Die Golden Globes sind der exzentrische Cousin der Oscars, etwas angetrunken und von seltsamen Entscheidungen geleitet. Dieses Jahr ging der Globe für den Besten Film im Bereich Drama an Bohemian Rhapsody. Das Queen-Biopic wurde Ende 2018 zum Renner an den Kinokassen, während die Kritiker dem Freddie Mercury-Film lauwarm begegneten. Bei den Golden Globes 2019 wurde das Drama mit Liebe überschüttet (Liste der Gewinner). In zwei Hauptkategorien schlug Bohemian Rhapsody sogar A Star Is Born, den geborenen Oscar-Film mit Lady Gaga und Bradley Cooper. Steht die Welt Kopf, leben Kritiker gar am Zuschauergeschmack vorbei? Oder beweisen die Globes, was sie am besten können: Verwirrung stiften? Als Verleihung jedenfalls können sich die kommenden Academy Awards eine organisatorische Scheibe abschneiden. Die Golden Globes sind 2019 bereits die bessere Oscar-Verleihung.
Mit den Moderatoren trumpften die Golden Globes auf
Die Oscars suchen nach dem peinlichen Abgang von Kevin Hart weiter nach einem Moderator, während die HFPA (Verband der Auslandspresse in Hollywood) und der Sender NBC bei den Globes ein kleines Wagnis eingegangen sind. Anstatt einem eingespielten Duo den Abend zu überlassen, wurden Sandra Oh (Killing Eve) und Andy Samberg (Brooklyn Nine-Nine) engagiert, die vergangenes Jahr in einem Emmy-Segment zusammen auf der Bühne standen. Samberg, ein Comedian mit reichlich Moderatoren-Erfahrung, und die respektierte Schauspielerin Oh verkörperten die beiden Seiten der Verleihung. Hier angeschwipster Underdog im Oscar-Schatten, da relevantes Podium für die notwendige Veränderung der Unterhaltungsindustrie.
Manchen Witzen ging dank Versprechern die Luft aus. An das Tempo Sambergs kommt Oh noch nicht heran. Doch die Ex-Darstellerin aus Grey's Anatomy überzeugte mit ihrem Charme, der vom Humor in die ernsten Töne der Verleihung wechseln konnte, etwa als die kanadisch-asiatische Darstellerin die wachsende Diversität bei den Golden Globes lobte. Während andere Hosts als Außenseiter in solche Verleihungen treten - auch das hat Vorteile - baute Sandra Oh die Brücke zu den Zuschauern. Einer der schönsten Momente der ganzen Verleihung war ihr Sieg für Killing Eve und das begeisterte Klatschen ihres Vaters im Publikum.
Die Golden Globes waren so nett wie lange nicht
Die öffentliche Röstung der Traumfabrik war bei den Golden Globes 2019 nicht angesagt. Das Moderatoren-Duo begann mit einem "Roast", der aus übermäßigen Komplimenten bestand, und setzte so den Ton. Die möglichen Dissonanzen der Gala wurden umgangen. Bohemian Rhapsody konnte den Hauptpreis gewinnen, ohne dass die Causa Bryan Singer, entlassener Regisseur des Films, größere Erwähnung fand. Seitenhiebe gegen die in der MeToo-Ära gefallenen Täter waren ebenso unterrepräsentiert wie direkte politische Statements gegen US-Präsident Donald Trump. Wer sich danach sehnt, liegt bei einer Show mit Andy Samberg von vornherein falsch.
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Stattdessen präsentierten die Golden Globes das Bild einer zusammengewachsenen Industrie, die an einem Strang zieht. Ähnlichkeiten zur Wirklichkeit können rein zufällig sein. Wir haben hier sowas wie den Paddington 2 unter den Preisverleihungen gesehen, äußerst unterhaltsam, harmonisch und am Ende siegt Ben Whishaw, während Hugh Grant leer ausgeht. Grippe-Impfungen und Sandwiches wurden verteilt. Hollywood hegte und pflegte sich in dieser Nacht. "Nicecore" wurde das mal in Filmzirkeln genannt , dabei liegt die engste Verwandtschaft bei den Serien, speziell Sambergs Brooklyn Nine-Nine. Zynismus ist außer Mode. Die Ricky Gervais-Jahre der Golden Globes stammen aus einer anderen Epoche.
Die Oscars sollten sich die Golden Globes zum Vorbild nehmen
Die Golden Globes profitierten überdies von einem Schritt: Sie nahmen sich Zeit. 20 Minuten wurde überzogen. Dankesreden von Regina King (Beale Street) und Peter Farrelly (Green Book) ließen selbst das unerbittliche Bühnenfeger-Orchester schweigen. Trotz der vielen Kategorien aus Filmen und Fernsehen erschien die Veranstaltung nicht gehetzt. Sandra Oh und Andy Samberg schalteten sich zwischendurch mit Späßen ein.
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Neben dem Cecil B. DeMille Award für das Lebenswerk im Filmbereich wurde ein Äquivalent fürs Fernsehen eingerichtet. Carol Burnett, Grande Dame der amerikanischen Sketch-Comedy, wurde Namensgeberin und erste Preisträgerin. Die Videos und Reden für Burnett und DeMille-Preisträger Jeff Bridges gehörten zu den bewegenden wie komischen Höhepunkten der Nacht. Bei den Oscars wurden die Ehrenpreise ausgelagert, bei den Globes dagegen noch einer hinzugefügt - und nach einer Frau benannt.
Green Book und Bohemian Rhapsody - echte Oscar-Favoriten?
Und die Gewinner? Hier bleiben sich die Golden Gobes treu. Roma von Alfonso Cuarón konnte nur in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film antreten, so wird das Kaffeesatzlesen für die Oscar-Saison erschwert. Bei den Academy Awards spielt der Netflix-Film auch im Best Picture-Rennen mit. Der Sieg von Bohemian Rhapsody wirkt als Querschläger, jener von Green Book erscheint vorhersehbarer. Beide Filme sind weniger harmonischer Teil der Oscar-Saison 2019. Der Queen-Film wird von seiner Produktion und der Kritik an der Darstellung des homosexuellen Mercury verfolgt, während sich die Darsteller des Buddy-Films Green Book alle Nase lang zu Kontroversen äußern müssen.
Andererseits wurden beide Filme auch bei den Nominierungen der Schauspieler- und der Produzentengewerkschaften berücksichtigt. Sie sind ohne Frage populär. So stark sollten sich die Oscars die Golden Globes dann doch nicht zum Vorbild nehmen.
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