Wie der Politiker Roland Koch versucht, das ZDF zu manipulieren

23.11.2009 - 12:12 Uhr
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Die Affäre um den anstehenden Rauswurf des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender durch Ministerpräsident Roland Koch droht zur Demokratiekrise zu werden

Einen “hoch explosiven medienpolitischen Streitfall” nennt es die Welt, einen “Prüfstein für die Rundfunkfreiheit” die empörten Juristen. 35 prominente Verfassungsrechtler haben sich in der FAS zusammengetan, um gegen etwas zu protestieren, was uns alle als Konsumenten des deutschen Fernsehens angeht: Hessens Ministerpräsident Roland Koch nutzt augenscheinlich dieser Tage seine politische Macht, um den beliebten ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hinauszukatapultieren. Brender, der seit neun Jahren die Ressorts Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur im Zweiten Deutschen Fernsehen leitet, sei dafür verantwortlich, dass die Quoten der ZDF-Nachrichten zurückgingen, meint Koch. Alles Quatsch, sagen die Verfechter des Journalisten, unter anderem sein Chef, ZDF-Intendant Markus Schächter. Brender leiste seit Jahren einen hervorragenden Job. Dass er nun seinen Job verlöre, liege an der parteipolitischen Einflussnahme durch die CDU in Form des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Kochs.

Roland Koch ist nicht nur der hessische Regierungschef, sondern auch Vizevorsitzender im ZDf-Verwaltungsrat. Dieser will nun am Freitag bei seiner Sitzung verhindern, dass Brenders Arbeitsvertrag nach dem 1. April 2010 verlängert werde. Und dagegen bäumen sich nun seit einem offenen Brief der FAS einige Medienrechtler auf. Brenders Arbeit sei hervorragend, Roland Koch wolle einen Journalisten hinauswerfen, der sich gegen parteipolitische Einflussnahme verwehrt, der seinen Job selbstbewusst erfüllt, ohne sich CDU-Vorgaben zu beugen. “Was geschieht, wenn es die Garantie der Staatsfreiheit nicht gibt, wird uns derzeit am Beispiel anderer europäischer Staaten vor Augen geführt”, warnt der offene Brief mit Hinweis auf Berlusconis grotesken Machtmissbrauch in Italien.

Die Causa Brender, wie sie seit einigen Tagen durch die Zeitung geistert, droht nun, zur Demokratiefrage zu eskalieren. In welcher Medienlandschaft leben wir heute, wenn ein einzelner Machtpolitiker plötzlich seine Interessen durch Personalpolitik im Öffentlich-Rechtlichen durchsetzen kann? Wie weit sind wir im Jahr 2009, wenn ein anscheinend beliebter Journalist von einem vorgesetzten Journalisten vehement verteidigt wird, von fachfremden Parteipolitikern jedoch dennoch aus dem Amt gehievt werden kann?

“Der Einfluss der Parteien muss zurückgefahren werden”, sagen die Verfassungsrechtler, die den Artikel 5 unseres Grundgesetzes gefährdet sehen, welcher die Rundfunkfreiheit garantiert. Die nun ja wiederum einen der Grundsteine unserer Demokratie darstellt. Wie weit ist es mit diesem Artikel 5 gekommen, wenn Juristen nun klagen, es gebe ein “Krebsgeschwür” beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das beschnitten werden müsse? Zu den Unterzeichnern gehören der Mainzer Medienrechtler Dieter Dörr, langjähriges Mitglied der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, Föderalismusforscher Hans-Peter Schneider aus Hannover und Joachim Wieland von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Ihr Protest wird unterstützt von Politikern und weiteren Meinungsführern, denen Kochs Machtdiskurs bereits seit Jahren ein Dorn im Auge ist. So wie SPD-Politikerin Heide Simonis, die 2002 gemeinsam mit Wolfgang Clement den ZDF-Verwaltungsrat verließ.

“Das ist doch alles Kokolores. Koch ist im Grunde alles egal. Er sagt und macht, was er will. Ihn interessiert nicht, was Recht und was Unrecht ist”, lauten Simonis’ Worte im Interview mit der Berliner Zeitung in der heutigen Ausgabe. Erschreckende Worte, bedenkt man doch, wie sehr wir uns von italienischen Verhältnissen entfernt sahen. Und so muss auch die Bilanz des offenen Briefes einen jeden nervös machen, der sich für die Meinungsfreiheit in unserem Land stark macht: “Sollte sich herausstellen, dass letztlich ein Ministerpräsident als Meinungsführer stark genug ist, um einen bestimmten Chefredakteur zu verhindern, so würde dies einen praktischen Beleg dafür liefern, dass die zum Teil geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Zusammensetzung des Gremiums nicht unbegründet sind.”

Zuletzt wurde eine auf ein Jahr verkürzte Amtszeit von Nikolaus Brender als gesichtswahrende Lösung diskutiert.

Den offenen Brief der Verwaltungsrechtler findet ihr hier
mit den Namen aller Unterzeichnenden.

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