Heiho, heiho, wir sind vergnügt und froh...

Ach, dieser Seidl. Da dachte ich schon, ich hätte nach "Hundstage" und "Import Export" endlich einen dritten Film von ihm gefunden, der zwar in üblicher dokumentarischer Machart gedreht wurde, aber endlich wieder einmal ein lupenreiner Spielfilm ist, und dann sehe ich im Abspann, dass der Schauspieler, der die Hauptperson René Rupnik spielt... René Rupnik heißt. Ob es diesen Mann wirklich gibt? Was davon ist echt, was erfunden? Jetzt habe ich schon gedacht, ich könnte dieser bei Seidl-Filmen in vielen Fällen unvermeidlichen Frage ausnahmsweise entrinnen, aber "Der Busenfreund" hat mich eines Besseren belehrt.

Was aber in keiner Weise heißt, dass ich die Qualitäten dieses Filmes nicht zu schätzen wüsste, was sich auch bei der erneut großzügigen Bewertung zeigt. Und das, obwohl Seidl hier weder sonderlich experimentiert noch eine Geschichte erzählt, sondern mehr ein Psychogramm zeichnet, angesichts dessen man sich oft nicht sicher ist, ob man beherzt lachen oder sich nicht vielmehr dafür schämen soll. René Rupnik ist ein fünfzigjähriger Mathematiklehrer (oder spielt er ihn nur?), der mit seiner gebrechlichen Mutter in einer düsteren, vollgemüllten Wohnung lebt und eine trostlose Existenz fristet - ein Leuchten sieht man einzig in seinen Augen, wenn er über die inzwischen über siebzigjährige Schauspielerin Senta Berger spricht, die für ihn die perfekte Frau ist und die er in höchst ungesundem Maße verehrt - fast noch mehr als die weibliche Brust generell.

Diese Verehrung wird uns in mehreren langgestreckten Monologen offenbart, die Rupnik bevorzugt vor mit allerlei mathematischen Gymnasialfoltermethoden vollgemalten Schultafeln darbietet, und die ohne Zweifel das komische Element des Filmes darstellen. Ob das nun seine Sinus-Cosinus-Abhandlung mit Busen-BH-Eselsbrücke, die Beschreibung seiner vollbusigen Tante, die für ihn immer ein wundervolles Mutterleibsäquivalent war, oder aber sein Vortrag über die phonetischen Qualitäten von Wörtern wie "Weiber", "ficken" (wunderbar onomatopoetisch!) und "nageln" ist, diese abgewrackte Existenz hat ganze Kinosäle dereinst garantiert sehr gut unterhalten können.

Das Übrige allerdings - wenn man von diversen eigenartigen Natur-Nacktaufnahmen und Herrn Rupnik in einem Teetassenkarussell absieht - zeigt seinen Alltag zusammen mit seiner hilflos wirkenden, greisen Mutter in der düsteren, heruntergekommenen Wohnung, und da zeigt sich wieder der Seidl, den wir aus "Good News" und dergleichen kennen, da wird auf dieses Nest menschlichen Elends in langen Einstellungen draufgehalten, bis dem Publikum ganz anders wird. Der große Unterschied: "Der Busenfreund" ist ein Spielfilm, wenn man bei der Dauer von 60 Minuten ein Auge zudrückt. Gott sei Dank.

...ist er doch, oder? Und selbst, wenn nicht, kann man sich immerhin - im Gegensatz zum von mir in dieser Hinsicht letztens so kritisierten "Jesus, du weißt" - darauf verlassen, dass alle Beteiligten mehr oder minder wussten, worauf sie sich da eingelassen haben. Man kann höchstens argumentieren, dass man Herrn Rupnik, sollte er da draußen in dieser ungefähren Form tatsächlich irgendwo herumlaufen, ein klein wenig vor sich selbst und diesen 60 Minuten zweifelhaften Ruhmes hätte schützen können, das ist völlig legitim. Ich will ehrlich sein, ich kann gar nicht wirklich artikulieren, warum ich Seidl seinen Stil hier eher durchgehen lasse als etwa in besagtem "Jesus, du weißt", aber alles in allem fühle ich mich durch Hern Rupniks Weltsicht und Frauenbild prächtig unterhalten und durch die Aufnahmen seines Alltags abgestoßen und wohltuend verstört, und der ständige fliegende Wechsel dieser Extreme verleiht dem Film eine beachtliche Dynamik. Womit ich Seidl wieder ausreichend vertraue, um mich einigermaßen positiv gestimmt an seine "Paradies"-Trilogie heranzuwagen. Nicht, dass das jetzt gleich sofort auf der Stelle sein müsste.

Community-Meinung zu Der Busenfreund