Nach einer langen und nervenauftreibenden Fahrt, bin ich letztlich heil in Berlin angekommen. Licht geschafft, doch die Vorfreude auf meine erste Sichtung gab mir genug Kraft, um alles andere als genervt auf den restlichen Tag zu schauen. Zumal stand mit mir Ciro Guerras Der Schamane und die Schlange bereits eines meiner persönlichen Highlights dieser Berlinale bevor.
Doch bis dahin war es noch eine ganze Weile hin. Erst einmal hatte ich meinen Gastgeber um einige Minuten verfehlt, dank des Berufsverkehrs und einigen Baustellen, die aus den letzten 20km Strecke gut 90 Minuten Fahrt machten. Dankenswerterweise wurde mir ein Schlüssel rausgelegt, um mir Zutritt zu gewähren. Da saß ich nun, allein in einem fremden Haus. Ratlos, was ich nun mit meiner Zeit anfangen sollte, hatte ich doch noch knapp zwei Stunden Zeit, bis ich aufbrechen müsse. Nachdem ich diesen Artikel so weit es nur ging angefangen hatte, blieben die Ideen aus, weshalb ich schnurstracks den Busfahrplan aufrief und eine verfrühte Reise zum Kino wagte.
Ich hatte bereits in meinem ersten Teil erwähnt, dass dies mein erster Trip zur Berlinale ist und generell zu einem großen Filmfestival. Dementsprechend ratlos stand ich dann auch im Kino rum. Wusste nicht wohin, wann man mich denn wohl rein lässt und wie es nach Eintritt ins Kino abläuft. Mehrfach musste ich zur (zum Glück) netten Kassiererin, um die (wahrscheinlich) dümmsten Fragen zu stellen. "Immer diese Anfänger", müssen die erfahrenen Cineasten um mich herum wohl gedacht haben, aber das interessierte mich herzlich wenig, besonders als ich letzten Endes den so ziemlich besten Sitzplatz ergattern konnte. An dieser Stelle sei erwähnt, wie sehr mich der Zoo Palast umgehauen hat. Ein wenig erinnerte er mich an das iSense-Kino in Düsseldorf: riesige Leinwand und extrem bequeme Sessel mit extra viel Beinfreiheit - ein echter Traum. Lediglich die Anzahl der Sitze war geringer, wohingegen der Zoo Palast durch seine unglaubliche Optik punktet.
Nach einer kleinen Verzögerung ging es dann auch direkt los und ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: El abrazo de la serpiente ist jetzt schon der beste Film des Jahres. Es würde mich wahrlich wundern - wenn auch erfreuen - sollte dem nicht so sein am Ende des noch jungen Jahres. Ich habe ja bereits ein überragendes Amazonas-Abenteuer erwartet, doch mit einer solch vielschichtigen Dschungel-Odyssee (wahrlich mein 2001 unter den Abenteuerfilmen) habe ich definitiv nicht gerechnet. Ciro Guerra ist hier ein absoluter Ausnahmefilm gelungen, der das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen und Ideologien gekonnt thematisiert und dabei dem Zuschauer einen Spiegel vorhält. Ein Film der den Nerv der Zeit trifft, die Probleme aufweist, doch nie mit erhobenen Zeigefinger Moralapostel spielt. Muss man sich anfangs noch an den speziellen Stil des Filmes gewöhnen, haut er einen im späteren Verlauf dafür umso härter aus den Socken, bis er schließlich komplett in Ekstase gerät, um dann auf genau der richtigen, ruhigen Note zu enden. Ein Sog aus atemberaubenden Bildern und intensiver Soundkulisse, sodass man stehts den Anschein hat, selbst im Dschungel zu hausen. Inszenatorisch bis ins kleinste Detail perfekt und mit garantierter Sicherheit ein Werk, über das man noch in weiter Zukunft reden wird. Kino in seiner reinsten Form und ich hoffe, dass ihn noch viele Menschen auf der größtmöglichen Leinwand bestaunen dürfen.
Anschließend gab es dann noch ein Q&A mit einer Produzentin (,deren Name mir leider wieder entfallen ist) und dem Hauptdarsteller Jan Bijvoet - was für ein ultra sympathischer Kerl. Ein par kleine Anekdoten gab es dabei zu hören, wobei ich gestehen muss, dass ich auch nicht alles mitbekommen habe, da es ersten längst nach Mitternacht war und zweitens die Produzentin ein arg gebrochenes Englisch beherrschte.
Nach diesem geglückten Auftakt ging es dann euphorisch zurück zum Gastgeber und um 2 Uhr nachts war ich dann auch wieder in den fremden vier Wänden. Ich hätte tot ins Bett fallen können, doch eines war mir noch wichtiger als mein Schlaf: Der Blog, natürlich!
Morgen geht es dann munter weiter mit insgesamt drei Sichtungen. Ich freue mich schon sehr, selbst wenn es filmisch streng genommen nur schlechter werden kann. In diesem Sinne: bis morgen!