Kein Film-Hype der letzten Jahre lässt erahnen, was ein solcher tatsächlich bedeuten kann, wenn Steven Spielberg dank seiner 3D-Version von Jurassic Park jetzt noch einmal an das Jahr 1993 zurückdenken lässt. Als ein Blockbuster nämlich nicht nur bestenfalls weit reichendes Gesprächsthema, nicht nur eine Bestmarke an den Kinokassen war, sondern einem kollektiven Kulturphänomen glich. Als aus Jurassic Park, dem Film, Jurassic Park, das Event wurde, an dem jeder irgendwie teilhaben musste. Wer zum ursprünglichen Kinostart von Spielbergs Abenteuergroßereignis etwa den Fernseher einschaltete, der landete schnell in Sondersendungen dusseliger Talkshows, in denen über die photorealistischen Dinosaurier und die Altersfreigabe des Films diskutiert wurde, oder auch gleich inmitten der “Dino-Mania” auf RTL, als der Privatsender sein Programm gleich tagelang dem Kinohit anpasste. Ein Film über die Herrscher der Urzeit, die 65 Millionen Jahre später mindestens auch die Medien beherrschten. Und ein Film, der an eine Qualität im Hollywoodmainstream der Superduper-Blockbuster gemahnt, wie sie heute weitgehend verschwunden scheint. Zumindest im Kontext des vor zahllosen, hunderte Millionen Dollar teuren Sommervehikeln strotzenden Kinojahres 2013 ist diese Neueinladung in den Dinostreichelzoo nichts außer wohltuend.
Versprechungen vom Spektakel
Also im Kino, noch einmal Jurassic Park, nach 20 Jahren. In einer 3D-Fassung, die es nicht mit Titanic, wohl aber mindestens mit den vielen überflüssigen Konvertierungen aktueller Filme aufnehmen kann. Die es an sich absolut nicht gebraucht hat, aber trotzdem völlig okay ist. Im Mittelpunkt steht schließlich der Film und da fällt nun ganz besonders auf: Der hat es nicht eilig. Er entwickelt seine Haupt- und Nebenfiguren, seinen Schauplatz, den drohenden Konflikt und natürlich die Dinoattraktionen mit einer Gelassenheit, fast stoischen Sorgfalt, die problemlos glauben lassen könnte, hier nehme ein Blockbuster sein Publikum noch ernst. Es dauert eine Stunde, ehe der Film mit dem Angriff des T-Rex auf die im Stich gelassenen Wissenschaftler und Kinder seinen ersten Actionhöhepunkt zelebriert. Vermutlich wäre eine solche erst nach halber Laufzeit positionierte Sequenz in heutigen vergleichbaren Monsterspektakeln nicht mehr denkbar. Sie belegt vor allem Spielbergs Erwartungen schürende Inszenierungsstrategie, die mit sparsamen Links und Hinweisen über einen großzügigen Zeitraum hinweg Versprechungen vom Spektakel macht, ohne selbiges jedoch sogar dann vollends auszukosten (oder zu –schlachten?), wenn seine buchstäblich blendende dramaturgische Struktur dies zulassen würde.
Spielbergs strategisches Können
Zwar gehört die nächtliche Trailerpark-Sequenz genauso zu den Höhepunkten wie der Dinolauf auf offenem Feld oder die sagenhafte Katz- und Mausjagd in der Restaurantküche, doch nehmen diese Momente vergleichsweise wenig Zeit in Anspruch und erscheinen spektakulärer vorbereitet als letztlich durchgeführt. Kein einziger Sommer-Blockbuster, Superheldenfilm, Monsterheuler 2013 könnte sich einen derartigen Verzicht erlauben. Wenn diese nicht schon in der ersten Minute klotzen und kleckern, dann mindestens in der zweiten. Und sie verpflichten sich damit, jedwedes Spektakel mit zunehmender Länge noch übertreffen zu müssen. Das Finale von Jurassic Park, eine zackige Verfolgung durch Velociraptoren im Besucherzentrum, mag heute wie ein Anti-Klimax erscheinen, so wenig schert es sich darum, den bereits nach der Hälfte des Films markierten Höhepunkt noch einmal zu überflügeln. Von dessen Intensität zehrt das Geschehen nicht nur bis zuletzt, es ist auch Teil von Spielbergs strategischem Können, die Lust und Sehnsucht nach einer vergleichbaren Erfahrung, nach noch mehr Angst und Dinosauriern zu wecken. Denn wer Jurassic Park 1993 mehr als einmal im Kino sah, der tat dies vor allem, um die summa summarum auf wenige Minuten beschränkten Dinoauftritte gleich noch einmal erleben zu dürfen.
Wie eine Fahrt mit der Achterbahn
Und nicht nur zu sehen, sondern eben zu erleben: Kaum einem Film ist es je gelungen, seine Attraktionen so sehr ans Kino zu binden, dass sie immer und immer wieder, wie eine Fahrt mit der Achterbahn, erlebt werden wollen. Wenn ein Film nicht mehr nur vom Freizeitpark erzählt, sondern selbst zum Freizeitpark wird – und das Prinzip der hautnahen Dinosaurierklone genauso mitinszeniert wie sein eigenes Logo mitsamt jener Merchandising-Produkte, die schon im Film selbst an Verkaufsregalen baumeln, bevor sie weltweit die Geldbörsen Dino-geplagter Eltern leerten. Lässt sich das auch nur annähernd etwa über Fluch der Karibik und dessen Fortsetzungen, die ja tatsächlich auf einem Fahrgeschäft basieren (das zudem, witzigerweise, von Jeff Goldblum in Jurassic Park zitiert wird), behaupten? Dass er als Film Attraktionen biete, derart clever kalkuliert, die das Kino in einen Rummel von Schauwert und vergnüglicher Nervenaufreibung verwandelten? Über welchen Hollywood-Blockbuster, der ja ganz grundsätzlich wenig anderes zum Ziel hat als maximales Entertainment, als gewaltige Thrill-Rides, als ein ultimatives Kinoerlebnis, lässt sich das in den vergangenen Jahren eigentlich überhaupt sagen?