Oscar 2018 - Wie wird der Beste Film eigentlich gewählt?

04.03.2018 - 09:30 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Oscar-Gewinner
A.M.P.A.S./20th Century Fox/Universal/Tobis/Warner/Euro Video/Universum Film
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Wer dachte, der Oscar für den Besten Film geht schlicht an den, der die meisten Stimmen der Academy-Mitglieder erhält, täuscht sich gewaltig. Lest hier, wie kompliziert die Wahl des Besten Films eines Jahres tatsächlich abläuft.

Heute Abend werden die 90. Oscars verliehen, weswegen wir diesen Text über den Wahlmodus für den Besten Film noch einmal hochstellen, der ursprünglich am 22.02.2016 erschien:

Bevor es am 28. Februar 2016 zur 88. Oscar-Verleihung kommen kann, muss natürlich feststehen, wer die Academy Awards in diesem Jahr überhaupt erhält. Hierzu sind wie üblich die momentan 6261 Mitglieder  der Academy of Motion Picture Arts and Sciences aufgerufen, ihre Stimmen in den verschiedenen Kategorien abzugeben. Generell kann jedes Mitglied dabei in jeder Kategorie jeweils eine Stimme verteilen. Der Film bzw. die Person, die in einer Kategorie die meisten Stimmen erhalten hat, wird zum Sieger gekürt. Deutlich komplizierter läuft die Wahl hingegen ab, wenn es um den Besten Film des Jahres geht.

Die Wahl zum Besten Film

Bei der Wahl zum Besten Film stellt jedes Academy-Mitglied nämlich eine Rangliste auf, die idealerweise alle Kandidaten für den Besten Film umfasst, wie zum Beispiel Vox  erklärt. Der persönliche Favorit landet auf Platz 1, der Zweitliebste auf Rang 2 und so weiter. Es ist auch möglich, nur für einen oder einige Filme zu stimmen. Die Auszählung der Stimmen für den Bester Film-Oscar verläuft dann folgendermaßen:

Die Auszählung der Stimmen für den Besten Film

Zunächst werden alle Stimmzettel danach geordnet, welcher Film bei ihnen auf Platz 1 steht. Hat dadurch schon ein Film die absolute Mehrheit der Stimmen, hat dieser den Oscar gewonnen. Da dies aber eher unwahrscheinlich ist, geht das Stimmenverteilen meist in eine zweite Runde. Hier fliegt der Film raus, der die wenigsten Platz 1-Stimmen erhalten hat. Seine Stimmzettel werden aber nicht in den Papierkorb geworfen, sondern neu verteilt. Und zwar jeweils an den Film, der bei ihnen auf Rang 2 gesetzt wurde. Hat danach abermals kein Film die absolute Mehrheit, geht das Spiel mit den Stimmzetteln des Films weiter, der jetzt auf dem letzten Platz liegt. Sie gehen erneut jeweils an den auf ihnen höchstplatzierten Film, der noch im Rennen ist. Irgendwann ist dann die Umverteilung so weit fortgeschritten, dass ein Film die absolute Mehrheit hat: der Oscargewinner für den Besten Film! Eine anschauliche Video-Erklärung des Zählverfahrens findet ihr hier im Video von The Wrap:

Im Falle eines Gleichstandes aller verbliebenen Kandidaten werden dabei nicht mehrere Gewinner gekürt, sondern folgende Regel angewandt, wie The Wrap  erklärt: Zunächst wird geschaut, welcher der Filme auf den meisten Stimmzetteln auf Platz 1 gesetzt wurde. Hilft dies nicht weiter, wird nach den Platz 2-Stimmen geguckt und so weiter.

Die Folgen des Wahlverfahrens

Dieses Wahlverfahren hat nun einige spezielle Auswirkungen. So kann es auch gut sein, dass der Gewinner des Oscars für den Besten Film gar nicht auf der Mehrheit der Stimmzettel auf Platz 1 stand. Zum Beispiel dann, wenn kein Gleichstand aufgelöst werden muss. Der Academy zufolge soll mit dem Rangfolgewahl-Verfahren "das kollektive Urteil ihrer abstimmenden Mitglieder"  besser zum Ausdruck gebracht werden. Die Rangfolgewahl wird allerdings erst seit 2009 wieder verwendet, nachdem sie davor zuletzt 1945 zum Einsatz kam.

Generell haben bei der Rangfolgewahl Filme bessere Chancen, die bei den Abstimmenden weder ganz oben, noch ganz unten landeten, sondern im Mittelfeld, wie die L.A. Times  anmerkt. Also Filme, die alle irgendwie ganz gut finden, und die nicht entweder zu Jubelstürmen oder zu Hassausbrüchen hinreißen.

Ein Vorteil des Rangfolgewahl-Systems liegt The Wrap  zufolge wiederum darin, dass man seinem tatsächlich präferierten Film durch seine weiteren Platzierungen der anderen Filme nicht schaden kann. Denn diese greifen ja nur, wenn der eigene Spitzenkandidat ohnehin schon rausgeflogen ist. Somit brächte es auch nichts, gar nicht den eigenen Wunschkandidaten für den Sieg auf Platz eins zu setzen, weil man annimmt, dieser sei ohnehin nicht mehrheitsfähig. Es ist nicht nötig, stattdessen einen Kompromisskandidaten zu wählen, wie dies bei Wahlen mit nur einer Stimme gern getan wird, um seine Stimme nicht zu "verschwenden".

Das Verständnis und die Ehrlichkeit

Problematisch ist in diesem Zusammenhang aber, dass anscheinend zahlreiche Academy-Mitglieder das System gar nicht verstehen, wie ebenfalls die L.A. Times berichtet, und nur für einen Film abstimmen. Wenn dieser Film dann nicht gewinnt, haben sie die Chance vertan, mit ihren weiteren Stimmen die Wahl zu beeinflussen.

Hinzu kommt, dass für eine "gerechte" Wahl die Abstimmenden auch tatsächlich alle Nominierten einer Kategorie gesehen haben sollten. Dies wird von der Academy aber absichtlich nicht kontrolliert , und so hatten 2015 über 5 % gar nicht alle Kandidaten für den Besten Film gesehen, wie der Hollywood Reporter  in einer Umfrage ermittelte. Ob diese sich dann auch der Stimme enthalten haben?

Und dann sind da ja auch noch die Oscar-Kampagnen, mit denen die Studios monatelang versuchen, die Abstimmenden mal mehr, mal weniger subtil zu beeinflussen. Alles dazu findet ihr bei uns im Artikel: Oscar-Kampagnen - Warum Faulheit über Gewinner bestimmt.

Denkt ihr, dass die Oscar-Wahl des Besten Films gerecht zugeht?

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