Wie Maria Furtwängler betont, wirkt sie in ihrer Rolle der Kommissarin Charlotte Lindholm nur glaubwürdig, wenn sie tatsächlich die Angst und die Panik zulässt. Hier beantwortet sie Fragen zum Tatort: Das Gespenst.
In Ihrem neuen Fall spielt afrikanische Politik eine Rolle. Finden Sie es gut, dass Sie jetzt einen größer angelegten Krimi gedreht haben?
Ja, schon. Aber bereits der vorige Fall war mit Atommüll in Gorleben und Recherchen in Barcelona wieder etwas größer angelegt. Ich mag es nicht ungern, wenn Charlotte im dörflichen Umfeld ermittelt, fand es aber ebenso gut, jetzt zweimal die größere Welt in den Blick zu nehmen.
Wollen Sie der Gefahr vorbeugen, dass Ihr “Tatort” mit Charlottes Baby und Martin als Babysitter eine Spur zu familiär werden könnte?
Bei unserem Atomschmuggel-Fall hatten wir tatsächlich das Bedürfnis, ein Gegengewicht aufzubauen. Dass die neue Episode “Das Gespenst” wieder in Hannover spielt und Verbindungen bis nach Afrika aufweist, war eher ein Zufall. Hier war die Qualität des Drehbuchs von Stefan Dähnert entscheidend.
Charlotte Lindholms Privatleben wird dabei keineswegs komplett ausgeblendet. Sie muss erkennen, dass ihre Schulfreundin Manu einen Polizisten erschossen hat.
Gerade für die Lindholm, die ja nicht viele Freundinnen hat, ist das eine schmerzliche Erkenntnis. Wen hat sie denn? Sie hat Belinda, die sie trifft, wenn einmal Not am Mann ist. Wir erleben sie nie mit Freundinnen in geselliger Runde – da ist nicht viel, wenn man von ihrer unkonventionellen Kleinfamilie absieht. Und Manu war schließlich einmal ihre allerengste, allerliebste Freundin. Und seit dieser Freundschaft zu Manu hatte sie nie wieder eine so enge Freundin, nie wieder jemand, der ihr so nahe war wie diese Frau.
Worin besteht für Sie der Reiz dieses Zusammentreffens?
Den Reiz sehe ich darin, dass man einen Menschen, den man von früher kennt und jetzt in einem anderen Zusammenhang wiedertrifft, schärfer und klarer beurteilt als andere Menschen. Gerade weil Charlotte so eng mit Manu befreundet war, ist sie nun so überaus streng mit ihr. Das ist vergleichbar mit Lehrern, die ihre eigenen Kinder unterrichten und mit diesen Kindern besonders streng umgehen. Für Charlotte ist die Suche nach Manu zudem auch ein Wiederentdecken ihrer eigenen Kindheit. Sie besucht Manus Mutter, erkennt, wie viel Zeit seither vergangen ist und wie das Haus, das ihr früher so groß und schön erschien, nun ziemlich klein wirkt.
Muss bei so einer wichtigen Figur wie der Jugendfreundin die Besetzung besonders stimmig sein?
Ich habe mich sehr auf Karoline Eichhorn als Schauspielerin gefreut. Ich habe sie schon oft in ihren Rollen gesehen und fand sie schauspielerisch in einigen Filmen ungemein stark. Vor allem aber sind wir uns vom Typ her sehr ähnlich. Eine meiner engsten Freundinnen der Kindheit war in der Tat ein ähnlicher Typ wie Karoline Eichhorn – ein Wildfang, mit dem ich Pferde stehlen konnte. Ich konnte es mir daher bei Karoline besonders gut vorstellen, dass Charlotte und ihre Manu damals eine wilde, innige Mädchenfreundschaft hatten – eine Freundschaft zwischen zwei so genannten Tomboys, zwei burschikosen Mädchen, die eher wie Jungs wirkten und nicht mit Kleidchen und Lippenstift herumliefen.
Am intensivsten begegnen Sie und Karoline Eichhorn sich in ihren Rollen, als Manu unerwartet in Charlottes Wohnung auftaucht und zu ihr in die Badewanne steigt. War es hier entscheidend, eine Begegnung auf Augenhöhe zu inszenieren?
Die Badewannen-Szene war eine der zwei, drei Szenen, die ich schon beim Lesen des Drehbuchs sehr mochte und auf die ich mich sehr gefreut habe. Da entsteht einfach ein sehr starkes Bild: Zwei Frauen begeben sich in diese sehr intime, sehr kuschelige Wohlfühl-Situation, obwohl sie gleichzeitig miteinander verfeindet sind und Manu mich als Kommissarin hier mit der Waffe in Schach hält. Diese Szene hat wirklich Spaß gemacht.
Prallen bei Manu und Lindholm auch zwei konträre Vorstellungen von Gerechtigkeit aufeinander?
Für Lindholm ist ein Mord durch nichts zu rechtfertigen. Sie wehrt sich nicht dagegen, dass Manu und ihre Organisation gegen ungerechte, unmenschliche politische Verhältnisse vorgehen wollen. Aber sie ist nicht bereit, den Tod eines unschuldigen Menschen, hier den des jungen Polizisten und Familienvaters, in Kauf zu nehmen. Sie akzeptiert es nicht, dass dieser Tod als Kollateralschaden der politischen Auseinandersetzung einfach so hingenommen wird. Mord, auch politisch motiviert, ist für Charlotte in keiner Weise hinnehmbar.
Neben der Wiederbegegnung mit der Jugendfreundin gehört die Welt des Geheimdienstes zu den Kernelementen dieses Films. Charlotte Lindholms Ermittlungen bringen Sie sogar in direkte Konfrontation mit den Spionen. Macht das diesen Fall besonders knifflig?
Der Geheimdienst ist kein Gegner, mit dem zu spaßen ist. Die Macht und Zielstrebigkeit der Agenten bringen Charlotte in besondere Bedrängnis. Ich halte es für sehr reizvoll, dass sich Lindholm, die sonst bei ihren Ermittlungen eindeutig die Chefin im Ring ist, hier einmal mit einem so starken Gegner konfrontiert sieht, dass sie sich kräftig die Zähne dabei ausbeißt.
Da Lindholm nicht aufgibt, gerät sie schließlich sogar in Lebensgefahr, muss sich knebeln und fesseln lassen. Sicher kein Zuckerschlecken für Sie, diese Szene – oder?
Das war sowohl psychisch als auch physisch anstrengend. In meiner Rolle wirke ich nur glaubwürdig, wenn ich tatsächlich die Angst und die Panik zulasse, die eine solch lebensbedrohliche Situation mit sich bringt – und das ist psychisch und körperlich ganz schön anstrengend. Außerdem schmerzen irgendwann die Handgelenke, weil Regisseur Dror Zahavi mich durchaus mit echten Metallschellen fesseln ließ, an denen ich dann kräftig zerren durfte.
Und da stellt man sich vor, dass Sie als Hauptdarstellerin etwas weicher gepolstert werden …
Das geschah dann zum Glück am nächsten Tag, aber da schillerten meine Handgelenke schon zwischen rot und blau.
Quelle: Mit Material vom NDR