22 Bahnen-Autorin Caroline Wahl über den Weg vom Buch zum Film, Tokio Hotel und die Windstärke 17-Verfilmung

04.09.2025 - 12:00 UhrVor 42 Minuten aktualisiert
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Mit 22 Bahnen ist Caroline Wahl ein Millionen-Bestseller gelungen, der jetzt auch die deutschen Kinos erobert. Moviepilot hat vor Kinostart mit der Autorin über den Weg vom Buch zum Film in Berlin gesprochen.

Mit ihrem Debütroman 22 Bahnen hat Caroline Wahl Millionen Leser:innen berührt. Nun begeistert ihre Geschichte auch auf der Kinoleinwand, wo Luna Wedler und Jannis Niewöhner in den Hauptrollen zu sehen sind. In dem bewegenden Drama unter der Regie von Mia Meyer steht die Studentin Tilda vor einer unmöglichen Entscheidung zwischen der Verantwortung für ihre Familie und ihren eigenen Wünschen für die Zukunft.

Im Rahmen des Kinostarts von 22 Bahnen hat Caroline Wahl der Moviepilot-Redaktion Anfang August einen Besuch abgestattet und dabei erzählt, was sie zum Schreiben ihres Bestsellers inspiriert hat, wie der Weg vom Buch zum Film abgelaufen ist und auf welche Verfilmungen ihrer Romane wir uns noch freuen dürfen.

Moviepilot: 22 Bahnen ist eine Coming of Age-Geschichte übers Erwachsenwerden, aber auch über eine tiefe Schwesternbeziehung und das Leben mit einer alkoholkranken Mutter. Warum wolltest du diese Geschichte erzählen?

Caroline Wahl: In der Zeit, in der ich den Roman geschrieben habe, habe ich in Zürich gelebt und hatte einen Kack-Job. Kurz bevor ich nach Zürich gezogen bin, hat sich der Wunsch herauskristallisiert, es doch mal zu versuchen, einen Roman zu schreiben. Ich habe es aber nicht gemacht und hatte mich stattdessen für Zürich und für die vermeintliche Verlagskarriere entschieden.

Als ich dann dort war, habe ich mich gar nicht wohl gefühlt. Der Job war doof und ich kam nicht in der Stadt an. Da dachte ich, ich nutze die Zeit trotzdem und setze mich abends und am Wochenende hin und schreibe meinen Roman von Anfang bis Ende. Und ich wollte derzeit partout nicht über mich selbst schreiben, weil ich wirklich keinen Bock hatte, mich noch mehr mit mir selbst auseinander zu setzen.

Ich habe damals gerne Romane von Angelika Klüssendorf, wie Das Mädchen, oder Alina Bronskys Scherbenpark gelesen. Die erzählen Geschichten von jungen Frauen, oder eher Mädchen, die auf den ersten Blick ganz kühl, berechnend und fast schon brutal wirken. Auf den zweiten Blick aber sowas ganz Zartes, Liebevolles, Verträumtes haben, was sie aber nicht so oft offenbaren können, weil sie schwierige familiäre Situationen haben. Und die dann trotzdem ihren Weg gehen und sich so durchboxen. Ich wollte auch so eine coole Heldin schaffen, die trotz allem ihren Weg geht und die auch so eine Ambivalenz in sich trägt. Da war Tilda sofort in meinem Kopf und dann bin ich mit ihr losgezogen. Dann kam das eine zum anderen.

Ich habe gelesen, dass du den Roman im Endeffekt innerhalb von 3 Monaten geschrieben hast. Stimmt das?

Ja. Ich glaube, wenn man in so ausweglosen Situationen ist und es einem richtig schlecht geht, kanalisiert man manchmal so ganz besondere Kräfte, weil man ausbrechen will. Also entweder man fliegt hin und es geht einem schlechter oder man sagt, “Ich nutze jetzt die Zeit”. Und ich war in so einer Kack-Situation und dachte, “Es muss irgendwas Gutes daraus entstehen. Es wäre doch ein geiler Move, aus dieser Zeit mit einem Roman auszubrechen.” Auch wenn ich natürlich nicht wirklich damit gerechnet habe. Das war mein Schutzraum, mein Ziel.

Diese Zeit mit den beiden Schwestern abends und am Wochenende war natürlich anstrengend neben dem Job. Aber das hat mir auch voll viel gegeben, weil die beiden das schaffen, trotz ihres scheiß Schicksals und im Vergleich zu mir wirklich schlimmen Startvoraussetzungen. Sie schaffen es trotz allem, ihren Weg zu gehen und auch den Blick für die schönen Dinge nicht zu verlieren. Mit den beiden habe ich den dann auch wieder zurückgewonnen.

Hast du dir beim Schreiben auch schon so ein bisschen vorgestellt, wie das ganze bildlich aussehen könnte?

Also, bei den Figuren hatte ich zum Beispiel nicht klare Bilder. Eher so ein Gefühl, wie die so sind, wie sie ticken. Dass ich, wenn ich Schauspieler sehe, sagen könnte, “Ja, das ist eine Tilda” oder “Nein, die ist zu filigran”. Aber ich habe auf jeden Fall für die Szenen immer Bilder im Kopf. Ich bin eine, die sehr viele Serien und Filme schaut und die auch sehr bildhaft denkt. Bei dem Freibad zum Beispiel, da waren immer Bilder im Kopf. Ich mag auch gerne Dialoge.

Ich glaube, ich schreibe sehr filmisch und das hat auch einen Grund. Deswegen ist es auch so geil, dass es verfilmt wird. Weil ich einfach auch so ein Film- und Serienjunkie bin und das so schön ist, dass das Buch dann so eine Umwandlung erfährt.

Das kann ich mir vorstellen. Wie ist die Verfilmung denn zustande gekommen? Wer kam da auf wen zu?

Es war erstmal so, dass Filmproduktionsfirmen Interesse gezeigt haben. Da hatte ich verschiedene Gespräche und mich dann für BerghausWöbke entschieden und dann wurde Step-by-Step entschieden, wer ins Team geholt wird. Also zuerst Drehbuchautorin, Regisseurin, dann die ganze Filmfinanzierung.

Ich durfte das ja auch zum ersten Mal miterleben und dachte dann: “Wie gut, dass du Romane schreibst”. Weil das ist so viel Verantwortung und Orga-Zeug. Als Außenstehende weiß man gar nicht, was da alles für Faktoren miteinander funktionieren müssen.

BerghausWöbke hatte sofort Feuer in den Augen, die wollten das schnell machen, die wollten auf diese Welle aufspringen. Sie meinten auch von Anfang an, sie wissen nicht, ob sie das so schnell hinkriegen, aber sie werden alles dafür tun. Dann war es mit dem Dreh und dem Wetter so knapp, denn sie brauchten warme Drehtage für die Schwimmbad-Szenen und es war schon September. Aber dann hat alles auf den letzten Drücker geklappt. Das war irgendwie auch wieder ein Zeichen, dass das alles die richtige Entscheidung war.

Wie war denn die Zusammenarbeit mit der Drehbuchautorin Elena Hell? Das stelle ich mir auch sehr schwierig vor, das eigene Buch in die Hände einer anderen Autorin abzugeben, die das nochmal umschreibt.

Das war auch das Schwierigste für mich persönlich, weil ich einfach ein Textmensch bin und man natürlich als Autorin Angst hat, dass zu viel verändert wird. Ich glaube, am meisten Angst hatte ich davor, dass die Kopfstimme von Tilda, die auch im Film verwendet wurde, und die Dialoge verändert werden oder dass die Figuren anders klingen, als ich sie im Kopf habe.

Dann hat Elena das Drehbuch geschrieben und dann habe ich es bekommen und Anmerkungen gemacht. Danach haben wir uns zusammengesetzt und nochmal näher an den Originaltext angepasst. Aber die Zusammenarbeit war natürlich auch voll spannend und was ganz Neues. Ich habe davor noch nie ein Drehbuch gesehen, wie das geschrieben wird und auf was für Sachen man achtet. Das war schön.

Wie eng hast du im weiteren Verlauf mit dem Filmteam, wie der Regie und den Schauspielenden, zusammengearbeitet?

Ich wollte früh eine Entscheidung treffen, ob ich All-In gehe oder es so ein bisschen aus der Ferne betrachte. Und da es eine sehr stressige Zeit war, mit Presseterminen, Lesungsterminen, mit Schreiben des neuen Buchs und auch weil ich dieser Filmproduktionsfirma voll vertraut habe, habe ich entschieden, dass ich nicht All-In gehe und auch nicht aktiv als Co-Autorin des Drehbuchs einsteige. Aber dann war ich doch mehr beteiligt, als ich dachte, was irgendwie schön war. Ich durfte bei den Schauspielern ein bisschen mitreden, beim Drehbuch. Da wurde sehr auf mich und meine Meinung gehört. Sie hätten auch einfach machen können, was sie wollen, aber sie wollten auch immer meine Meinung wissen. Am Set war ich auch einmal. Aber ich glaube, ich habe das schon ein bisschen abgegeben.

Ich habe aber entschieden, dass ich bei dem Roman, der jetzt erscheint, Die Assistentin, so richtig reingehen will. Da will ich mir Zeit nehmen und nicht sofort den nächsten Roman nachhauen und stattdessen beim Drehbuch als Co-Autorin einsteigen. Der Text ist mir auch sehr wichtig und ich finde das Filmbusiness einfach auch mega spannend. Da habe ich Lust, mich ein bisschen auszutoben.

Das heißt, für dein neues Buch Die Assistentin gibt es schon Verfilmungspläne?

Das geht gerade los, das ist wieder sehr aufregend. Meine Mutter sagt immer, ich soll langsam machen und auch mal genießen. Aber ich glaube, wenn man die ganze Zeit schreibt und die ganze Zeit im Gespräch bleibt, merkt man, dass das Interesse bei neuen Projekten schon viel größer ist. Ich denke immer, ich muss diese Bälle nutzen und habe Angst, das zu verpassen und genieße es dann auch.

Und es ist ja auch aufregend, wenn man selbst die eigenen Bücher direkt mit Filmproduktionsfirmen bespricht. Das ist einfach absurd. Das hätte man mir bitte sagen sollen, als ich in Zürich bei diesem Kack-Job gewesen bin, dass ich in drei Jahren in Kiel am Meer wohne und die Filmrechte von meinem dritten Buch bespreche. Ich glaube, das hätte mir gutgetan.

Und wie sieht es mit Windstärke 17 aus? Gibt es da auch schon Gespräche bezüglich einer Verfilmung?

Ja, das machen wieder BerghausWöbke und Regisseurin Mia Meyer. Das war sofort klar, als ich 22 Bahnen gesehen habe und die Zusammenarbeit einfach sehr harmonisch war, dass die wieder den Zuschlag bekommen.

Die Figuren sind in Windstärke 17 ja ein paar Jahre älter. Ist es realistisch, dass wir Luna Wedler und Co. dann auch nochmal wiedersehen?

Das weiß ich noch gar nicht, da können die ja in alle Richtungen gehen. Ich bin gespannt, was sie sich vorstellen.

Gibt es im Film Dinge, die du dir eigentlich anders vorgestellt hattest?

Zum Beispiel diese Tokio Hotel-Szene kam im Buch gar nicht vor. In den Momenten spielen Tilda und Ida im Buch immer dieses Märchenspiel und ich glaube, manche Dinge funktionieren im Filmischen dann einfach nicht so. Das fand ich voll cool, als ich das gesehen habe, weil Tokio Hotel hat mir sofort so ein Zeitgefühl vermittelt. Das Lied hat so gepasst und ich fand schön, dass die beiden Mädchen das gesungen haben. Das war eine Sache, wo ich positiv überrascht war.

Auch sonst war ich eigentlich zufrieden. Ich glaube, das Rausstreichen ist für mich immer in Ordnung, weil nicht alles rein kann. Und es war schön, dass auch die kleinen Sachen, die mir wichtig waren, zum Beispiel, wenn Tilda an den Grund taucht und hochschaut, drin waren. Auch bei der Wohnung. Das ist so absurd, dass das Filmteam dann diese Wohnung einrichtet und man sie sieht und denkt, “Ja, das passt so wie die aussieht, wie diese Stimmung dort ist”. Aber es gab nichts, wo ich dachte, “Was habt ihr denn da gemacht.”

Also auch bei so Änderungen wie dem Tokio Hotel-Song wurdest du vorher gefragt, ob das okay ist?

Ja genau, wenn so etwas ganz Neues reinkommt, wurde ich gefragt. Vorher wurde ich auch generell nach Musik gefragt, die passt. Ich habe es aber falsch verstanden und dann eine Playlist von Liedern geschickt, die ich während dem Schreiben gehört habe. Dann meinten sie, “Ja, aber die passen ja alle gar nicht in 2013”. Dann habe ich es erst gecheckt.

Dann haben sie selbst ein bisschen geguckt. Ich finde Musikauswahl bei Filmen und Serien ist das A und O. Ich bin ja auch immer die, die vor einer richtig guten Serie mit Shazam sitzt. Ich fand die Filmmusik voll geil, und das ist etwas, das ich voll abgegeben habe und dann hat es schön zu der Stimmung gepasst.

Hast du eine bestimmte Lieblingsszene im Film oder eher ganz viele?

Das klingt vielleicht doof. Aber der Moment, als die beiden Schwestern die Mutter [nach ihrem Suizidversuch] auffinden, war die Herausforderndste zum Schreiben. Wenn sie da zu dritt Hand in Hand auf die Sirenen warten, ist so ein Moment, in dem ich finde, dass man diesen 3-Personen-Haushalt irgendwie checkt. Dass sie trotz allem so zusammenhalten, bedingungslos. Das zu schreiben war das Intensivste und auch Schönste, auch wenn es scheiße klingt. Und das fand ich beim Schauen auch sehr intensiv.

Eine Frage, die mich schon beim Lesen des Romans beschäftigt hat, ist, warum es genau 22 Bahnen und nicht 23 oder 24 sind.

Das wurde ich schon oft gefragt und ich überlege inzwischen, ob ich mir noch eine krassere Theorie überlegen soll, um zu flexen. Weil ich mir gar nicht so viel dabei gedacht habe. Es war so, dass ich dachte, 20 Bahnen sind für Tilda zu random, weil jeder zweite Mensch schwimmt 10 oder 20 Bahnen. Und da sie so eine neurotische, zahlenfixierte Person ist, dachte ich, 22 ist so eine schöne Zahl. 21 ist Tilda zu ungerade und Zwei-Zwei würde der bestimmt gut gefallen.

Und warum schwimmt Viktor auch 22?

Ich glaube, die checken sofort, dass sie ähnlich ticken. Beide haben ein Päckchen mit sich zu tragen, beide finden Halt in der Naturwissenschaft und beide machen gegenüber Anderen zu. Wenn sie sich im Schwimmbad sehen, wissen sie, dass sie etwas verbindet, noch bevor sie realisieren, dass beide immer 22 Bahnen schwimmen. Die 22 Bahnen waren da sowas Schönes, was sie verbindet. Auch, dass Tilda sich erst verschließt und 23 Bahnen schwimmt und dann doch wieder zu den 22 zurückkehrt.

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22 Bahnen läuft seit dem 4. September 2025 in den deutschen Kinos.

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