LOST RIVER - Kritik & Analyse

01.06.2015 - 00:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Filmanalyse Lost Rivermoviepilot
Wolfgang M. Schmitt jun. widerspricht in seiner Filmanalyse den Kritikern, die Ryan Goslings Lost River lautstark verrissen haben.

Hätte Ryan Gosling einen 160-minütigen Film mit Handkamera über einen anatolischen Ziegenhirten, der sich in eine blinde kurdische Imkerin verliebt, gedreht, wären ihm hymnische Kritiken und viele Preise gewiss gewesen. Doch es kam anders: Lost River wurde verrissen, ausgelacht und ausgebuht wie kein anderer Film in den letzten Jahren. In beinahe jeder dieser Kritiken scheint eine Häme durch, die sich nicht gegen das Werk, sondern gegen Ryan Gosling als Person richtet. Woher rührt dieser Hass? Sieht Ryan Gosling zu gut aus? Hat er Eva Mendes nicht verdient? Ist seine Leinwandpräsenz zu präsent? Gosling setzt in Lost River auf große Bilder und erzählt auf phantastische Weise ein soziales Drama in einem vom Finanzmarktkapitalismus im Stich gelassenen Niemandsland. Es sind Bilder von enormer Schönheit, von einer beeindruckenden Intensität – vergessen wird man das alles nicht so schnell. Dabei aber ist Lost River nicht bloß ein Bilderrausch, der, wie viele Kritiker meinten, leer bleibt.

Die verlassene Stadt steht natürlich für Detroit, wo in den letzten Jahren etwas so Unglaubliches geschah, dass man erst einmal einen Weg finden muss, diese Wirklichkeit, die sich selbst schon als Fiktion aufzuführen scheint, wieder in Fiktion zu überführen. Gosling greift dafür auf die Bilder und Pathosformeln der Filmgeschichte zurück. Die Bildwelten erinnern, das nahm man dem Regisseur besonders übel, an die Filme von David Lynch und Nicolas Winding Refn (übrigens hat man Refn ja auch schon oft vorgeworfen, dass er nur Lynch zitiere), doch muß gefragt werden, warum Gosling gerade Lynch so obsessiv zitiert. Lynchs Werk ist im Prinzip die Verfilmung von Freuds Erkenntnis, dass das „Ich nicht Herr im eigenen Hause ist“. Gosling überträgt dies nun buchstäblich, indem er die Geschichte von Menschen erzählt, die aufgrund der Immobilienkrise ihre Häuser verlieren, nicht länger Herren im eigenen Hause sind.

Lost River ist ein starker, anklagender Film mit hervorragenden Schauspielern, so spielen zum Beispiel Saoirse Ronan und Iain de Caestecker auf sehr berührende Weise ein außergewöhnliches Liebespaar. Gosling hat mit seinem Regiedebüt sehr viel Mut bewiesen, hoffentlich arbeitet weiter als Regisseur; haben wir den Mut, uns diesem Film zu stellen.

Mehr dazu im Video!

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News