In 5 Schritten zum... Helmut Käutner-Experten

13.01.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
In 5 Schritten zum...
Arthaus/ Universum/ <a href="http://www.gahetna.nl/over-ons/open-data">Nationaal Archief Fotocollectie Anefo</a> (<a href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/nl/deed.en">CC BY-SA 3.0 NL</a>)
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Manchmal braucht es einen hundertsten Geburtstag, damit ein Künstler seine verdiente Wiederentdeckung erfährt. Eben dies geschah 2008 mit dem Werk von Helmut Käutner, für das wir euch heute eine kleine Anleitung bereitstellen.

Vom poetischem Realismus aus Frankreich bis hin zu Film noir und Screwball-Komödien aus Hollywood: Die umfangreiche Filmografie von Helmut Käutner wartet mit einem Schatz aus stilistischen Einflüssen auf, die wir so im deutschen Kino der 40er und 50er Jahre nicht erwartet hätten. Zwischen den Genre-Exkursionen bewahrte Käutner seinen Filmen eine unverkennbare, humanistische Stimme, die sich auch – oder gerade – in jenen Werken Gehör verschafft, die er während der Nazi-Zeit drehte. Allen, die nach einem Einstieg ins deutsche Kino zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Wirtschaftswunder dürsten, sei das vielseitige Schaffen des 1980 verstorbenen Regisseurs Helmut Käutner wärmstens empfohlen.

Warum ausgerechnet… Helmut Käutner?
Zum 100. Geburtstag Helmut Käutners 2008 füllten bewundernde Verneigungen das deutsche Feuilleton. Obwohl Käutner dank Schulunterricht-affiner Werke wie Kleider machen Leute, Der Hauptmann von Köpenick oder Des Teufels General nicht ganz vergessen war, warteten seine Regiearbeiten darauf, dass endlich jemand kommt und den erstickenden Mief von Papas Kino lüftet. Das geschah 2008 teilweise, aber die prekäre Veröffentlichungssituation deutet an, wie viele Entdeckungen noch auf eine angemessene Würdigung warten.

Bevor er sich be- und entfremdet vom Neuen Deutschen Film in Fernsehen und Theater zurückzog, arbeitete Helmut Käutner knapp drei Jahrzehnte im Kino, die meiste Zeit als Teil einer Filmindustrie, die sich schnell von der unmittelbaren Vergangenheit abwandte und deswegen gern auf eskapistisches Almgedudel reduziert wird. Dabei gehörte Käutner zu jenen Regisseuren, welche die kommerziellen Zwänge ihrer Produktionsumstände mit einem teils bitteren Blick auf die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft verbanden. Formal versiert schon seit seinem Debüt Kitty und die Weltkonferenz (1939), zeichnen sich Käutners Filme durch ausgefeilte Plansequenzen, das Spiel mit Licht, Schatten und Farben sowie ausgedehnten Überblendungen aus, welche die Grenzen zwischen Realität und Traum, Gegenwart und Erinnerung oft verschwimmen lassen.

Der perfekte Einstieg… ins Werk von Helmut Käutner
Die große, irgendwie steckengebliebene Wiederentdeckung von Helmut Käutner fokussierte sich 2008 vor allem auf einen Film: Unter den Brücken. Der dient als hervorragende Einstiegsdroge in das 36 Spielfilme und diverse Fernsehproduktionen umfassende Werk Käutners. Gedreht zwischen Mai und Oktober 1944, wendet sich Unter den Brücken vom Studio-Pomp des Dritten Reichs ab und erzählt von zwei Schiffern, die auf ihrem Kahn von Stadt zu Stadt fahren und eines Tages eine angehende Selbstmörderin aufnehmen. Beide verlieben sich in die Verzweifelte und stellen sie vor die Entscheidung: Wen liebt sie? Einer konventionellen Dreiecksgeschichte geht Käutner in diesem virtuos, aber zugleich sanft inszeniertem Drama aus dem Weg, das häufig mit den Filmen von Jean Vigo und Jean Renoir verglichen wird. Einer der schönsten deutschen Filme überhaupt, verpflichtet sich Unter dem Brücken keiner Ideologie, keinem Staat oder Reich, sondern nur dem von verträumten Lichtern und Schatten umspielten Individuum auf der Suche nach dem Glück.

In drei Filmen zur Spitze
Unter den Brücken und andere Regiearbeiten Helmut Käutners porträtieren ihre Helden und Heldinnen im Kampf mit gesellschaftlichen Zwängen, denen sie nicht selten unterliegen. Sein Meisterwerk Romanze in Moll (1943) beginnt mit einem biederen Ehemann, der eines Abends nach Hause kommt, übers Kartenspiel schwatzt, sich umkleidet und die ganze Zeit nicht bemerkt, dass seine Gattin auf dem Bett im Sterben liegt. Sie hat sich absichtlich vergiftet. In Flashbacks erzählt das Melodram von einer traurigen Romanze und einer Frau, die es einfach nicht schafft, sich aus ihrem bürgerlichen Gefängnis zu befreien. Mit diesem hadert auch Hans Albers als erfahrener Seemann und Entertainer im Farbfilm Große Freiheit Nr. 7 (1944), der sich an Land verliebt, aber nicht lassen kann von der Ungebundenheit, der Freiheit und vor allem dem Meer. Käutner nähert sich dem frivolen Treiben der Reeperbahn mit einer für ihn typischen, dynamischen Kameraarbeit, welche die göttlich glänzenden, blauen Augen von Hans Albers als ihren größten Schauwert herausstellt.

Dass Käutner weder dieser auffällige Stilwille noch die Themen nach dem Krieg verloren gingen, beweist seine 1957 entstandene Tragödie Monpti, die als spritzige Meta-RomCom à la Die Zürcher Verlobung beginnt und wie so oft bei Käutner einen Künstler als männliche Hauptfigur wählt. Da sitzt der Regisseur, der gern auch als Schauspieler auftrat, in den ersten Minuten in einem Pariser Café und erzählt uns Zuschauern von einer Liebesgeschichte, deren Zeuge wir gleich werden. Hilfsbereit weist er darauf hin, dass wir sie synchronisiert sehen. Es kann ja schließlich nicht jeder Französisch. Auf die teils sarkastische, teils tieftraurige Erkundung moderner Beziehungen und ihrer Fallstricke mitsamt einer grandiosen Traumsequenz und bezaubernder Jungstars (Romy Schneider und Horst Buchholz) bereitet er uns allerdings nicht vor.

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