"Julio liebt Emilia, Emilia liebt Julio, beide lieben Proust – beide haben in Wirklichkeit nicht eine Seite Proust gelesen –, ein Jahr lang sind sie während ihres Studiums liiert, dann verlässt sie ihn, und er liebt sie weiter, sie geht nach Europa, und er liebt sie weiter, die Zeit vergeht, und er liebt sie weiter, sie stirbt, und er liebt sie weiter, Jahre später erinnert er sich, und er liebt sie immer weiter. "
Heißt es auf der Rückseite des wie von Suhrkamp gewohnt wunderbar verarbeiteten Buches. Und so simpel wie es da steht ist es letztlich auch...aber irgendwie auch nicht.
Es besteht für mich kein Zweifel daran, dass Alejandro Zambra ein großartiger Autor mit einem fantastischen Schreibstil ist. In "Bonsai" gelingt es ihm, eine faszinierende Metaphorik anzubringen, die er jedoch in einem angenehm leichten Erzählstil vermittelt.
Zambra legt keinen großen Wert auf eine zeitliche Kontinuität, stattdessen erzählt er in Zeitsprungen, beinahe so wie bei einem Märchen. Und so wirkt auch alles auf mich, alles wirkt märchenhaft und doch so real:
Das Märchen der Realität
Die Fiktion spielt in "Bonsai" eine ganz große Rolle. So lesen die beiden Protagonisten bekannte klassische Weltliteratur, um sich sexuell zu inspirieren. Die Fiktion wird hier also als Inspiration für die Realität genutzt. Zambra lässt die Grenzen verwischen, hinterlegt keine Spuren, ob der Kern nun Realität oder Fiktion ist. Im Kerne bleibt die Frage:
Ist die Liebe Fiktion?
Zumindest könnte man das in den ersten Seiten vermuten, dann jedoch bekommt die Beziehung der beiden eine sehr ernste und vor allem auch tiefgründige Note. Vergänglichkeit und der Umgang mit dieser scheint plötzlich immer wichtiger.
Lieben wollen, doch nicht können
Es gibt eine Stelle in dem Buch, an dem klar wird, dass die Beziehung scheitern würde, diese jedoch weitergeführt wird.
Warum? Fragt man sich da natürlich...
Schaue ich einen Film, bei dem ich weiß, dass ich nie das Ende erleben werde? Spiele ich ein Puzzle, bei dem ich weiß, dass viele Teile fehlen?
Vergänglichkeit steht an dieser Stelle im Zentrum...und der Umgang mit dieser. Im Tiefen kündigt sich das Gefühl der Vergänglichkeit zwar schon an, aber dennoch versucht man zu fliehen, versucht nochmals alles zu geben, nur um sie nicht erleiden zu müssen, doch das scheitert kläglich...
Die Lüge
Emilia und Julio lügen sich eine ganze Weile lang an...Beide behaupten, sie hätten Proust gelesen, was jedoch in keinster Art und Weise stimmt. Interessant ist hierbei, dass beide dieselbe Lüge auftischen, wodurch diese in ihrer eigenen kleinen Welt wieder zur Realität wird. Auch hier überschreitet Zambra die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Doch die Lüge ist hier meiner Meinung noch sinnbildlich gemeint, sinnbildlich für das Geheimnis rund um die Protagonisten.
Eine Beziehung lebt von Reizen und Reize leben durch das Unbekannte, durch das Verschleierte. Das lässt sich ebenso aufs Sexuelle übertragen, weshalb wohl viele auch die Praktik Teasing and Denial so zelebrieren. Eine Lüge stellt da natürlich das Ultimatum dar. Es wird eine Scheinrealität vorgegeben, wodurch die Wahrheit nicht ans Licht kommt. Und schon ist der reizvolle Umhang geschaffen. Dennoch kann eine Beziehung nicht auf einer Lüge aufbauen, denn fliegt sie auf wird all das Aufgebaute dekonstruiert und die Beziehung verliert sogar an Reiz.
Bonsai
Den eigentlichen Kern des Romanes stellt jedoch die Metaphorik dar. Die Liebe wird hier als Bonsai dargestellt...also als Pflanze, die alles Mögliche überleben kann, wenn sie denn gut gepflegt wird. Und genau, dass ist der Punkt. Die Liebe ist nur die Pflanze an sich, die jedoch jederzeit eingehen kann...durch Fremdeinwirkung, durch mangelnde Pflege oder gar durch fehlende Bestimmung. Überlebt sie jedoch, hat sie das Potential für die Ewigkeit zu bleiben.
Fazit:
"Bonsai" von Alejandro Zambra lebt von seiner Melancholie, lebt von seinem zartsüßen Weltschmerz. Es geht um Reize, um Lügen und im Kern doch um die wahre Liebe.
So...ich hoffe euch hat meine erste Buchempfehlung hier auf mp gefallen...sagt mir ruhig, wenn ihr mehr wollt!