Happy Bollsday!

22.06.2010 - 11:35 Uhr
45. Jahre Boll
45. Jahre Boll
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Einer der umstrittensten und gleichzeitig erfolgreichsten deutschen Regisseure hat Geburtstag. Wir gratulieren Doktor Uwe Boll!

Das Uwe Boll mit der klassischen deutschen Filmszene auf Kriegsfuss stehen würde, konnte schon erahnen, wer sich seine ersten Werke ansah: Weder German Fried Movie noch Barschel – Mord in Genf? passten so recht in das Bild des klassischen Autorenfilmers, der zufürderst das Große E und nur am Rande das böse U bedienen wollte. Uwe Boll ging von Anfang an in die Vollen. Wo Christoph Schlingensief das Texas Chainsaw Massacre zum Deutschen Kettensägenmassaker umwidmete und die Wiedervereinigung als blutige Groteske nachspielte, riskierte Boll den Vergleich mit dem legendären Kentucky Fried Movie und startete eine Low-Budget-Abrechnung mit dem deutschen TV-Wahnsinn der frühen 90er Jahre. Schon hier war klar: Boll fürchtete sich vor wenig und tiefstapeln war seine Sache nicht.

Doch während er auch in den folgenden Jahren fleissig weiterdrehte, nahm ihn die breite Öffentlichkeit erst nach seinem Sprung in die USA wirklich zur Kenntnis. Leider nicht mit dem durchaus ambitionierten (und gar nicht so schlechten) Heart of America – einem von Columbine inspirierten Drama – sondern durch die erste Videospielverfilmung, dem wahrlich missratenen House of the Dead, der die Fans des gleichnamigen Spiels zu kollektiven Hassausbrüchen reizte. Dass er gleich darauf zwei weitere – ebenfalls eher mässig gelungene Spieleverfilmungen nachlegte, festigte seinen zweifelhaften Ruf und inspirierte eine der fanatischsten Hass-Kampagnen des Netzzeitalters. Boll-Bashing wurde zur Mode, bis selbst diejenigen mitheulten und plapperten, die bestenfalls einen Film von ihm kannten.

Boll selbst war an der Reaktion sicher nicht ganz unschuldig, denn im Gegensatz zu anderen B-Filmern (oder A-Liga Stümpern wie Stephen Sommers und Michael Bay), ließ es Boll immer an der gewissen diplomatischen Note und der Kunst zu schweigen fehlen. Er pöbelte zurück, wenn er angegriffen wurde und schlug allzu eifrigen Kritikern auch schonmal im Boxring auf die Fresse – ohne ihnen zu verraten, dass er neben seinem Doktorentitel in Literaturwissenschaft auch auf gestandene Erfahrung im Boxring zurückblicken kann.

Bis heute ist Boll ein skurriler, meinungsstarker Charakter, der seine millionenschweren und oft starbesetzten Filme auf abenteuerliche Arten finanziert und trotz aller Hass-Kampagnen und sicherlich vielen eher schwachen Filmen nicht unterzukriegen ist. Er polarisiert und polarisiert auch gerne, wenn er über all das vom Leder zieht, was ihm politisch und in der Filmbranche auf die Nerven geht. Dabei kann man ihm viel vorwerfen, aber Boll beherzigt ein Credo der Unterhaltungsbranche: Er ist nie langweilig. Ob er nun Eli Roth und Michael Bay beschimpft und zum Schlagabtausch herausfordert, die größenwahnsinnige These aufstellt, er würde mit Postal Indy 4 locker schlagen oder Kritiker des Wired-Magazin als “eierlose idioten” bezeichnet – immer liefert Boll eine gute Show – ob man ihn jetzt mag oder nicht.

Bei fairer Betrachtung müssten auch Boll-Basher wohl zugeben, das seine schlechten Filme auch nicht wirklich schlimmer sind als anderer DTV-Schrott und viele seiner Werke eher im Bereich “Mittelmass” anzusiedeln sind. Boll ist sicherlich kein verkanntes Genie – und der Schnitt vieler seine Filme ist eher gewöhnungsbedürftig – aber es gibt viele andere Machwerke, die sich den Hass der Filmgemeinde viel mehr verdient hätten. Und solange ein Streifen wie Doom – Der Film ungestraft sein Publikum findet, hat eigentlich niemand das Recht sich über Far Cry aufzuregen.

Und vielleicht müssen sich die Boll-Basher auch wirklich langsam ein anderes Ziel suchen, denn wenn schon die letzten Boll-Werke gemischte Kritiken statt einheitlicher Verrisse bekamen und ein Film wie Postal zumindest für seine unglaubliche Chuzpe und die geniale Intro-Sequenz Achtung verdient, könnte sich das Blatt mit seinem neuestens Werk Rampage – Rache ist unbarmherzig tatsächlich wenden. Diese tiefschwarze Amoklauf-Komödie ist nicht nur provokant und heftig, wie man es von Boll gewohnt ist, sie ist auch tatsächlich kompetent gemacht, gespielt und geschrieben. Der Low-Budget-Film ist die kompromislos düster erzählte Chronik eines minutiös geplanten Amoklaufs, der nicht nur mit einem verstörend ambivalenten Hauptdarsteller aufwartet, sondern mit tatsächlich herausfordernden Fragen überrascht, deren Radikalität vielen wohl schwer im Magen liegen dürfte.

Von einigen Seiten wurde Rampage – Rache ist unbarmherzig deswegen schon als Wendepunkt in Bolls Karriere gefeiert. Ob das stimmt und ob er mit seinem sicher ebenfalls schwierigen Projekt Darfur – Der vergessene Krieg oder dem Max Schmeling-Biopic weitere Pluspunkte sammeln kann, dürfen wir gespannt verfolgen. Für eine Überraschung ist “uns’ Uwe” ja immer gut.

In diesem Sinne: Happy Birthday und auf viele weitere, umstrittene Jahre, Doktor Boll!

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