Meg sollte ein richtig brutaler Haifilm werden, durfte es aber nicht

11.08.2018 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Meg mit Jason StahamWarner Bros.
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Meg ist der Beweis, dass es möglich ist, einen Gore-Film in einen Familienfilm zu verwandeln. Denn der Hai-Horror wurde noch während seines Drehs radikal umgekrempelt.

Achtung, leichte Spoiler zu Meg: Sein Finale beginnt Meg mit einer Luftaufnahme von einem gut besuchten Strand. Es gibt diese Shots übers Hai-All-You-Can-Eat-Buffet genauso in Der weiße Hai und Piranha 3D. Die Leute plantschen guter Dinge im Meer und provozieren allein mit ihrer Lebensfreude die Raubfische, die natürlich viel Appetit mitbringen und meist mehr Mensch essen, als ihre Mägen tatsächlich aufnehmen könnten - im Hai-Horror haben Haie solange Hunger, wie es das Drehbuch vorsieht, sie sind Fässer ohne Boden. Je mehr Appetit, desto mehr Gore, niemanden kümmert's. In Meg aber bleibt das Gemetzel aus. Megs Tag am Strand ist die irritierendste Sequenz des Films, weil sie den Pay-off, die Belohnung schuldig bleibt, die das Genre verspricht. Wenn ihr Meg schaut, fühlt sich die Szene wahrscheinlich seltsam unvollständig an. So uninteressant Meg, "Der weiße Hai auf Steroiden", als Film ist, so viele Aufschlüsse gereicht er als Fallstudie in Blockbuster-Optimierung.

Die Meg-Geschichte: Vom brutalen Gore zum Familienfilm

In den letzten zwei Jahren ist Meg gewachsen. Als das Projekt 2016 angekündigt wurde, erwarteten wir einen mittelständischen Monsterfilm, vielleicht eine Kreuzung aus Deep Blue Sea und The Mechanic, keinen Blockbuster. Ein Film über einen in die Gegenwart versetzten riesigen Urzeithai klingt auch einfach wie die Godzilla-Version von Piranha 3D. Nicht zufällig wurde zunächst Genre-Regisseur Eli Roth mit dem Projekt in Verbindung gebracht. Es sah alles danach aus, als würde Meg, der Größe seines Hais zum Trotz, ein kleines Publikum anvisieren und ein schicker Mid-Budget-Monsterhorror mit Ecken, Kanten und angemessenem Gore werden.

Meg

Genauso war es auch geplant. Der "ganze gute Scheiß" wurde zwar gedreht, aber gar nicht erst in den fertigen Film aufgenommen, verriet Regisseur Jon Turteltaub Bloody Disgusting . "Die Menge an erschreckenden, widerlichen und blutigen Toden, die wir rausnehmen mussten, ist sowas von tragisch."

Jason Statham wurde für Meg unerwartet zum strahlenden Helden

Turteltaub hatte zunächst einen komplett anderen Film gedreht, als ihn das Studio Warner letztlich sehen wollte. Die Eingriffe waren gravierend. Sie lifteten den Horror-Gore zu einem Familienfilm: “Wir hatten eine Menge visuelle Effekte für Gore-Szenen fertiggestellt", die passten irgendwann nicht mehr zum angestrebten PG-13-Rating, das eine größere Einzugsschicht ermöglicht. Irgendwo mittendrin im Produktionsprozess hat Meg mit quietschenden Reifen eine scharfe Abzweigung genommen, wie auch Hauptdarsteller Jason Statham bestätigt.

Statham hat mit Meg nicht den Film gedreht, für den er unterschrieb, erzählte er Collider . "Ich hätte einen Film gemacht, den nicht viele Leute sehen wollen." Jason Statham ist nicht die Art Schauspieler, die sich viel um solche Änderungen schert. Aber der Interviewer von Collider kitzelt doch noch einen leichten Groll aus ihm heraus. "Das Drehbuch war vollkommen anders. Manchmal fragte ich mich einfach, 'Wie ist das passiert? Wie ist es so weit gekommen?'" Statham ist sich des absurden Verhältnisses zwischen Hai-Größe und Gewaltgrad durchaus bewusst: "Wo ist das verdammte Blut, ich meine, da ist ein Hai!"

Jason Statham neben Meiying

Meg ist weder Fisch noch Fleisch - und das verspricht mehr Zuschauer

Statham drehte anstelle der Gore-Sequenzen viele Szenen, die ihn als kinderfreundlichen Helden zeichnen. Der lange Abschnitt etwa, in dem er seine Ex-Frau und einen Teil des Teams aus der Tiefsee rettet, war im ursprünglichen Drehbuch-Entwurf nicht enthalten. Die eigentliche Hai-Jagd rückte dafür in das Heck der Handlung. Die knuddelige Beziehung des beinharten Statham-Jonas zur kleinen Meiying entstand wahrscheinlich ebenfalls in der "Macht Meg zu einem Four Quadrant Movie"-Taskforce. Denn das sollte Meg auf halber Strecke werden, ein Film, der sowohl männliche als auch weibliche Zuschauer aller Altersgruppen anspricht. Vier-Quadranten-Filme sind immer Ergebnisse wagemutiger stilistischer Spagate. Aber selten war der Spagat so kompliziert wie bei Meg.

Warum musste Meg so kurzfristig unbedingt ein Four Quadrant Movie werden?

Meg war teuer. 150 Millionen Dollar kostete die Produktion, was natürlich viel zu viel ist für einen Nischen-Film, der lediglich an Special-Interest-Zuschauer ausgespielt wird. Die Kosten sind wahrscheinlich erst explodiert, nachdem Warner das Zielpublikum änderte und die Nachdrehs in Auftrag gab. Das erklärt auch die lange Produktionszeit. Fast zwei Jahre liegen zwischen Dreh und Veröffentlichung. Die Abstimmung des Films auf den chinesischen Markt könnte zudem in einem Abwasch mit den Anpassungen an ein Ab-12-Jahren-Publikum erledigt worden sein. Gerade in China ist für Meg an diesem Woche ein ungewöhnlich breiter Release geplant: In bis zu 20.000 Kinosälen wird Meg am ersten Wochenende laufen, das sind fast 100.000 Vorstellungen pro Tag, schreibt Variety . Blutige Gore-Szenen passen zu diesem Massenpublikum nicht. Es ist wie bei Der weiße Hai: Du schneidest einen mit Menschen gefüllten Hai-Bauch nicht vor den Augen des Dorfes auf, die wirklich ekligen Sachen bleiben einem ausgewählten Publikum vorbehalten.

Meg

Eine Blockbuster-reife Kinoauswertung erhält Meg nun, und die einfallsreiche Werbekampagne konnte zudem einen gescheiten Haipe generieren. Meg wird als der perfekte Spätsommer-Blockbuster wahrgenommen und verkauft. Auch in Deutschland wurde die FSK-Freigabe auf 12 Jahre festgelegt. Das freut wenigstens den Meg-Regisseur: “Meine Frau ist froh darüber und ich finde es toll, dass meine Kinder den Film sehen können." Jon Turteltaub, so ziemlich das Gegenteil von Eli Roth, drehte bisher familienfreundliche Filme wie Cool Runnings, The Kid und Das Vermächtnis des geheimen Buches - alle für Disney. The Meg basiert auf einer erfolgreichen Buchreihe aus dem Jahr 1997, woran sich Disney zuerst die Rechte gesichert hatte, bevor sie 20 Jahre von Hand zu Hand wanderten und schließlich bei Warner landeten.

Die Frage ist also nicht, warum Meg kein Gore-Film mehr ist, sondern warum er es überhaupt je war. Ob die Verwandlung zum Zwischenwesen gelungen ist, wird sich nach dem ersten Wochenende sagen lassen, das Meg mit Pauken und Trompeten antritt. Erkennt das Publikum einen auf halber Strecke umgekrempelten Film?

Hattet ihr trotzdem Spaß mit Meg?

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