Kino und DVDs
Ich muss damit beginnen, dass ich in den 1990ern aufgewachsen bin.
Ich lebte damals in einer mittleren Kleinstadt im Osten Deutschlands. Dort war es äußerst spannend, denn irgendwann eröffnete eine New Yorker-Filiale, damit auch Menschen, die noch nicht im Rentenalter waren, überhaupt anständige Klamotten kaufen konnten. Es gab bald außerdem ein "Mc Donalds"-Restaurant, das um 2000 herum um ein "Subway's" ergänzt wurde.
Man könnte sagen, die Menschen dort brauchten augenscheinlich nicht mehr.
Ich liebte Filme und ging, sobald ich alt genug war, in den Drogeriemarkt im hiesigen Industriegebiet, um DVDs zu kaufen, sobald sich dieses Format durchgesetzt hatte. Auf andere Weise war das im Ort fast unmöglich. Im selbem Laden konnte man übrigens auch CDs und Computerspiele erstehen, also war er ein beliebter Treffpunkt für Teenager.
Zum Highlight aber wurde der Bau eines mittelgroßen bekannten Kinokomplexes, der das winzige Studiokino ersetzte, das jemand nach der Wende an den Stadtrand gezimmert hatte, weil er glaubte, die Genüsse des Westens sollten einer breiteren Masse zugänglich gemacht werden. Warum das ursprüngliche Kino in der Innenstadt, das einen wunderschönen, wenn auch sehr verfallenen Eingangsbereich besaß, lange vorher schon dicht gemacht hatte, weiß ich nicht. Die Ruine steht noch heute.
Ich gab mein Taschengeld also vorzugsweise in diesem neuen, großen Cineplex aus, wo ich nun jeden Film sehen konnte, den mir die Zeitschriften und Fernsehmagazine schmackhaft machen wollten... und genoss es.
Beispiel: Ich absolvierte einmal ein Praktikum, wo, ist egal, und wurde zu diesem Zeitpunkt unglaublich von Liebeskummer geplagt, weshalb ich nach meiner Arbeitszeit eine Woche lang ins Kino ging und in der Programmkino-Reihe jeden Tag "Garden State" zum Preis von 5,50 Euro sah.
Fernsehen
Anfang der 90er Jahre bekam ich meinen ersten eigenen Fernseher. Während zuerst der uralte Schwarz-Weiß-TV meiner Eltern seinen Dienst tat, bis er doch irgendwann das Zeitliche segnen sollte, kam danach Farbe auf den Bildschirm. Mir war das ziemlich gleich, denn ich konnte nun auch jederzeit in meinem Zimmer fernsehen oder später auch DVDs schauen. Das reichte mir erst einmal.
Worauf ich hinaus will: Was gab es da zu sehen?
Ein Abriss: Freitags, um 22:20 Uhr lief auf RTL2 zum zweiten Mal „Interview mit einem Vampir“, während man vorher „Jim Carol - In den Straßen von New York“ auf dem gleichen Sender gesehen hatte und auf die nächste Nacht wartete, da man sich einen Stephen King-Marathon auf ProSieben reinziehen wollte.
Auf RTL lief samstags irgendeine Show, die man sich zusammen mit seiner Familie ansah, um danach noch den Action-Blockbuster mit Bruce Willis dranzuhängen, wenn nicht gerade sowieso "Wetten dass..." lief, wo erfahrungsgemäß maßlos Sendezeit überzogen wurde. Dann nahm man das den Film auf dem anderen Programm eben auf. VHS-Kassetten lagen jederzeit bereit.
Irgendwas, das gerade erst auf VHS (später: DVD) erschienen war, lief außerdem am Sonntag in der ProSieben-Prime Time, und man wollte es nicht verpassen, weil Johnny Depp/Brad Pitt/anderer gut aussehender Schauspieler mitspielte.
Montags war Akte X-Tag. Und weil danach noch irgendeine andere Mystery-Serie kam, blieb man gleich dran. Irgendwann folgte "TV Total" im Plan.
Auch schön waren die Samstage, wenn man als Kind schon vor dem Frühstück versuchte, die Zeichentrickserien bei RTL nicht zu verpassen (wobei Ausschlafen normalerweise dann doch vorging...). Und die während der Woche laufenden Pro Sieben-Sitcom-Abende nach den Simpsons hat man sich meistens gemeinsam angesehen, um vom Tag zu entspannen.
Als Mensch in pubertären Jahren waren MTV und das neu gegründete VIVA (bzw. auch eine Weile VIVA2) zwischendurch immer ein Genuss, denn wo sollte man sonst seine Musiktipps, suggeriert von der Bravo, in ihrer "Qualität" bestätigt bekommen.
Und weiter?
Diese Medien konnten die Jugend eines Menschen, der versuchte, aus der Öde der Normalität und der Konformität auszubrechen, natürlich gewaltig prägen.
(Anmerkung zwischendurch: Nein, ich habe meine Zeit natürlich auch draußen verbracht. Ich bin auf Parties gegangen, habe mich mit Freunden getroffen und hab all diese Dinge gemacht, die man so macht, wenn man heranwächst. Dieser Text wirkt ziemlich komprimierend diesbezüglich.)
Das Ganze änderte sich irgendwann in den 2000ern und der Möglichkeit des erschwinglichen CD-Brennens, mit den Spindeln voller Musik und dem gelegentlichen Hin- und Herschieben von Filmen zwischen Freunden. Man munkelte, man könne jetzt bald alles aus dem Internet bekommen. Denn das Internet war "plötzlich" präsenter als je zuvor und mischte sich stark in die Seh- und Nutzungsgewohnheiten unserer Generation ein. Das war neu. Schließlich benutzte man dieses vorher bevorzugt, um sich über Filme, Schauspieler, etc. zu informieren, was erstmal eine Bereicherung darstellte.
Noch immer traf man sich mit Freunden zum wöchentlichen DVD-Abend, ging oft ins Kino, oder bekam "viereckige Augen" vor dem Fernseher zu vorbestimmten Zeiten des linearen Sehens. Nur gab es nun eine Erweiterung.
Wann wurde das Fernsehen langweilig?
Da sind wir nun. Wir streamen.
Ich besitze ein Netflix-Abo sowie Amazon Prime. Ich kann mir ansehen, was immer ich will. Jederzeit. Und wenn ich nicht weiß, was ich sehen will, klicke ich mich durch die Streaming-Dienste und suche nach etwas, das mich gerade interessieren könnte. Ganz ohne aus dem Haus zu gehen.
Aber was war passiert?
Mit der Zeit begann man das Fernsehen unbewusst zu meiden. Was gab es schon noch?
Das Programm wiederholte sich stärker, die Zeiten vom Reality Shows und Casting Shows begannen. War die erste "Big Brother"-Staffel noch ein gesellschaftliches Highlight, entwickelte sich u. A. daraus langsam aber sicher das vom Volksmund betitelte allumfassende "Unterschichten-TV". Sender erkannten die Zielgruppe der leicht zu Berieselnden und die Kostengünstigkeit der Formate, die nicht lange nach ihrem Auftreten in den USA nun auch die deutschen Musiksender überschwemmten, Spartensender unterwanderten und bald ihren festen Platz in den Hauptprogrammen hatten.
Damals wurde das Kino für mich wichtiger und der Fokus legte sich auch immer mehr auf den Kauf oder das Ausleihen von DVDs. So wussten man wenigstens, was man bekommen würde. Oder konnte sich zumindest überraschen lassen.
Meine DVD-Sammlung existiert heute nicht mehr. Ich habe sie vor ein paar Jahren schweren Herzens an meinen Exfreund verloren und seitdem nicht angefangen, eine neue anzulegen. Ich halte es nicht für notwendig, obgleich ich hin und wieder darüber nachdenke.
(Lesen Sie sich durch, wie es weiter geht auf Seite 2...)