Wakanda first, the World second.
Oder in der deutschen Synchro: Wakanda über alles!
In der zweiten Filmhälfte entwickelt sich "Black Panther" zu einem stark nationalistischen Film, bei dem Donald Trump wohl Beifall klatschen würde. Das hier präsentierte Wakanda hat Angst vor ohnehin problembehafteten Flüchtlingen, möchte sich von der Welt, Kriminalität und Armut abschotten und sein technologisches und medizinisches Wissen für sich behalten. Gegen Ende bekommt der Film glücklicherweise noch die Kurve und stellt klar, dass man den Donald Trumps dieser Welt nicht die politische Entscheidungsgewalt überlassen sollte. Die Midcredit-Szene in "Black Panther" ist die wohl aussagekräftigste aller Abspannszenen des bisherigen MCUs.
Politisches Feingefühl beweist der Film ebenfalls mit seinem Antagonisten Killmonger (toll: Michael B. Jordan), der glaubwürdig als Produkt und Opfer des bestehenden Systems dargestellt wird und mit terroristischen Mitteln die sozialen Misstände und das nationalistische Weltbild Wakandas zu bekämpfen versucht. Darüberhinaus wird Killmonger von seiner Heimatlosigkeit angetrieben, im Innersten sehnt er sich nach Halt und einen festen Platz im Land seines Vaters. Eine aufrichtigere und emotionalere Abgangsszene für einen Schurken wird man im MCU wohl nicht finden, was aber eben auch damit zusammenhängt, dass diese in der Regel über keinerlei Profil und Charakter verfügen.
Bezogen darauf ist es besonders ärgerlich, dass Ryan Coogler als Drehbuchautor dennoch einiges an Potential unverbraucht lässt, indem er die zweite Hälfte von "Black Panther" als Neuverfilmung von "Hamlet" bzw. "Der König der Löwen" auslegt und Killmonger so zu einem inspirationslosen und uninteressanten "Scar 2.0" verkommt. Im Vergleich mit dem Disneyzeichentrickfilm zieht "Black Panther" generell den Kürzeren, denn auch wenn Coogler die Schauspielerführung definitiv beherrscht, mangelt es ihm hier am Gespür für die Dramatik und für das Erschaffen von großen Bildern. "Der König der Löwen" genießt Klassikerstatus, "Black Panther" wird man in dieser Hinsicht in ein paar Jahren vergessen haben.
Weil Coogler die zweite Hälfte als SciFi- und Fantasyaction inszeniert, muss sich "Black Panther" auch einen Vergleich mit weiteren Filmen gefallen lassen, insbesondere gilt dies für die Genre-Geschwister aus dem Comicbereich "Thor: The Dark World", "Thor: Ragnarok" und "Wonder Woman". Im Gegensatz zu Alan Taylor, Taika Waititi und Patty Jenkins gelingt es Coogler nicht, seine Action glaubhaft als cool bzw. episch zu verkaufen, es ist mehr gewollt als gekonnt, weshalb "Black Panther" in diesen Momenten einen unfreiwillig komischen und trashigen Eindruck macht. Fragwürdiges Highlight: die Rhino-Riders! Als sinnbildlich für Cooglers mangelndes Gespür für Größe und Epik habe ich die Szene empfunden, in der sich Black Panther und Killmonger im freien Fall durch die Vibraniumhöhle bekämpfen. Anstatt hier mal eine Großbildaufnahme der Höhle einzubauen, klebt die Kamera dicht an den beiden Kämpfenden. Wie man dies richtig umsetzt, zeigt Peter Jackson mit dem augenöffnenden Kampf von Gandalf und dem Balrog im Intro von "Die Zwei Türme".
Merkwürdigerweise bewies Ryan Coogler noch in der ersten Filmhälfte während des Südkorea-Handlungsstrangs, dass er das Inszenieren von großartiger Action definitiv beherrscht. Inhaltlich und stilistisch wurde die Casino-Szene zwar komplett aus "Skyfall" entlehnt, aber das tut der spannenden, kreativen Actionsequenz und anschließenden Autoverfolgungsjagd keinen Abbruch. Drei kontrahierende Gruppen mit verschiedenen Zielen auf engem Raum und plötzlich bricht das Chaos aus, Chadwick Boseman und Danai Gurira (Michonne aus "The Walking Dead") geben ein tolles Actionduo ab, Andy Serkis läuft als fieser Schurke mit Hang zum Humor mal wieder zu Hochform auf und auf die Idee, afrikanische Kultur mit K-Pop zu kombinieren, muss man erstmal kommen! Als Nebeneffekt der "Skyfall-schen" Casino-Szene wird zudem deutlich, dass ein schwarzer James Bond tatsächlich funktionieren könnte, Chadwick Boseman ist hier von James Bond jedenfalls nur wenig zu unterscheiden. Insgesamt stellt der Südkorea-Plot mein persönliches Highlight des Films dar.
Dass es sich bei "Black Panther" bei Weitem nicht um den ersten Film mit einem schwarzen Superhelden handelt, wurde ja schon hinlänglich erläutert, mit seinem afrofuturistischen Setting betritt "Black Panther" im (Real-)Filmbereich aber tatsächlich Neuland. Diese inhaltliche und audiovisuelle Vermischung von afrikanisch-traditioneller Kultur und Science-Fiction-Technologie gefällt mir außerordentlich gut, vor Allem die erste Filmhälfte profitiert davon, weil sich Coogler hier noch auf das World Building sowie die Vorstellung der Charaktere konzentriert, bevor in der zweiten Hälfte dann die richtige Handlung und das Actionfeuerwerk einsetzen. Eine kreative und erfrischende Abwechslung im MCU.
Neben den bereits oben genannten Schauspielern sind ansonsten Lupita Nyong’o als T’Challas (ehemaliges) Love Interest, Daniel Kaluuya als eines der fünf Stammesoberhäupter, Forest Whitaker als Glaubensoberhaupt und Angela Bassett als T’Challas Mutter zu sehen, Letitia Wright überzeugt im besonderen Maß als T’Challas freche, kleine Schwester und Technikgenie. Martin Freeman dagegen wird hier nahezu komplett verschwendet, wirkt wie das fünfte Rad am Wagen und hat so gut wie keine Handlungsrelevanz. Wegen der zahlreichen afrikanischen Akzente sollte man "Black Panther" unbedingt im Original schauen!
Fazit: Auf eine sehr gute, kreative und für das MCU
untypische und erfrischende folgt eine mittelmäßige Filmhälfte, die
inhaltlich und actiontechnisch nicht viel Interessantes zu bieten hat
und mehr vom Altbekannten zeigt. Die positive Einstellung zum
Nationalismus wurde gegen Ende noch revidiert, letztendlich bleiben nur
der völkerverständigende Abschluss und Teile der Charakterisierung des
Antagonisten hängen. Wegen des afrofuturistischen Settings werde ich mir
"Black Panther 2" auf jeden Fall auch anschauen, ich hoffe dann aber
auf eine bessere Handlung und bessere Action. Für "Black Panther" vergebe ich 6,5/10 Punkten.