Dr. Beutel oder wie ich lernte, DVDs zu hassen

11.08.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Aufreger der Woche
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Der liebe guggenheim ist im Urlaub. Für ihn hat der moviepilot-User Haschbeutel einen Aufreger der Woche übernommen. Er beschreibt, weshalb er manchmal auf dem Sofa beim DVD oder Blu-ray schauen verzweifelt.

Oh Gott, ich bin ja so aufgeregt! Mein erster Aufreger der Woche! Oh mein Gott! Komm isch jetzt Fernseh‘? Nicht? Schade. Dann grüß‘ ich zumindest meine Freundin, Mama, Papa, die Bollianer .:. und Oma und …

Halt doch mal die Fresse, ey!
Jaja, gut sorry. Nichts desto trotz ein herzliches Willkommen bei meinem Seminar „Dr. Beutel oder wie ich lernte, Filme in gepresster Form zu hassen“. Wir kennen das alle – es ist Wochenende, das Wetter ist mal wieder total beschissen und der Kühlschrank mit dem rettenden Getränk ist auch im Zimmer nebenan. Da die bessere Hälfte gerade nicht anwesend ist, um Sandwiches zu machen oder das rettende Bier zu holen, schleppt man seine sterblichen Reste an das Filmregal, um mal wieder cineastische Ergüsse über sich ergehen und das Gehirn kurzzeitig betäuben zu lassen, um weltbewegende Themen wie Schnarchympia, die brütende Barbara Schöneberger oder Reboot-Wahnsinn zu vergessen. Also lasse ich, von göttlicher Vorahnung geleitet, meine zittrigen und schläfrigen Finger über das Regal wandern bis zu dem Film, den das Schicksal mir ausgewählt hat, in diesem Fall Batman Begins. Gut, man könnte auch einfach sagen, ich habe den Streifen gewählt, weil meine toten, kalten Finger ihn einfach umschlungen haben und ich zu faul war, meine Muskeln erneut zu bewegen. Außerdem habe ich The Dark Knight Rises immer noch nicht gesehen und überhaupt hab‘ ich mal wieder Bock auf die Fledermaus. Was folgt, ist obligatorisch – Player auf, Scheibe rein, Player zu, Glotze an und die sterbliche Hülle auf das himmlische Sofa fallen lassen. Hach, immer dieser Stress. Wir Cineasten sollten eigentlich dafür bezahlt werden. Oder zumindest einen eisernen Thron bekommen. Denn es ist immer mehr eine Zumutung, was uns Filmverleiher, Studios, GVU antun. Ich entschuldige mich übrigens für zynische, politisch unkorrekte oder einfach nur verbal extrem entartete Wörter, die sich hier einschleichen werden.

Ei want to wotsch sis in Inglisch, pliez!
Ich habe sie also in der Hand – die Special Edition DVD zu Batman Begins in einem schicken Steelbook mit elegant-schimmernden Aufdruck. „Nett!“ denke ich bei mir. Hat mich anno 2008 auch eine gute Stange Geld gekostet. Während ich also noch die Hülle bestaune, wundere ich mich, dass, obwohl Auto-Play aktiviert ist, noch keine Trailer laufen. Nach dem Warner Bros. Logo, das ich schwach vernommen habe, war Totenstille. Also erhebe ich meinen müden Blick auf die Mattscheibe und erstarre. Mein von Blu-ray-Technik verwöhntes Auge schreit plötzlich. „Was ist das für ein Scheiss? Das sieht ja aus, als hätte ein Baby sein Windel-Produkt ausgepackt, darüber gepinkelt und ein in Schulmädchenkostümen gekleidetes, asiatisches Mädchen mit den Händen fein säuberlich darin herumgemalt!“ Für einen Moment bin ich erschrocken über meine kranken Fantasien, erinnere mich dann aber, dass das ja von den ganzen Videospielen und Filmen kommt. Also, sagen zumindest die Medien. Und die müssen es ja wissen, immerhin helfen die im Mittags-TV auch Teenie-Müttern auf die Sprünge und zeigen uns mit X-Diarrhö, wie das Leben so spielt. Da passiert sowas ja jeden Tag! Als meine Gedanken sich wieder diesem „Ding“ auf dem Bildschirm widmen, erkenne ich es: Es ist das Regions-/Sprachauswahl-Menü. Der Designer dieses Menüs hat sich dabei nach hochinvestigativen Recherchen überlegt, die Sprachen nach einem Muster zu sortieren, das so undurchschaubar ist, dass selbst Kulturen in 2573 Jahren nur ratlos den Kopf schütteln können. DAS wird unser neuer DaVinci-Code: Der DVD-Menü-Code! Großartig!

Ist ja auch voll klug und so, die ganzen wichtigen Sprachen und Länder auf die erste Seite zu packen. Da gibt‘s dann als Auswahl Österreich. Und Austria. Oder wie wär‘s mit Belgien, belgisch und Benelux? Ein Kleingeist, wer hier an Willkür denkt! Nachdem ich für mich entschlossen habe, dass ich weder österreichisch, noch belgisch, noch russisch, noch suaheli anschauen möchte, klicke ich mich auf die zweite Seite. Französisch, italienisch, isländisch, mazedonisch, … hm. Deutsch? Ah, da! Aber eigentlich wollte ich doch O-Ton schauen. Hm. Also klicke ich mich weiter. Seite 3: slovenisch, spanisch, rumänisch, norwegisch, … seufz … Seite 4 … schweizerisch, holländisch … ah! Da! Ganz am Ende, der Bodensatz der sprachlichen Interessen, da steht es. United Kingdom! Englisch! Juhu! An der Stelle ganz kurz, liebe Engländer: Ihr habt nicht nur eure Kolonien aufgeben müssen – ihr steht sogar bei der Sprachwahl ganz hinten. Hinter den Franzosen. Also … ich mein ja nur, ne? Aber gut, nach knapp 10 Minuten hin und her klicken kann‘s ja jetzt endlich losgehen – nanananananana, Batman!

Nervige Weiber, Drecksplagen und Apple-Feinde
Aber halt, denn als ehrlicher und gewissenhafter Käufer, der ich bin, muss ich ja erst noch an etwas erinnert werden. RAUBKOPIERER SIND VERBRECHER! Denn nichts ist effektiver, als den ehrlichen Käufer darauf hinzuweisen, dass wenn er diesen Film nicht legal erworben hätte, wäre es bei eventueller und gewollter Vervielfältigung dieses Mediums unter Umständen eventuell Strafbar gewesen. Um mich an diese Eventualitäten zu erinnern, hat man also diese Werbekampagne vor die Trailer gepackt, in dem ich sehe, wie eine abgehalfterte, mittvierzigjährige Mutter mit ihren zwei Plagegeistern vor einer Gefängnismauer steht und mit ohrenbetäubender Stimmlage „Zum Geburtstag lieber Daddy, zum Geburtstag viel Glück!“ Mal so unter uns, ganz im ernst: Da werd‘ ich aggressiv.

„Vielleicht hat er euch mit Absicht verlassen, um diesen Scheiss nicht mehr zu ertragen?“ denke ich mir. Damit aber auch sichergestellt ist, dass zumindest ich diesen Mist wirklich ertrage, ist die SKIP-Funktion gesperrt. Hallo? Was interessiert mich dies als ehrlicher Käufer, der Minuten meiner kostbaren Lebenszeit kostet?

Ich meine, man muss diesen Gedankengang mal auf die reale Welt übertragen. Stellt euch vor, ihr kauft in einem Elektrowarenfachgeschäft eures Vertrauens ein. Ihr kauft einen Fernseher, geht an die Kasse, bezahlt und geht auf die Tür zu. Plötzlich springen drei Gorillas / Sicherheitsbeamte hinter den Ecken hervor, prügeln euch derart, dass ihr jeden Knochen einzeln bersten hört. Danach helfen sie euch auf die Beine, drücken den TV in eure Hand und verabschieden sich freundlich mit einem: „Das wäre passiert, hätten Sie den TV klauen wollen. Wir wünschen einen schönen Tag und viel Spaß mit ihrem erworbenen Produkt. Beehren Sie uns bald wieder!“ Ja, danke auch. Da hab‘ ich gleich richtig Bock, nochmals da einzukaufen.

… und dann, und dann, und dann!
Das ist aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Ihr kennt garantiert die Digital Copy, die sich für Freunde der digitalen Inhalte mittlerweile auf vielen Filmen befindet. An sich eine sehr gute Sache – wenn es denn ein einheitliches System wäre. Während bei Filmen aus dem Hause Paramount die Digital Copy für Windows Media Player und iTunes gültig ist, hat sich Warner Bros. – warum auch immer – dazu entschlossen, die Mac-User komplett auszugrenzen und nur Digital Copies zu vertreiben, die über Media Player angeschaut werden können. Auch wenn die ganzen Apple-Hater jetzt gehässig lachen: Nicht mal Windows User nutzen diese Software, die sich Media Player nennt. Das ist, als würde man mit dem Internet Explorer surfen. Da sitze ich also, erfreue mich an jeder Digital Copy, die ich erhalte, die mit einem einfachen Code über iTunes geladen werden kann – und ärgere mich grün und blau, dass Warner Bros. hier als einziger Hersteller Kunden ausgrenzt, weil man darauf besteht, seine mit Spyware vollgestopfte „Digital Copy Manager“-Vertriebsplattform auf dem Markt zu halten. „Warum?“ wollte ich wissen. „Weil die Anzahl der User eines Apple-System verschwindend gering ist und sich eine Anpassung an Macintosh- und Linuxssysteme nicht lohnt!“, sagte mir die nette Dame am Telefon. „Und wie war Ihr Urlaub die letzten 10 Jahre so?“, frage ich. „Auf dem Mond soll es ja ganz schön sein.“ Sie fand‘ das irgendwie nicht so witzig.

Genau so wenig witzig ich es finde, mir für ein Schweinegeld eine brandneue Blockbuster-BluRay zu kaufen, die dann nicht einmal die 5cent Mehrkosten für ein Wendecover spendiert bekam und dadurch – in Kombination mit der sowieso schon kleineren Coverfläche gegenüber einer DVD – gefühlt zu 50% aus USK-Logo besteht. Damit auch die ganzen hilflosen Eltern immer Bescheid wissen: „Schau mal Günther, ich wollte für unseren Sören beinahe dieses ,Äväntschers‘ kaufen, aber da steht ab 12. So ein Glück! Dabei ist er doch erst 11. Beinahe hätten wir einen Massenmörder aus ihm gemacht!“. Weisste Bescheid, ne?

Auf dem Weg der Besserung
Immerhin scheint man sich zumindest mancherorts der ganzen Sache bewusst zu sein und das ein oder andere Streifchen am Horizont ist sichtbar. Mit Freunde habe ich festgestellt, dass auf der Special Edition von The Dark Knight (ja, die mit dem gläsernen Bat-Pot) viele Mängeln behoben wurden. Zwar war der unendlich schreckliche Sprach- und Länderscreen noch vorhanden, aber immerhin wanderten O-Ton und SCHLAND! nun auf eine Spitzenposition. Auch der folgende Spot (Kommt ein Raubkopierer in eine Bar … ) war überspringbar. Komplett. Geht doch! Als nächsten sollten wir zu den Nachbarn auf der Insel rüber schauen, die statt einer Warnung für eventuelle Verbrechenstaten eine ganz andere Schiene fahren. In einer netten Zeichentrick-Animation wird dem ehrlichen Käufer dafür gedankt, dass er sich für das Original entschieden und nicht zu einer Raubkopie gegriffen hat. Das ist nett, witzig, geht nicht lange und man fühlt sich tatsächlich etwas besser. Daran könnte sich der doitsche Michel mal ein Beispiel nehmen. Denn auch wenn „wir“ immer gerne Meckern und alles verteufeln, wäre ein Umdenken doch vielleicht mal ganz nett.

Jetzt müssen nur noch die Warner Bros. in der heutigen Zeit ankommen, ihre Vertriebssoftware endlich dem Markt anpassen und jede gepresste Medienform (von mir aus mit EU-Beschluss) ein Wendecover auffahren, dann kann zumindest ich wieder etwas Spaß am Kauf von original Blu-rays und DVDs haben und muss mich nicht vor jedem Film fühlen wie ein Schwerverbrecher, der mit halben Fuß im Knast steht, weil er sich legal etwas gekauft hat. Wobei – im Grunde stehe ich tatsächlich mit einem Bein im Knast, denn mittlerweile reagiere ich empfindlich, wenn Kinder auf der Straße anfangen, Lieder zu singen … immerhin kann ich dann auf Unzurechnungsfähigkeit wegen der „Zukunft Kino Marketing GmbH“ plädieren – dann hat auch die Presse wieder einen Sündenbock.

„Machen singende Kinder aggressiv? BILD enthüllt exklusiv.“ Ja, doch. Klingt gut. Ich bin dann mal eben weg ..

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