ash vs. Evil Dead und American Gods nicht zu verstecken braucht. Besonders Christopher Meloni schafft es die Serie auf ein neues Level zu befördern und ist wieder einmal ein Beweis dafür, dass männliche Schauspieler über 50 derzeit das Action-Thriller-Genre in eine Renaissance führen.

Macht Lust auf mehr

In den weiteren 7 Folgen entfernt sich Happy! zunehmend von Comicvorlage und lernt auf eigenen Beinen zu stehen. So endet bereits die erste Folge mit dem überraschenden Wendepunkt des Graphic Novels, was zu einer interessanten Richtungsänderung führt. Wieder einmal beweist Syfy, dass der Sender noch viel mehr zu bieten hat als Sharknado und Co. Auch wenn Happy! sein Level an kurioser Action-Unterhaltung nicht über alle Episoden halten kann, erwartet euch ein kurzweiliger und wilder Ritt, der garantiert einige sehr verstörende Überraschungen in Petto hat. Wer also blutige und total überdrehte Action-Ablenkung von den jugendfreien Superheldenschlachten der Avengers braucht, sollte den Abenteuern von Nick und seinem blauen Mini-Einhorn eine Chance geben.

Die 1. Staffel von Happy! ist seit dem 26.04.2018 komplett auf Netflix verfügbar. Als Grundlage für diesen Serien-Check diente die 1. Episode.

Habt ihr Happy! schon gebingt?

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