Dr. Beutel oder wie ich lernte, das Kino zu hassen

11.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
When there's no more room in hell, the braindead will... watch movies
moviepilot/sxc.hu: januszek
When there's no more room in hell, the braindead will... watch movies
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Wenn das Publikum schlimmer ist als das, was uns im Kino mitunter vorgesetzt wird, ist der nächste Aufreger nur eine Currywurst weit weg. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt … Haschbeutel direkt in die Speakers’ Corner!

Ui, da isser ja wieder! Wie bereits angedroht, empfange ich euch herzlichst bei einem neuen Seminar meiner Selbsthilfegruppe. Wie ihr schon am Titel richtig lesen könnt, hab ich ein Problem, deshalb möchte ich mich nochmal kurz vorstellen: Also, ich bin der Beutel, ich bin schon lange ein Moviepilot … und ich gehe nicht mehr gerne ins Kino. [erschrockenes Raunen] Das liegt aber weder an sinkender Blockbuster-Qualität oder steigendem 3D-Firlefanz, sondern daran, dass viele Kinobesucher irgendwie vergessen haben, was Kino eigentlich bedeutet – oder es nie gelernt haben. Wie immer gilt die Warnung, dass böse Wörter und Sarkasmus auftauchen können. Wen das stört, der kann ja seinen Account löschen.

Ohne Mampf kein K…ino!
Ein Jahr ist es her, da hat der kleine Beutel dem beschaulichen Baden-Württemberg den Rücken gekehrt und ist in die große weite Welt des Freistaates Bayern eingekehrt. Ein wenig traurig war das schon, hat man doch jahrelang seine Stammkinos gekannt, jede Sneak-Zeit auswendig im Kopf gehabt und immer genau gewusst, wo der heißeste Scheiß läuft. Zu meiner Beruhigung durfte ich feststellen, dass in Bayern auch Kinos existieren, die man auch ohne bestandenen Einbürgerungstest besuchen darf – yes! Netterweise gibt‘s von meiner neuen Heimt aus einen Ort weiter ein kleines, schnuckeliges Kino mit 2 Sälen. Recht neu, sehr modern, idyllisch. Doch irgendwann, da kommt er. DER Blockbuster. Den Film, den man unbedingt in einem großen Saal sehen muss, mit dicker Anlage, vielen Menschen und überhaupt … ! Also schnurstracks in die Innenstadt und in ein großes Kino.

Nun stehe ich da so nichtsahnend in der Schlange zum Ticketkauf als hinter mir zwei – sagen wir aus evolutionärer Sicht – „Menschen“ auftauchen. Rein visuell würde ich sie jetzt mal „Yolo“ und „Swag“ nennen, wobei Swag der mit der zu eng geschnallten Mütze auf dem Kopf ist – ihr wisst schon, diese Vakuumversiegelung. Auf jeden Fall findet dann folgende Konversation statt, begonnen von Herrn Yolo: „Ey, Digga.“ – „Yo?“ – „Ey, isch hab voll Hunga, nä?!“ – „Yo, lass ma noch hier American Diner, Alda!“ – „Ja ne, nä? Isch ess‘ so Kino!“ Hm. ,Ich esse Kino!‘ … nun schwirrten mir zwei Optionen im Kopf herum. Option A) Er isst das Kino, was in Anbetracht von Yolos Größe, den Dimensionen des Gebäudes und der Beschaffenheit des Materials eher unwahrscheinlich war, oder B) Er isst im Kino. „Naja, wenn er von Popcorn satt wird?“, war mein naiver Gedanke.

Nach dem Kauf der Karten folgt dann für mich der obligatorische Gang zu den Snacks. Da ich kein großer Freund von Popcorn bin, habe ich es mir angewöhnt, eine 0,5er Pepsi und eine kleine Packung M&Ms Choco zu holen. Üblicherweise knabbere ich meist in der Werbezeit die halbe Packung leer, bis mir schlecht ist, der Rest wandert in die Tasche für zu Hause. Wenn meine bessere Hälfte dabei ist, wird ab und an mal in‘s Popcorn gegriffen, aber auch nur so lange der Film nicht läuft; dann ist bei mir Essstop. Wobei ich auch anmerken sollte, dass ich generell keine Probleme damit habe, das um mich herum geraschelt und geschlürft wird. Irgendwie gehört das ja auch zum „Erlebnis Kino“ dazu. Auf jeden Fall standen dann hinter mir meine beiden Freunde Yolo und Swag, die auch in den gleichen Film wie ich gehen wollten. Als ich meine Bestellung abholte, verweilte ich noch kurz, um das Trinkröhrchen aus seiner Papierummantelung zu ziehen, als ich meinen Ohren nicht traute: „Ey yo, isch nehm‘ so Currywurst und‘n Helles.“ – „Für misch auch, ey!“ Fassungslos dachte ich, ich hätte mich verhört, sah aber, wie der Mitarbeiter aus der Wärmestelle zwei Pappschalen mit Currywurst herauszog, dazu hohe Gläser mit Bier füllte – and guess what: natürlich saßen Bebop und Rocksteady eine Reihe vor mir, fressend, schlürfend und trinkend bis weit in den Film hinein, während meine Nase erfüllt war von currygeruch, Bier und (zumindest gedanklich) Napalm, das ich unkontrolliert auf beide werfen wollte.

Ich habe wie erwähnt nichts gegen Knabbereien und Geraschel, aber mal ganz unter uns: welcher hirnverbrannte Vollarsch kam auf die abgefuckte Scheissidee, stinkende Currywurst und Bier in offenen Gläsern zu verkaufen? Mir mag hier das Verständnis für die kulinarische Verköstigung fehlen, aber es ist ein absoluter Showkiller, wenn man nicht in den Film abtauchen kann, nur weil schmatzende Currywürste den Zutritt in cineastische Welten verhindern. „Ey, Yolo!“ – „Eyya?!“ – „DEINE MUTTER FRISST CURRYWURST IM KINO!“

I‘m not into movies, but when I do … I‘m drunk!
Nur einige Wochen später, der Film war Movie 43, das nächste einschneidende Ereignis. Auch wenn mir bewusst war, dass der Film eher suboptimal wird, hätte mich nichts auf der Welt auf diesen Abend vorbereiten können. Nachdem der Film nicht in dem kleinen Kino „um die Ecke“ lief, sondern in einem Partnerkino einige Orte weiter, welches gerade renoviert wurde und entsprechend aussah, war ich bereits vorher angenervt, dass vor lauter Krams im Vorraum die Schlange bis nach draußen stand, wo man bei -15° fast 20 Minuten warten musste. Immerhin war der Saal später warm und wenig besetzt, außer einem „Generation Smartphone“-Typ neben seinem Vater und einigen verstreuten Seelen.

Der Film begann also und kurz darauf fing der Schwachkopf an, auf dem Handy herumzutippen: WhatsApp, Farmville, ZyngaPoker. Ich dachte noch, ich träume, da ging (knapp 10 Minuten nach Beginn des Films) die Tür auf und eine Hand voll russischer Mitbürger torkelte in den Saal – telefonierend, lachend, quatschend. Nachdem sie in der ersten Reihe endlich Platz fanden und ich dem Handyman endlich beibringen konnte, seine verschissenen Kackbratzen vom Handy zu lassen, klingelte aus der Russenecke das Telefon. Lallend nahm der Mitbürger das Handy aus der Tasche und begann, lautstark zu telefonieren. Etwas zu sagen traute sich natürlich niemand, denn wer möchte sich schon mit betrunkenen Schränken anlegen? Nachdem das Gespräch beendet war, wurde noch ein paar mal laut gelacht bis der nächste Anruf folgte. Nachdem sich dieses Spiel eine knappe Stunde wiederholte, ging der Trupp von evolutionären Fehlentwicklungen aus dem Saal …. und verschwand.

Was war los!? Was für eine gescheiterte Existenz muss man sein – und die Beschissenheit des Filmes spielt jetzt keine Rolle – um besoffen in ein Kino zu stürmen, nur um zu telefonieren und anderen Menschen auf die Nüsse zu gehen? Warum tut man so etwas? Kommt das von Alkohol während der Schwangerschaft oder wurde da einfach nur ohne Hirn entbunden? Klar gibt es einige Filme, die ein gewisses Klientel anziehen, so wie lauter Kiddies mittlerweile Call of Duty spielen. Natürlich überrascht es mich nicht, das Filme wie New Kids Turbo den Kinobetreibern Probleme bereiten. Aber echt jetzt? Movie 43? Wat is‘ los?! Das Geld bekam ich übrigens nie wieder, denn er (der Kassenmensch) konnte ja nicht wissen, dass so etwas passiert. Pisskopf. Einmal – nie wieder.

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