Es begann mit einem Knall: The Sixth Sense war einer DER Filme 1999, der die Massen ins Kino lockte und sogar die erreichte, die sonst nie ins Kino gehen. Der Mystery-Thriller versprach packende Gruselunterhaltung mit intellektuellem Schlußtwist, wie man ihn seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt hatte.
Der Film belehrte auch die letzten Ungläubigen, daß Bruce Willis mehr war als ein tumber Macho und Actionheld und katapultierte, neben dem Jungdarsteller Haley Joel Osment, vor allem seinen Regisseur einen indischstämmigen Amerikaner mit dem zungenbrecherischen Namen M. Night Shyamalan ins Rampenlicht.
Shyamalan wurde zum Star. Er galt als Wunderkind. Zwar war Sixth Sense nicht sein erster Film, aber das wurde gerne verdrängt, genauso wie die Tatsache, daß er das Drehbuch für die eher simple Mäusekomödie Stuart Little verbrochen hatte. Jugendsünden. Shyamalan war zur richtigen Zeit mit dem richtigen Film zur Stelle. Er brachte wieder etwas Pep ins Kino und verlangte den Zuschauern genau soviel Nachdenken ab, wie auch Popcorngucker grade noch leisten konnten. Und da das Publikum ja generell mit einem Goldfisch-Gedächnis ausgestattet ist, wurde auch der Schlusstwist als etwas revolutionäres angesehen, auch wenn er so neu nicht war.
Früher nannte man den Twist noch Schlusspointe und er war hauptsächlich Kurzfilmen und Serienfolgen vorbehalten. Im Spielfilm wurde dieser Kunstgriff seltener verwandt, dort hatte man sich eher auf Happy Ends oder das berüchtigte “unheilschwangere Ende” kapriziert. Zeugin der Anklage war ein früher geglückter Versuch einer überraschenden Auflösung, Psycho und Planet der Affen weitere geglückte Filme mit einem Twist. Eine ganze Weile wurde es dann wieder ruhig um das Genre.
Dann kamen die 90er. Plötzlich gab es wieder Filme bei denen die Zuschauer gebeten wurden niemandem das Ende zu verraten. The Crying Game zog blank und verstörte die prüden Mainstream-Zuschauer, die sich in angeekelter Faszination wanden (und anscheinend Sleepaway Camp verpennt hatten, der Jahre zuvor dieselbe Auflösung bot). Es folgte Bryan Singer mit The usual suspects und einmal mehr durfte man einen Film erleben, der sich im Kopf neu zusammensetzte, wenn man das Ende kannte. Auch das hat noch funktioniert. Alles moderat erfolgreich, aber kein Blockbuster.
Dann jedoch kam The Sixth Sense, der Film, der wirklich alle erreichte, egal ob sie ins Kino gingen oder nicht. Der Film, der das für das “Twist-Genre” war, was Das Schweigen der Lämmer für den Psychokiller-Film bedeutete. Der Durchbruch in den Mainstream.
Leider witterte nicht nur die “Industrie der Kreativen” Morgenluft und glaubte den Startschuß zum Wett-Twiste zu hören, nein auch der über alle Maßen emporgejubelte “Sixth Sense”-Regisseur glaubte den Schlüssel zum Erfolg gefunden zu haben. Twist. Alles muß einen Twist haben. Dummerweise bremste ihn niemand, und nach dem Erfolg von Sixth Sense traute sich auch niemand anzumerken, daß EmNight leider nicht einen Funken Humor besitzt und im Grunde dieselbe Idee immer wieder aufkocht. Es traut sich auch niemand ihm zu sagen, daß er gar keine tiefsinnigen Kunstfilme dreht sondern auf Spielfilmlänge geblähte mittelmässige Outer-Limits-Folgen und das er immer noch der Typ ist der das Drehbuch zu “Steward Fucking Talking CGI-Maus Little” verbrochen hat.
Nach “Ich sehe tote Menschen” kam, Unbreakable, der wohl freudloseste und elegischste Comicfilm aller Zeiten. Gegen Bruce Willis Standbild-Momente in denen er eingefroren am Küchentisch hockt und in die Luft starrt, wirken sogar die selbstmitleidigen Jammer-Monologe von Spider-Man Peter Parker noch wie launige Oneliner. Und natürlich endete Unbreakable in einem Twist. Nur leider in einem der ab der Hälfte des Films absehbar war und mich letztlich ziemlich kalt ließ. Weder Willis noch Jackson waren in diesem Film lebendige, interessante Charaktere und ehrlich gesagt, war es mir auch egal ob nun einer von ihnen lebte oder starb. Booooring.
Die Kritik war jedoch gespalten genug, um EmNight in seinem Glauben er sei auf dem richtigen Weg zu bestärken. Es folgte Signs, in dem ein mit seinem Glauben hadernder Priester gegen böse Aliens kämpfte, kein Wunder, daß der wiedergeborene Laienprediger und Teilzeit-Antisemit Mel Gibson die Hauptrolle spielte. Dann kam der bisherige Tiefpunkt The Village, der Film bei dem man schon nach Ansicht des Trailers wusste, mit welcher Schlusswendung uns EmNight diesmal überraschen wollte.
Aha!, die Leute im Dorf fürchten sich vor Bestien, aber das Geräusch daß man hört klingt wie Baufahrzeuge. Und sieht die rote Spur dort nicht auch sehr nach Schlagmarkierungen aus, die Waldarbeiter an zu fällenden Bäumen hinterlassen? Der Film brach erstmals den Rekord für eine Twistauflösung. Über zwei Monate vor Filmstart und ersten Pressevorführungen wußte eigentlich jeder den es interessierte, wie der Film endete.
Die Kritik war denn auch weit weniger gnädig und EmNeid besann sich um und lieferte mit seinem nächsten Film eine esoterische Fabel ab: The Lady in the Water. Eine als tiefsinnige Metapher gedachte Story, rund um den Kampf eines Kreativen, beim Ausdenken seiner Geschichten (mit EmNight himself in der Rolle eines brillanten, jungen Autoren, der die besten Geschichten der Welt schreibt). Keine gute Entscheidung. Die Kritiken und Einspielergebnisse waren erstmals wirklich vernichtend.
Mochten seine Befürworter auch laut bejammern, daß niemand die tiefe Wahrheit und Botschaft in EmNights-Film verstand – der auf einer Gute-Nacht-Geschichte für seine Kinder basierte – die Mehrzahl der Kinobesucher schien die Schnauze voll zu haben, von der aufgeblasenen, bedeutungschwangeren und völlig ironiefreien Filmwelt des Mr. Shyamalan. Wie schrieb ein Kritiker des Philadelphia Weekly : “…watching the movie feels a bit like walking in on your roommate while he’s masturbating … to a picture of himself.”
Natürlich ist jener “fall from grace”, das Niedermachen von jemandem der einst übermässig hochgejubelt wurde eine typische Erscheinungsform des Popgeschäfts und oftmals geht es da auch eher ums Prinzip, als um die Qualität der Werke. Irgendwann ist es einfach hip jemanden mies zu finden, wobei es in diesem Fall auch sehr einfach war, zeigte sich Shyamalan doch ausgesprochen kritikresistent: “Ich habe vier Filme gemacht, die besser waren als Sixth Sense”, gab er erst jüngst wieder zu Protokoll. Oder: “Ich mache keine Twist-Filme und keine Gruselfilme, es geht in meinen Werken um spirituelle Erfahrungen.”
Shyamalan nahm das Wunderkind-Etikett das ihm nach Sixth Sense umgehängt wurde gerne an und schien sich selbst als intellektuellen, wichtigen Filmemacher zu begreifen. Das er dabei wieder und wieder auf eher durchsichtige Auflösungen zurückgriff und die Filme in ihrer künstlerischen Überernsthaftigkeit teilweise albern wirkten, schien ihn nicht zu stören. Wer die Filme nicht mochte, der hatte sie einfach nicht kapiert.
Jetzt kommt EmNight wieder und präsentiert in The Happening eine weitere Story, die der Twilight Zone entsprungen sein könnte. Der Paranoia-Thriller erzählt von plötzlichen Massenselbstmorden, endzeitlicher Hysterie, Terrorpanik und zwischenmenschlichen Problemen. Mark Wahlberg darf als Softie-Lehrer versuchen das Rätsel zu entwirren. Zwar wird der Streifen als apokalyptischer Thriller und härter als seine vorherigen Filme angepriesen, doch wirklich großformatiges Endzeit-Spektakel sollten die Zuschauer wohl nicht erwarten. Im Zentrum stehen eher wieder intime Momente und nach einem effektvollen Auftakt viel persönliche Shyamalan-Momente. Die bisherige Kritik ist denn auch eher durchwachsen, mit einem Hang zum negativen. The Happening ist nicht nur der erste Film, den EmNight mit einem anderen Studio realisiert hat (nach dem Streit um die Veröffentlichung von Lady in the water überwarf er sich mit Disney und ging zu Fox), sondern auch ein Film der über seine weitere Karriere entscheiden könnte. Darüber ob er tatsächlich nur ein One-Trick-Pony ist, wie es ihm einige Kritiker seit Jahren unterstellen, oder ob er es tatsächlich nochmal schafft, das Publikum wirklich in seinen Bann zu ziehen.
“Now that the magic has gone”, sang Joe Cocker über eine verlorene Liebe und verlorenen Zauber. Für /m-night-shyamalan wird es langsam Zeit zu zeigen, ob er die Liebe der Filmfans (und Kritiker) noch einmal neu entfachen kann.
Damit es nicht irgendwann heißt: Was macht eigentlich dieser Sixth Sense-Regissseur heute?