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Ein Filmmusikerlebnis der besonderen Art

23.11.2017 - 22:48 Uhr
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Mark Hanauer
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Diese Woche trat James Newton Howard in der Philharmonie am Gasteig im München vor ein erwartungsvolles Publikum. Gemeinsam mit einem geübten Orchester und einem großartigen Chor gab er Einblick in die Arbeit eines Komponisten und beeindruckte nicht nur durch seine Werke, sondern auch mit humorvollen Geschichten und einer äußerst sympathischen Persönlichkeit.

Es ist Mittwoch, der 22. November 2017. Die Philharmonie füllt sich zunehmend mit Menschen. Aufgeregt nehmen auch wir Platz, applaudieren dem eintretenden Chor und dem Orchesterensemble. Zum Schluss betritt James Newton Howard den Dirigentenplatz. Ein relativ kleiner Mann im Anzug verbeugt sich tief vor der Menge und begrüßt sie auf deutsch. Er wirkt etwas angespannt. Warum, erfahren wir später noch.

Im Verlauf des Abends erfüllen einige seiner Lieder den umwerfend großen Raum. Teilweise werden Diese begleitet von einem Zusammenschnitt passender Filmsequenzen und/oder Lichteffekten. Besonders berührend gelingt dies bereits zu Beginn mit "Snowwhite and the Huntsman". Zum ersten Mal an diesem Abend trifft den Zuhörer die volle Wucht des Live-Orchesters. Howard dirigiert zunächst entsprechend ruhig und zurückhaltend. Im Verlauf steigern sich seine Bewegungen zu einer energischen Höchstform, die sich synchron in den wilden Bögenschwingen der Streichinstrumente wiederspiegelt. Die Bilder auf der Leinwand sind Zeugen von Snowwhite's Aufstieg und vermeintlichem Fall, doch die Musik transportiert alles, was man wissen muss. Emotion pur, die einen tief ins Herz trifft - umso intensiver, wenn man die Energie der Musiker spürt, die hochkonzentriert alles geben, was in ihnen steckt.

Zwischen den Stücken erzählt Howard in seiner Muttersprache von seinem Werdegang, so zum Beispiel auch, dass es für ihn eine große Sache ist, hier auf der Bühne zu stehen. Vor vielen Jahren dirigierte er ein Ensemble in London, bis ein Mitglied ihn aufforderte aufzuhören, da er das Orchester durcheinander bringen würde. Am heutigen Abend jedoch ist davon - zumindest für den Laien - nichts zu entdecken, mal abgesehen von der leichten Nervosität, die ihn hin und wieder zu ereilen scheint.

Spürbar wird hingegen die Leidenschaft für seine Arbeit und die Wertschätzung gegenüber jenen, die sie ertönen lässt. Immer wieder fordert er Teile des Ensambles nach einem Stück auf, sich zu erheben, sodass ihnen der Applaus zu Gute kommt. Voller Zuneigung spricht er auch über Kollegen. Die Zusammenarbeit mit M. Night Shyamalan hebt er besonders hervor. Für ihn schrieb Howard den Score von u.a. "The Village", "The sixth Sence" und "Signs". Für Letzteres wollte der Regisseur einen wiederkehrendes Thema - so die Erzählung des Komponisten - welches uns am Flügel vorgespielt wird. Bestehend aus drei Tönen ist es im folgenden Orchesterbeitrag gut herauszuhören.

Ein musikalisches Highlight der anderen Art und gleichzeitig Höhepunkt der ersten Spielhälfte ist die Darbietung des Stücks "The Hanging Tree" aus "Tribute von Panem". Hierfür wurde eine Laiensängerin über einen Wettbewerb gecastet, welche selbstbewusst die Bühne betritt und performt, zunächst ganz schlicht und allein. Gegen Ende stimmt schließlich der Chor mit ein. Die bekannte melancholische Melodie umhüllt uns plötzlich geballt und zaubert Gänsehaut - ein Wort, welches auch der Komponist auf deutsch kennt.

Ein Komponist, was tut der eigentlich? Als eben dieser seinen Sohn mal von der Schule abholte, wurde er von dem Vater eines Mitschülers gefragt, ob er da eigentlich nichts tun würde. Anhand eines Beispiels jedoch wird deutlich, wie schwer die Arbeit doch tatsächlich sein kann. James Newton Howard erzählt von Peter Jacksons Anruf, bezüglich seines King-Kong-Projekts. In 4 1/2 Wochen benötigte Dieser einen Soundtrack für einen Film, der schlussendlich über 3 Stunden Laufzeit hatte. Bekanntlicherweise nahm er die Herausforderung an. Schwierigste Szene war für ihn aber der Moment, nachdem King Kong durch die Stadt wütete und schließlich auf Naomi Watts traf. Ohne musikalische Begleitung wird uns die entsprechende Szene gezeigt. Jackson war von Howards Ideen nicht begeistert und bat ihn, am Klavier für einige Minuten zu improvisieren und ihm das Ergebnis zu schicken. Bei 8.40 min wären ein paar brauchbare Sekunden, so das Urteil, aus denen Howard schließlich den finalen Score entwickelte.

Es gab Zeiten, in denen er vergaß, dass die Arbeit auch Spaß machen könnte, eröffnet uns Howard als Überleitung zu seiner Zusammenarbeit mit Hans Zimmer. Christopher Nolan gab ihm das Ok, an "Batman Begins" und "The Dark Knight" mitzuwirken und so meinte Zimmer, dass es doch toll wäre, etwas anzufangen, was Howard dann beenden könnte. Howard drehte den Spieß um und meinte, er könne ebenfalls beginnen und Zimmer dann beenden. Sie hatten gemeinsam eine gute Zeit, so Howard, der die Musik zu Harvey Dent/Two-Face inszenierte und sie nach der Erzählung im Raum erklingen lässt.

Neben dem Shyamalan-Medley, erwartet uns auch ein Zusammenschnitt seines Wirkens an romantischen Komödien, das Genre, welches ihn am Wenigsten herausfordert. Auch "Peter Pan", "Wyatt Earp" und "Dinosaurier" werden präsentiert. "Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" markieren Anfang und vorläufiges Ende des Abends. Ein Projekt, welches Howard persönlich sehr am Herzen liegt, ist "Schnee, der auf Zedern fällt". Bedauerlicherweise hatte es wohl keinen kommerziellen Erfolg. Howard ehrt es mit einer Performance eines wunderschönen Stückes aus dem Film. Emotional ebenfalls herausragend ist auch der Auftritt einer Afrikanerin, die ein Stück aus "Blood Diamond" mit ihrem imposanten Gesang ehrt. Sie nennt anschließend auf Wunsch des Komponisten ihren Namen, da er diesen lernen will. Doch die Kombination aus Lauten und Schnalzen sorgt nicht nur im Publikum für Staunen. Howard sagt dazu nur: " So, jetzt wissen wir bescheid". Lachen erfüllt den Raum, wiedermal.

Die lockere Atmosphäre wird auch durch einen Cartoon unterstützt, der Howards Anfänge dokumentiert. Howard, welcher wohl ein Stipendium hatte, gab dieses auf, da er frustriert über all die Jungen war, die besser Klavier spielten. Er hielt sich mit Jobs über Wasser und komponierte schließlich ein Klaviersoloalbum. Hierfür suchte er Produzenten, bis er schließlich bei einem kleinen Label landete, welches zwar vom Werk überzeugt war, dessen kommerziellen Erfolg jedoch stark bezweifelte. Einige Zeit später wurde er angefragt, für Elton John auf der Bühne Klavier zu spielen. Verwundert, wie der große Musiker überhaupt von ihm wissen konnte, traf er ihn für ein Vorstellungsgespräch. Es stellte sich heraus, dass Elton John hinter dem kleinen Label steckte und drei seiner Alben gekauft hatte. Es gibt unzählige Möglichkeiten im Leben - so Howards Botschaft - und wer ein eigenes Album produziert hat, kann nie wissen, wer es zu hören bekommt. Howard spielt anschließend ein eigenwilliges Klavierstück, welches in dieser Zeit entstand, bevor es mit bekannten Filmwerken weiter geht.

Verdienterweise erntet das Orchester, der Chor und auch James Newton Howard selbst am Ende der Veranstaltung Applaus, bis die Hände schmerzen. Das Publikum steht, euphorisch von den Erlebnissen der vergangenen gut 2,5 Stunden. Wir erarbeiten uns eine Zugabe, die nochmals das geballte Können Howard's demonstriert: die Musik zu "Maleficent".

Und so verlassen wir berauscht den Saal, um den Weg zurück ins Hotel anzutreten, ein bisschen sensibler gestimmt für den oft verkannten, aber doch so wichtigen Part eines jeden Films, der ihn über bloßes "gelungen sein" hinauszuheben vermag und ihn zu einem emotionalen Erlebnis macht.

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