Viele der Kollegen, die ich in den vergangenen Tagen regelmäßig bei der Berlinale getroffen hatte, waren gestern schon abgereist oder auf der Couch hängen geblieben. Auch mir fiel es schwer, mich noch einmal aus dem Haus zu quälen.
Der Vorhang fällt: Die schönsten Berlinale-Pannen
Auch die Organisatoren der Berlinale waren in den letzten Tagen nicht mehr voll zurechnungsfähig, weshalb sich die eine oder andere Panne einschlich. So fiel in der Vorführung eines Wettbewerbsbeitrages mittendrin der Vorhang. Ich vermute, dass sich irgendeine schlaftrunkene Berlinale-Hostess versehentlich gegen den Schalter gelehnt hat. Ähnlich gut organisiert war die Pressevorführung zu The Flying Swords of Dragon Gate, in der die falsche Kopie im Projektor lag. Statt englischen Untertiteln gab es deutsche, was für einen beträchtlichen Teil der internationalen Journalisten etwa so hilfreich war wie die Originalsprache. Bei der regulären Vorstellung von Dichter und Kämpfer – Das Leben als Poetryslammer in Deutschland am Freitagabend war etwas mit dem Ticketverkauf schiefgelaufen. Obwohl die Eintrittskarten komplett ausverkauft waren, blieb der Kinosaal halb leer. Das Highlight war aber eine Dolmetscherin bei der Pressekonferenz der Bären-Gewinner, die nach der ersten Frage zugab: „Entschuldigung, aber ich habe gerade nicht richtig zugehört.“ Ich habe vollstes Verständnis!
Poetische Doku mit anschließender Live-Performance
Das Beste an Dichter und Kämpfer war die Spontan-Performance der Protagonisten nach dem Film. Da ich hier zu einer regulären Veranstaltung der Sektion Perspektive Deutsches Kino gegangen war, saß auch das Filmteam im Saal und kam nach der Vorführung auf die Bühne. Die Slam Poeten Julius, Theresa, Sebastian und Philipp gaben jeweils eine kleine Kostprobe ihres Könnens. Insgesamt fand ich diesen Mini-Auftritt fesselnder als den Dokumentarfilm von Marion Hütter. Dichter und Kämpfer konzentriert sich stark auf die Performances seiner Figuren und beleuchtet in meinen Augen zu wenig die Persönlichkeiten, die hinter den Poeten stecken. So entwickelt sich für mich auch kein klarer roter Faden, der durch diesen Film führt. Langweilig ist er trotzdem nicht, schließlich gehören die portraitierten Slammer zu den besten in Deutschland. Dichter und Kämpfer hat mich in jedem Fall dem Phänomen des Poetry Slam näher gebracht und mein Interesse für diese Kunstform geweckt. Allerdings würde ich jedem empfehlen, sich statt des Films einfach einen Slam live anzusehen.
90 Meilen über das Meer
90 Meilen sind es von Kuba nach Miami. Diese Strecke wollen Raúl (Dariel Arrechada) und Elio (Javier Nuñez Florian) mit einem selbstgebauten Floß überwinden. Dafür haben sie ganz unterschiedliche Gründe: Raúl lebt in großer Armut, seine an Aids erkrankte Mutter prostituiert sich und er selbst wird von seinem Chef gedemütigt. Elios Grund lässt sich in einem Wort ausdrücken: Raúl. Die heimliche Liebe zu seinem besten Freund stellt die Beziehung zu seiner Zwillingsschwester auf eine harte Probe, denn Lila (Anailin de la Rua de la Torre) ist nicht Teil des Fluchtplans. Lucy Mulloy erzählt in dem Kinder- und Jugendfilm Una noche eine wirklich packende Geschichte, deren Charaktere uns innerhalb kürzester Zeit ans Herz wachsen. Das liegt vor allem an der überzeugenden Schauspielleistung insbesondere der beiden Jungs. Auch wenn mir die Kameraführung an einigen Stellen zu wacklig ist und etwas zu viel mit der Unschärfe spielt, gefällt mir die realistische Darstellung des Alltags auf den Straßen von Havana. Una Noche ist für mich ein gelungener Abschluss der diesjährigen Berlinale und ein Film, den ich guten Gewissens weiterempfehlen kann.
Sophies ultimativer Berlinale-Tipp
Dieses Jahr war ich das erste Mal als akkreditierte Journalistin auf der Berlinale, was mir ermöglichte, alle Wettbewerbsfilme und zahlreiche andere Pressevorführungen zu sehen. Einen gewaltigen Nachteil hat dieses Privileg jedoch gehabt: Nur ganz selten konnte ich die Regisseure und Schauspieler im Anschluss an den Film live erleben. Die Stimmung im Kinosaal, wenn Filmteam und Fans anwesend sind, ist nicht mit einer normalen Filmvorführung vergleichbar. Auch hat eine Frage-Antwort-Runde zwischen einem Durchschnittspublikum und den Künstlern hundert Mal mehr Charme als eine Pressekonferenz. Deshalb ist mein ultimativer und letzter Berlinale-Tipp für die unter euch, die nächstes Jahr einen Besuch des Festivals planen, sich statt der Wettbewerbsfilme unbedingt Beiträge aus den Sektionen Panorama, Forum, Generation und Perspektive Deutsches Kino anzusehen.
Natürlich fand gestern auch die Preisverleihung statt. Zu Gunsten der Pressekonferenz der Gewinner, verzichtete ich auf weitere Filmvorführungen. Einen Bericht von dieser Veranstaltung und ein Resümee meiner Festivalzeit, werde ich euch morgen ausführlicher präsentieren.
Wart ihr auch auf der Berlinale? Was war euer Lieblingsfilm? Welcher Film sollte eurer Meinung nach unbedingt ins Kino kommen?