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Spotlight - Kritik & Analyse

07.03.2016 - 00:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Spotlight FilmanalyseParamount Pictures Germany
Der beste Film ist Spotlight nicht, meint Wolfgang M. Schmitt jun. in seiner Filmanalyse, aber ein interessanter, differenzierter Beitrag zum Thema "Lügenpresse".

Mit der diesjährigen Oscar-Verleihung kann man zufrieden sein. Endlich hat Leonardo DiCaprio seinen Oscar, wenn auch für The Revenant - Der Rückkehrer nicht verdient, aber damit ist endlich Ruhe im Karton. Dass weder der beste Film, The Big Short, noch der zweitbeste Filme, Mad Max, für den „besten Film“ prämiert worden sind, ist in der Tat bedauerlich, jedoch auch nicht sonderlich überraschend. Beide Filme sind formal wie inhaltlich zu gewagt. Stattdessen zeichnete man auch in diesem Jahr das handwerklich gut Gemachte, klassische Erzählte und ordentlich Differenzierte aus – kurzum: Spotlight von Tom McCarthy ist keine schlechte Wahl. Der Film erzählt die wahre Geschichte eines Teams von investigativen Journalisten bei einer Bostoner Lokalzeitung, die nach und nach die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche in Amerika aufdeckten und damit eine globale öffentliche Debatte auslösten. Wer jedoch nun einen Abrechnungsfilm mit der Kirche erwartet, sollte lieber die taz oder den SPIEGEL lesen, denn Spotlight wirft, ohne dabei etwas relativieren zu wollen, ein anderes Licht auf den Skandal.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Wer hat was und warum vertuscht? Weshalb haben die Medien nicht früher gründlicher recherchiert? Und inwiefern ist der Skandal auch der unsere? Den Journalisten in Spotlight und auch dem Film selbst geht es um eine systemische Kritik, die nicht bloß ein paar Sündenböcke vorführt, damit sich hinterher alle wieder gut fühlen. Aufgezeigt wird – dank der hervorragenden Schauspieler, der intelligenten Dialoge und der präzisen Kameraführung –, wie die Systeme Kirche, Justiz, Ökonomie und Medien miteinander interagieren und wie einzelne Vertreter dieser Systeme unverantwortlich handeln. Das Drehbuch wirkt, als hätte es der Philosoph Jürgen Habermas und der Systemtheoretiker Niklas Luhmann zusammen verfasst – beide verhalten sich eigentlich zueinander wie Feuer und Wasser –, denn es geht sowohl um die systemische Macht, aber auch um die Macht einzelner Subjekte, die der konsumierenden Öffentlichkeit, ein Räsonnement im Sinne der Aufklärung gegenüberstellen wollen.

Spotlight ist ein erwachsener Film für ein erwachsenes Publikum. Früher, als noch nicht Comic-Helden die Kinowelt regierten, gab es solche Filme häufiger.

Mehr dazu im Video!

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Kino anders gedacht. Wolfgang M. Schmitt jun. beleuchtet für seinen YouTube-Kanal “Die Filmanalyse” aktuelle Großproduktionen aus einer etwas anderen Perspektive. Er will mit seinen provokanten Kritiken die Ideologie Hollywoods offen legen, die sich mal offensichtlich, mal im Verborgenen, aber in aller Regel unfreiwillig in den Blockbustern des Kinos auftut. Schmitt jun. schreckt bei seinen oft polarisierenden Analysen auch vor den großen Theorien und Denkern aus Vergangenheit und Gegenwart nicht zurück und sorgt damit immer für kontroverse Diskussionen.


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