Werte moviepilot-Community,
an einem freien Nachmittag, den ich ausnahmsweise nicht zum Filme gucken genutzt habe (Schande über mein Haupt), habe ich dennoch über die zweitbeste Nebenbeschäftigung sinniert. Es geht um die Daseinsberechtigung und den Nutzen von Filmkritik. Ich werde versuchen, meine Meinung systematisch darzulegen, doch würde ich mir nicht anmaßen, die Vorgehensweise als wissenschaftlich zu bezeichnen.
Zunächst zu den Schlüsselwörtern und ihrer Kernbedeutung. Ich liebe die deutsche Sprache für ihre Präzision und Vielschichtigkeit. So muss ich doch leider miterleben, wie die Bedeutung von Begriffen sehr verwischt und verquirlt wird. Ein, wie ich finde, ziemlich verwischter Begriff ist Kritik. Kritik hat zwei Stufen: die Beurteilung und die Hilfestellung. Die Beurteilung muss anhand von Maßstäben stattfinden, allein schon der Objektivität wegen. Die Hilfestellung macht auf Fehler aufmerksam und gibt Lösungsvorschläge.
Nicht zu verwechseln ist Kritik mit Analyse. Das wäre ein Beispiel, wo ich die Unkenntlichmachung des Begriffs sehe. Denn Analyse ist ein weitaus tiefergehender, gegliederter Text, der dennoch eine Kritik als Teilabschnitt innehaben kann. Doch auf die Analyse als Beurteilungsform werde ich zurückkommen.
Beurteilung anhand von Maßstäben – und schon fangen die Probleme an: Welche Maßstäbe gelten beim Film? Das Messen an ähnlichen Filmen wäre eine Ausflucht, und würde strenggenommen den Maßstab ad absurdum führen. Doch es gibt ein gewisses Handwerk des Filmemachens. Und ein Handwerk muss Standards entsprechen, es erhält einen unterschiedlichen Wert durch das mehr oder minder beherrschte Können des Handwerkers. Ob der Wert nach getaner Arbeit oder erst nach einer Beurteilung entsteht, wäre eine weitere, interessante Frage. Gehen wir davon aus, dass erst eine Beurteilung dem Gegenstand einen spezifischen Wert zuordnen kann. Wer „dürfte“ die Position des Beurteilers einnehmen? Im klassischen Handwerk, wie z.B. beim Schreinern wird die Arbeit des Lehrlings oder Gesellen zuerst durch seinen Meister beurteilt.
Ist also eine Beurteilung eines Filmes allein Filmemachern vorbehalten, sogar nur den „Altmeistern“? Filmemacher dürften und sollten sich zu Arbeiten ihrer Kollegen äußern, zumal sie den zweiten Aspekt von Kritik, die Hilfestellung, wohl eher beherrschen, als Außenstehende. Doch wenn sich einer äußert, ist schnell die Rede von „Zickenkrieg in Hollywood“. Wer darf sich noch äußern, zum Tisch des Gesellen? Natürlich der Kunde. Er wird es sein, der diesen Tisch benutzt und dafür bezahlt. Wofür bezahlt er? Für einen funktionierenden Tisch. Wofür bezahlt ein Kunde bei seinem Kinobesuch? Für das Erfüllen seiner Erwartungen. Ein ziemlich narzisstisches Verhalten, geradezu anmaßend, oder nicht? Nicht so sehr, wenn sich der Kunde und der Filmemacher sowieso bewusst sind, es nicht mit einem Individualkunden zu tun zu haben, sondern mit einer Gruppe von Kunden, die am selben Produkt teilhaben.
Dem Kunden muss klar sein, dass der Film in keiner Weise seine Erwartungen kennt und diese zu erfüllen versucht (ich weiß, sehr banal, aber manchmal doch erschrecken real, wie oft diese Feststellung benutzt werden muss). Und dem Filmemacher lastet auf den Schultern, die Erwartungen von potenziell Millionen von Kunden an ein bestimmtes Genre zu einem Konsensbrei zusammenfassen zu müssen. Bei großen Produktionen hat der Filmemacher Glück, denn die Studios kennen diese aktuelle Erwartungshaltung, und es entstehen die Filme, die wir gerne als Mainstream titulieren. Weil der Kunde bezahlt hat, und das Produkt gesehen hat, darf er sich in die Position eines Beurteilers bringen. Und er tut das auch zu Genüge. Gleichzeitig wurden Kritiker auserkoren (von wem auch immer), öffentlichkeitswirksam ihre, immer noch auf sich selbst als einzigen Kunden beziehende, Beurteilung verfassen. Fast immer ohne den zweiten Aspekt der Hilfestellung.
Ich habe bis jetzt nur das Handwerk als Maßstab behandelt. Ich hoffe ihr verzeiht mir, wenn ich es bei diesem einzigen Maßstab belasse, aber der Text würde ausufern. Doch somit biete ich euch ja auch an, weitere Maßstäbe ausfindig zu machen. :D