Inspiriert von den Album-Reviews des lieben Martin Canine wollte ich auch mal etwas Anderes ausprobieren und statt über Filme und Doctor Who über Musik schreiben. Ich habe nämlich keine Ahnung, ob ich das kann. Das dürft ihr entscheiden, indem ihr euch durch diese liebevoll zusammengetragene Liste scrollt.
Es ist übrigens möglich, dass jüngere Releases etwas übervorteilt wurden, das sagt mir die objektive Tatsache, dass das Jahr 2015 hier deutlich öfter auftaucht als 2010 oder 2011, aber ich bin halt alt und vergesslich und kenne nur die Alben, die gerade gestern rausgekommen sind.
15. K.I.Z. – Hurra die Welt geht unter (2015)
K.I.Z. waren schon immer lustig und sie waren schon immer lustig auf diese Art, das man sich beim Lachen leicht unwohl fühlt. Was sie in ihrem letzten Album angestellt haben, geht aber einen ziemlichen Schritt weiter. Ein Alibi-Representer-Track am Anfang, dann ein komplett durchpolitisierter Amboss von einer Platte, ein Song unangenehmer und gleichzeitig faszinierender als der andere. Tracks wie Ariane, Käfigbett oder Was würde Manny Marc tun sind nicht nur Albtraum-Förderer und gleichzeitig trotzdem irgendwie komisch, sie sind auch musikalisch brilliant. Es ist ein Wunder, dass der Kapitalismus dieses Album überlebt hat.
14. Oh Land – Oh Land (2011)
Die fabelhafte Nanna Øland Fabricius ist schon eine ganze Weile dope Mucke am Droppen und ihre selbstbetitelte LP ist vermutlich die, die am nahtlosesten zusammenhängt. Das Ding ist: Sie gibt offensichtlich keinen Fick auf irgendwas, was mitunter zu etwas konfus und verwirrt wirkenden Alben führt, die schwer voneinander zu unterscheiden sind. Aber die individuellen Songs haben es in sich, heieiei. Von schmutzigen Beats zu seichten Popsongs und alles mit gleich viel Liebe in die Keys gehauen. Und das Video da oben ist sogar eine The Prestige-Hommage! Zum Verzaubern.
13. The Dø – Shake, Shook, Shaken (2014)
Der meistbeklickte Tweet auf meinem (schmächtigen) Twitter-Account ist ein Konzertfoto von The Dø-Energiebündel Olivia Merilahti und der Caption “Seeing @thedoband live is the most fun you can possibly have in this world without having to take your pants off.” Was wiederum daran liegt, dass die Band es geretweetet hat. Ein großer Moment für mich. Und sicher auch ein großer Moment für sie. Weil ihnen endlich jemand gesagt hat, wie gut sie sind. Ich bin mir sicher, dass kommt bei einem 12-Explosions-Tracks-müsst-ihr-sein-Album wie Shake, Shook, Shaken sonst kaum vor.
12. Florence and the Machine – How Big, How Blue, How Beautiful (2015)
Florence Welch und ihre eindrucksvollen musikalischen Unternehmungen verbinde ich im Kopf irgendwie immer mit "Scale", mit gigantischen Ausmaßen. Vielleicht liegt es an ihrer gewaltigen Stimme, die ganze Planeten umspannen zu scheint oder an den pompösen letzten zwei Alben, denn How Big, How Blue, How Beautiful, ihr bestes Album bis jetzt, zieht eher die Bremsen aus und zieht sich ins Einfache und Persönliche zurück, Was natürlich nicht heißt, dass die Songs nicht immer noch rocken wie e gsenkte Sau.
11. Casper – XOXO (2011)
Eine dieser magischen Geschichten: Ein Musiker nimmt ein Album auf, anfangs in dem Glauben, es würde vielleicht sein Letztes und lässt dafür alles raus, was ihn in seinem Leben geplagt hat. XOXO erzählt von einem Mann, der einen letzten Blick zurück in die Kindheit wirft, um endlich erwachsen zu werden und diese Position zwischen den Welten ist es, was dieses Album so fantastisch macht. Das davor ist scheiße. Das danach ist scheiße. Casper ist nur dieses eine Ding. Klingt fies, ist aber immer noch deutlich mehr, als fast alle anderen Menschen musikalisch je erreichen werden.
10. Lucy Rose – Work it Out (2015)
Ich habe keine Ahnung, warum Lucy Rose nicht schon längst die neue süße Indie-Ikone ihrer Generation ist. Sie ist jung, aufregend, unfassbar niedlich und schreibt so gute Musik, dass ich beim Konzert bei jedem einzelnen Lied gedacht habe, es wäre mein Lieblingslied. Spätestens nach dem zehnten hätte ich Verdacht schöpfen können. Work It Out ist ein quirliges, summendes und mitreißendes Indie-Pop-Album, wie es nur vorkommt, wenn sie es macht.
9. Boy – We Were Here (2015)
So, ein bisschen muss ich ja auch überraschen. Aus mir unerfindlichen Gründen bin ich nämlich anscheinend (zumindest unter den Leuten, mit denen ich über sowas rede) der Einzige, der dieses Album seit letztem Jahr bei so gut wie jeder Autofahrt reinhaut und für den diese Songs jetzt schon so etwas wie Zuhause sind. We Were Here ist mit neun Liedern fast schon obszön kurz für ein Pop-Album, auf das man drei Jahre warten musste, aber jeder einzelne davon ist insanely relistenable und jedes Mal aufs Neue cool bis zum Horizont. Fast jedes Stück hat ein Finale, das so erhaben klingt, dass es einen glatt von der Straße in den Himmel hebt. Live ist das Ganze übrigens, merkwürdigerweise, nicht ganz so cool. Warum, weiß ich auch nicht. Aber sicher wird das eines Tages erforscht werden.
8. Spaceman Spiff – …und im Fenster immer noch Wetter (2011)
Mein Geheimtipp! Ja, ganz und gar meiner. Einmal will ich mir erlauben, den Hipster in mir rauszulassen und stolz zu verkünden, dass ich den wunderbaren Spaceman Spiff schon vor allem anderen entdeckt hatte. Und hier passt das auch irgendwie, denn dieses minimalistische Gitarre-Gesang-Album sowie der etwas aufwendiger instrumentierte Nachfolger Endlich Nichts ist das Hipsteralbum, das alle anderen Hipsteralben sein wollen. Er trifft den Ton zwischen Melancholie und Lebenslust einfach perfekt und man weiß genau, wären die Texte auch nur einen Hauch schlechter, wäre dieses Album unerträglich schwülstig und wie ein mittelmäßiger Poetry Slam. Aber weil der Spaceman so gut ist, es so toll rüberkommt, funktioniert es trotzdem.
7. Courtney Barnett – Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit (2015)
Rock’n’Roll lebt! Die lakonische, fast schon gelangweilte Stimme Courtney Barnetts geht mit den krachenden Gitarren und rücksichtlosen Drums eine sehr sehr eigenwillige, aber hundertprozentig steilgehende Symbiose ein. Wenn irgendjemand irgendwo diese Platte auflegt, dann rockt die Welt. Mit gerunzelter Stirn und leicht neurotisch wackelnd.
6. Arcade Fire – The Suburbs (2010)
Manche Alben brauchen einige Zeit, um in den Köpfen der Leute zu wachsen, andere wie The Suburbs sind eines Tages da und werden noch vor dem Einbrechen der Dämmerung zu Klassikern gekürt. Und jetzt, sechs Jahre später, reichen die ersten paar Takte und ich bin sofort wieder an diesem Tag angekommen, an dem all das noch jung und aufregend war. Bereit, noch einmal auf die Reise zu gehen. Das beste Album einer herausragenden Band.
5. Agnes Obel – Aventine (2013)
Nachts-Musik. Wie Träume, die in der Dunkelheit über das Fenstersims nach innen gekrabbelt kommen, verbreitet dieses Album eine Aura der Umnachtung. Die vielen klassischen Instrumente werden nur zaghaft eingesetzt, fast, als wollten sie den Rest der Welt nicht aufwecken und einfach nur sanft ihren Schlaf besingen. Die Lieder strahlen eine Erhabenheit aus, sie schimmern wie ein Fluss unter der Straßenlaterne und bleiben hängen wie ein kurzes und richtig, richtig gutes Gedicht. Wunderschön und spukhaft.
4. Miley Cyrus and her dead petz (2015)
Ja, dass ich mal ein Miley Cyrus-Album so unglaublich abfeiern würde, hätte ich vor ein paar Jahren sicher nicht gedacht. Aber was soll ich denn machen, wenn Bang Me Box mich immer wieder für vier Minuten aus der Welt zaubert, Pablo the Blowfish mich zum Heulen bringt und Twinkie Song die Zeit anhält? Aus künstlerischer Sicht wurde Miley Cyrus offensichtlich auf die Welt gesetzt, um Songs über Sex und Kugelfische zu singen. Wer daran zweifelt, soll halt pessimistisch sterben.
3. Radiohead – The King of Limbs (2011)
Das neueste und vergleichsweise umstrittene Radiohead-Ding ist so abstrakt, es scheint die ganze Zeit vor einem weglaufen zu wollen. Elektronische Beats trommeln um einen herum, als hätten Beatboxen und Synthesizer sich in den Urwald zurückgetragen und dort einen unzivilisierten Stamm gegründet, nur um auf der zweiten Hälfte des Albums langsam zu den etwas vertrauteren Radioheadklängen zurückzufließen und irgendwo zwischen Himmel und Erde verloren zu gehen. Dieses ganze Album klingt wie eine Maschine, die allmählich ein Bewusstsein erlangt. Soll heißen: Es klingt sehr gut.
2. Dirty Projectors – Swing Lo Magellan (2012)
Hand aufs Herz: So ganz verstanden habe ich dieses Album immer noch nicht. Wie das Schlagzeug zum Bass, die Gitarren zum Gesang passen sollen, keine Ahnung. Die Songs klingen alle widerspenstig, als würden sich die verschiedenen Spuren verzweifelt dagegen wehren, zu einer Einheit zusammengeschlossen zu werden. Der oben verlinkte Titeltrick ist im Vergleich noch unglaublich leicht eingängig und simpel, doch wie alle Songs entfaltet er, je öfter man ihn hört, eine einzigartige und tiefgründige Schönheit. In dem ganzen Chaos versteckt sich eben doch immer ein simpler Kern und sobald man den zu fassen bekommt, ist man im Paradies.
1. Alt-J – This Is All Yours (2014)
Platz 1 war ein Unentschieden. Ich hätte genauso gut An Awesome Wave, das Alt-J-Debütalbum auf diesen Platz setzen können. Dass es jetzt das zweite geworden ist, ist eigentlich Zufall und vielleicht ein bisschen Kompensation dafür, dass Nachfolgeplatten eigentlich nie so richtig gut aufgenommen werden, wenn das erste ordentlich eingeschlagen ist. So oder so, was Alt-J mit ihren ersten zwei LPs auf die Beine gestellt haben, ist nicht von dieser Welt. Wie hypnotische Lebensformen von einem anderen Planeten standen sie eines Morgens vor meiner Haustier und sagten: Wir sind jetzt hier und wir gehen nicht mehr weg. Alt-J sind die Herrscher über den Rhythmus, über jeden kreativen Gedanken, über die Schwingungen von Schultern und Armen. Der wahre King of Limbs.