Ich, Zweimal Judas & das magische Wagenrad

07.07.2012 - 15:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Mein Herz für Klassiker: Zweimal Judas
KSM
Mein Herz für Klassiker: Zweimal Judas
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Als Nicht-Western-Fan plötzlich einen Westernfilm zu gucken und ihn dann sogar zu mögen – das kommt auch nicht alle Tage vor. Zweimal Judas hat mich jedoch so sehr beeindruckt, dass ich ihm mein Herz für Klassiker widme.

Die spanisch-italienische Gemeinschaftsproduktion Zweimal Judas stammt von Nando Cicero, der vorwiegend Filme mit recht seltsam anmutenden Titeln drehte: Die trüben Tassen der Stube 9, Die Bumsköpfe, Zwei Trottel an der Front, Wer hat euch bloß den Führerschein gegeben? – die Liste könnte noch ewig so fortgesetzt werden, aber belassen wir es vorerst dabei. Heute geht es mir schließlich um seinen Western von 1969. Zweimal Judas ist nicht unbedingt der Vorzeigewestern, auch nicht der bekannteste Film von Klaus Kinski, aber ich möchte ihn euch trotzdem (oder gerade deswegen) näher bringen.

Zunächst einmal gibt es da ein großes Problem mit dem Titel des Films. Der Western heißt überall anders, welcher da der Originaltitel ist, kann wohl niemand mehr mit Sicherheit sagen. Die Italiener nennen ihn Due volta Giuda, in Spanien heißt er Dos veces Judas, die Amerikaner haben gleich mehrere Titel im Angebot (Shoot Twice oder Twice a Judas). Für die Fernsehausstrahlung in der DDR erhielt Zweimal Judas jedoch den viel schöneren Titel Kugeln tragen keine Unterschrift. Wie metaphorisch…

Warum ich Zweimal Judas mein Herz schenkte
Ein Westernheld mit Gedächtnislücken? Geht sowas bzw. darf ein Filmemacher sowas, wenn er in seiner Branche ernst genommen werden will? Ach ja, ich vergaß – Nando Cicero wollte das ja vielleicht gar nicht. Unfreiwillig komisch ist Zweimal Judas allerdings nicht, ganz im Gegenteil. Es ist ein zutiefst erschütternder Film über einen Mann namens Luke Barrett (Antonio Sabato), der eines Tages neben einer Leiche aufwacht, während schon die Aasgeier über ihm kreisen. Dummerweise kann er sich an nichts erinnern – nicht an seinen toten Nebenmann und schon gar nicht an die Rolle, die er bei dessen Tod gespielt haben könnte. Oder ist er vielleicht gar nicht der Mörder dieses Unbekannten? Gemeinsam mit dem verwirrten Helden reisen wir in den nächsten Saloon und arbeiten gemeinsam mit ihm seine Gedächtnislücken auf. Ganz nebenbei stellt sich da die Frage, wer dieser mysteriöse Dingus sein könnte.

Warum auch andere Zweimal Judas lieben werden
Spannung, wilde Schießereien, ein paar Leichen – was braucht ein Film denn eigentlich mehr, um den Zuschauer zu packen? Auch die Story ist kohärent, sodass auch ungeübte Westerngucker wie ich problemlos folgen können. Doch am beeindruckendsten ist meiner Meinung nach die Szene, in der Luke sich mit Hilfe eines Anhängers geschickt fortbewegt, ohne in die Schusslinie der unzähligen Gegner zu geraten. Er hängt sich an den Wagen, geht dadurch in Deckung und dreht die Räder mit seinen Füßen immer weiter, auf fast schon magische Weise, bis er die nächste Deckung erreicht hat. Damit zeigt uns der charismatische Hauptdarsteller Antonio Sabato eine gelungene Artistikeinlage. Dass seine Gegner in dieser Szene irgendwie nur wie Fallobst agieren, ist da gar nicht mehr so schlimm. Der große Showdown zwischen Luke und dem mysteriösen Dingus ist dann glücklicherweise doch etwas spannender gestaltet.

Warum Zweimal Judas einzigartig ist
Ich bin wie gesagt kein großer Westernkenner, aber ich schätze, ein Protagonist, der unter Amnesie leidet, kommt in diesem Genre nicht ganz so oft vor. Gab es das im Spaghetti-Western überhaupt schon mal? Und auch sonst ist Zweimal Judas wirklich einzigartig. Warum? Tja, wo soll ich da anfangen? Nehmen wir zum Beispiel den markdurchdringenden Blick des dunkel gekleideten Mannes, von dem Luke im Saloon das unmoralische Angebot erhält, seinen Bruder Victor zu töten. So finster und stechend kann sonst wohl niemand gucken. Würde mich jemand so anschauen, ich würde alles tun, was mir befohlen wird. Luke ist da zum Glück anders. Die Anzahlung seines geheimnisvollen Auftraggebers nimmt er aber trotzdem.

Warum Zweimal Judas die Jahrzehnte überdauerte
Verräter, Lügner und Intriganten sterben nie aus und wenn Klaus Kinski etwas konnte, dann konnte er verlogene Hunde spielen wie kaum ein Zweiter. In Zweimal Judas ist er das Ekelpaket schlechthin und in der Rolle des zwielichtigen Victor Barrett weiß er wirklich komplett zu überzeugen. In seinen Puffärmelhemden erinnert Kinski hier teilweise an Darsteller aus Piratenfilmen, aber das tut der Sache keinen Abbruch. Kostüme sind ja nur schmückendes Beiwerk. Und wer es trotz dieser gewöhnungsbedürftigen Ausstattung bis zum Ende des Films geschafft hat, der wird mit einem Ritt in den Sonnenuntergang belohnt – zu idyllischer Abspannmusik.

Hat euch Zweimal Judas genauso beeindruckt wie mich?

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