1981, Cannes: Ein Mann geht ziellos die Croisette auf und ab. Dies mehrere Stunden. Als er so die Croisette auf und ab geht fällt ihm ganz weit hinten ein anderer Mann auf. Dieser sitzt auf einer Terrasse des Carlton. Sein Gesicht versteckt hinter einem nun gräulichen Vollbart. Der Mann auf der Terrasse winkt ihn herüber und bietet den Rastlosen eine Tasse Kaffee an. Bei einer Tasse Kaffee bleibt es jedoch nicht. Denn der Mann auf der Terrasse fängt an eine Geschichte zu erzählen. Diese Geschichte erzählt er so detailliert das dem „Wanderer“ das ganze wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft. Bild für Bild. Figur für Figur. Szene für Szene. Nach 3 Stunden und 47 Minuten ist die Geschichte zu Ende und mehrere Tassen Kaffee getrunken. Der „Wanderer“ ist sichtlich begeister über diese fantastische Geschichte und reicht dem Mann auf der Terrasse seine Hand. Er gibt ihm ein Versprechen, seine Idee umzusetzen. Der „Wanderer“ ist der Filmproduzent Aron Milchan und der Mann der auf dieser Terrasse saß war Sergio Leone. Leone der laut Aussagen von Milchan dort jeden Tag 11 Jahre lang saß und darauf wartete endlich Jemanden von seiner Idee begeistern zu können. Seiner Idee zu „Es war einmal in Amerika“.
Daraufhin bekam der Drehbuchautor Kevin Stuart eine Exposé mit ca. 200 Seiten(doppelt so viel wie eigentlich üblich) von Sergio Leone und dessen bisheriges Drehbuch. Das Drehbuch war auf italienischer Art. Das heißt die Beschreibung stand auf der linken Seite und der Dialog auf der rechten. Bei diesem Drehbuch war es aber so, dass auf der linken Seite die Beschreibung stand und auf der rechten gar nichts. Leone bat ihm das Buch zu Ende zu schreiben. So tat Stuart es und schrieb das Drehbuch was ohnehin schon fast 400 Seiten umfasste zu Ende. Fertiggestellt gab er es Leone. Sofort schlug dieser das Buch auf und fing an begeistert zu lesen. Er kicherte und lachte. Rief einen seiner Assistenten an und ließ ihm das Drehbuch im Beisein von Kevin Stuart vor. Als Leone fertig gelesen hatte kicherte er: „ Es ist lustig.“ Er wischte sich eine Träne weg und sagte: „Ich will es nicht lustig. Schreib es nochmal neu.“
Alle die an diesem Film beteiligt waren konnten bestätigen, dass Sergio Leone schon vorher wusste wie die Szene auszusehen hatte. Bevor überhaupt eine Minute Film gedreht wurde. Denn in seinem Kopf hatte Leone den Film vor 11 Jahren schon fertig gedreht. So wusste dieser auch vorher schon wo die Kamera zu stehen hatte und wie der ganze Film letztendlich auszusehen hat. Leone war auch in der Lage alle Rollen zu spielen. Von den großen bis hin zu den kleinen. Dennoch war er tolerant genug auch Vorschläge seiner Schauspieler entgegen zu nehmen und auch anzunehmen wenn diese ihm gefielen.
In den Hauptrollen konnte man Robert De Niro, James Woods, Elizabeth McGovern, Joe Pesci, Burt Young, Tuesday Weld, Treat Williams und Jennifer Connelly gewinnen um nur einige zu nennen. Ich selber muss gestehen, dass ich Jennifer Connelly erst erkannt hatte als ich den Film schon einige male gesehen hatte. So war diese mit knapp 14 Jahren ihre erste Rolle. Robert De Niro dagegen hatte bereits in diesem Genre Erfahrung. So war dieser bereits im zweiten Teil von „ Der Pate“ zu sehen.
Das Team und auch Leone waren klar: „Wir sind hier an etwas ganz Großem bei.“ Die Stimmung am Set war sehr Familiär. Oft verbrachte Leone die späten Stunden des Tages im Kreise aller Beteiligten und aß auch mit Ihnen zu Abend.
Der Film erzählt in drei ineinander verwobenen Zeitabschnitten (1922, 1932/33 und 1968) die Geschichte einer Bande die von kleinen Gaunereien, über Schutzgelderpressung bis hin zum Alkoholschmuggel in der Zeit der Prohibition entscheiden muss ob sie in das organisierte Verbrechen und der politischen Korruption mit einsteigen wollen.
Die Reaktionen auf den Film während der Filmfestspiele von Cannes 1984 waren verblüffend. 15 minütige stehende Ovationen. Eine Kritik lautete sogar:
„Filmemacher werft eure Filme ins Meer, Leone Bring Once open a Time in America.“
Gerüchten zu folge habe Leone so viel Material gedreht das er locker einen Zweiteiler draußen machen konnte aber daran hatte der Filmverleih kein Interesse. Ein anderes Gerücht behauptet das Leone eine Länge von knapp 8 Stunden an Filmmaterial gedreht hatte. Von diesen 8 Stunden schnitt er eine Ca. 4 stündige Version. Diese fast 4- Stundenversion war dem Filmverleih aber entschieden zu lang und somit musste Leone weiter schneiden. Man wollte einen 90 minütigen Film. Leone blutete das Herz. Denn musste er doch so das wesentliche herausschneiden. Er sagte zu einem Bekannten: „ jede Minute des Films kostet mich 5 Jahre meines Lebens. Sie verhunzen mein Werk.“
„Es war einmal in Amerika“ lief in den Kinos an. Was das Publikum jedoch zu Gesicht bekam war die Version die das Studio wollte. Nicht die Originalversion von Leone. Die Kritiker zerrissen den Film. Sheila Benson kürte den Film zum schlechtesten Film des Jahres. Der Verleih war sogar so unorganisiert, dass sie es auch vergaßen die Musik von Ennio Morricone anzumelden. Denn so bekam Morricone nicht die Chance auf eine Oscar-Nominierung für seine meisterhafte Musik. Alle beteiligten waren sich nämlich sicher das er den Oscar für diese Arbeit bekommen hätte.
Diese Reaktionen nahmen Leone sehr mit. Da steckte er soviel Herzblut und Leidenschaft in den Film und keiner durfte ihn so sehen wie er es sich gewünscht hatte. Es wurde bei ihm ein schweres Herzleiden diagnostiziert. Die einzige Hilfe wäre eine Transplantation gewesen aber diese kam für ihn niemals in Frage.
1989, während er an einer Produktion über die Belagerung Leningrads arbeitete erlitt Leone einen Herzinfarkt. An dessen Folgen er auch trauriger Weise verstarb.
Somit konnte Leone nie miterleben wie sein Meisterwerk von den Kritikern Rehabilitiert wurde. So wurde 1999 eine Fassung gezeigt die Leone´s Schnittfassung am nächsten kam. Es war Sheila Benson die „Es war einmal in Amerika“ als besten Film des Jahrtausends bezeichnete. Unter der Leitung von Martin Scorsese restaurierte man den Film 2012 und verlängerte die Fassung um 25 Minuten. Diese Fassung lief erneut bei den Filmfestspielen von Cannes und das sehr erfolgreich.
An Leone ist der Filmwelt einer der ganz Großen verloren gegangen. Ein Regisseur der seine ganze Leidenschaft in seinen wohl besten Film gesteckt hatte und dessen Mühen sich letztendlich ausgezahlt haben. Leider kam die gebührende Anerkennung recht spät und Sergio Leone konnte dies nicht mehr erleben. Wenn es sowas wie einen Filmhimmel gibt so dürfte Leone sich beruhigt zurücklehnen. „Es war einmal in Amerika“ einer meiner persönlichen Highlights der vergangen Tage.