Bürgerkrieg in Doofdeutschland

17.03.2010 - 07:30 Uhr
Grenzwertige Unterhaltung
Sat.1
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Konnte die Auflösung des Sat.1-Spektakels Die Grenze noch schlimmer werden als der erste Teil? Definitiv. Die Macher bewiesen mit viel Aufwand: Nach unten ist immer noch Luft!

Es erstaunt immer wieder, mit wie wenig Geschichte diese TV-Eventfilme es schaffen, 180 Minuten zu füllen. Die eigentliche Story eines V-Mannes wider Willen (Benno Fürmann) der in die vom Rechtspopulisten Maximilian Schnell (Thomas Kretschmann) geführte Partei DNS eingeschleust wird, um deren Wahlsieg zu verhindern, wurde durch unzählige unwichtige und oftmals unlogische Nebenhandlungen, aufgebläht bis auch der letzte Funken Zuschauerinteresse verflogen war.

Foto-Show: die Bilder zum TV-Film Die Grenze

Nicht nur, dass es bis zum Ende des ersten Teils dauerte, bis die eigentliche Undercoverstory endlich begann, auch im zweiten Teil tat sich wenig, was tatsächliche Charakterentwicklung oder auch nur physische Handlung anging. Wie viele Szenen braucht es, in denen Kretschmanns Sicherheitsmann Führmann beschuldigt ein Verräter zu sein? Wie oft muß sich Führmann durch dämliche Zufälle retten? Wie doof ist das ganze Konstrukt dieser DNS, die im Handlungsjahr 2010 (also in wenigen Monaten) über Überwachungstechnologie verfügt, die selbst Jack Bauer dumm aus der Wäsche gucken ließe?

Wer kam auf die Idee, Kretschmann diese James-Bond-Bösewicht-Festung hinzustellen, komplett mit mordtauglichen Wassertanks, in denen nur noch die Killerhaie fehlen? Wer entschied, dass wirklich jeder Charakter aus einem platten Klischee bestehen muss, das sich über den gesamten Film keinen Jota weiterentwickelt? Was sollten schlecht inszenierte Hintergrundfiguren wie der junge DNS-Aktivist Hanno Koffler, dem plötzlich eine unglaubliche Wandlung angedichtet wird, nur damit die Hauptfigur in eine moralische Zwickmühle gerät (aus der sie natürlich völlig unbeschädigt entkommt)?

Nichts in diesem ganzen Gemisch aus halbverdautem Politthriller und Sci-Fi-Einerlei wollte zusammenpassen. Natürlich kann es in Deutschland zu sozialen Spannungen und Unruhen kommen, natürlich sind politische Verschiebungen auch heutzutage möglich. Natürlich ist unsere Demokratie nicht für die Ewigkeit unkaputtbar.

Aber diese hanebüchene Story vom Bürgerkrieg in Rocking Rostock, vom Häuserkampf in der deutschen Provinz, wollte sich so gar nicht zu einem schlüssigen und auch nur halbwegs glaubhaften Ganzen fügen. Hier wurden Entwicklungen behauptet, statt nachvollziehbar gemacht, da halfen auch die dutzenden gefakten Nachrichtensendungen nicht und die Exhumierung Sabine Christiansens, die sich in einer Talkshow selbst spielte, welche noch inszenierter wirkte, als ihre früheren Sendungen.

Das am Ende die älteste Auflösung im Klischeebuch herhalten musste und Kretschmann natürlich mit einem Videobeweis für den von ihm selbst inszenierten, Brutalo-Polizeieinsatz vor der Medienöffentlichkeit demontiert wurde, machte die ganze Geschichte noch ärgerlicher. Wer wie die Macher so offensiv mit dem Zeitbezug und aktuellen Problemen wirbt, wer das “Was wäre wenn?” zum Ausgangspunkt eines Politthrillers macht, der sollte doch ein paar glaubwürdigere Spekulationen in petto haben und nicht völlig ins Reich der Fantasie abdriften, wie es hier in geschehen ist.

Die seltsame verquaste Moral, die am Ende den Verfassungsschutz und die Bundesregierung als brillante Manipulatoren im Hintergrund erscheinen ließ und uns mit der Message ins Bett schicken wollte, dass der Kapitalismus letztlich doch die beste Wahl ist, wenn man sich zwischen ihm, dem Uralt-Sozialismus und Schnells hippen Neofaschismus entscheiden muss, war in ihrer Plattheit dann ebenso überflüssig wie dieser Zweiteiller.

Egal wie die Revolution aussehen wird, von Sat.1 kommt sie ganz sicher nicht.

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