Am kommenden Donnerstag startet mit Abschussfahrt eine deutsche Teen-Komödie in den Kinos, die ihre adoleszenten Protagonisten auf Schulausflug und einen "wahnsinnigen Party-Trip" (Verleih) schickt. "Eis am Stiel trifft Hangover", heißt es im Presseheft, der Wortwitz des Titels gibt die Richtung vor. Mit Doktorspiele hat es zuletzt einen ähnlichen Versuch gegeben, das durch Fack ju Göhte reaktivierte und also wieder profitable deutsche Pennälerkino kommerziell auszuschöpfen, und eigentlich wäre damit auch schon alles gesagt.
Bemerkenswert aber ist, wie der Film sein Publikum erschließt. Auf Kinotour gingen nicht allein die jungen Hauptdarsteller, sondern auch sogenannte Web-TV-Stars, durch deren Zugkraft sich die Produktion erhöhte Aufmerksamkeit bei ihrer Zielgruppe verspricht. Zugleich markiert die mit Meet and Greets und Live-Auftritten von Onlinegrößen wie Bullshit TV oder dem Zwillingsduo Die Lochis begleitete PR des Films den Beginn eines Produktions- und Vermarktungsapparats, der Kino und Internetprominenz zusammenbringen soll. Oder anders: Hiesige Produzenten haben YouTube für sich entdeckt.
Es verwundert, dass das deutsche Kino erst jetzt auf diese Idee kommt. Wer schon einmal Eindrücke der jährlich in Köln und Berlin veranstalteten Videodays gewonnen hat, weiß um die erwachsenen Menschen sicherlich nur schwer vermittelbare Beliebtheit von Web-TV-Protagonisten. Wenn Fans dort auf ihre mitunter selbst noch minderjährigen YouTube-Idole treffen, ereignen sich Szenarien anfallsartiger Begeisterung. Dass die alten Medien das Phänomen der YouTube-Stars entweder gekonnt ignorieren oder lediglich mit ungläubigem Erstaunen und abfälliger Ironie zu rezipieren wissen, hat die Souveränität der Webvideokultur nur bestätigt.
Deren irgendwann mal alternativ gedachtes Angebot eines im Internet produzierten, quasi-demokratischen und schließlich monetarisierten Fernsehens für Jugendliche ist längst lukrativer, mit genauem Blick auf die Zielgruppe organisierter Mainstream. Vermarktungsunternehmen wie die Reichweitenvergrößerung und technische Unterstützung versprechende Mediakraft Networks GmbH witterten darin ein großes Geschäft. Sie nahmen besonders vielversprechende YouTube-Stars unter Vertrag, ließen sie zu Gutverdienern werden, haben sich gegen konservatives Fernsehen in Stellung gebracht.
So weit, so bekannt (?). Auftritt Christian Becker. Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Kinoproduzenten und gründete mit der Constantin AG die Produktionsgesellschaft Rat Pack. Becker kennt das kommerzielle Risiko, prominenten Namen zu einem Mediumswechsel zu verhelfen. Seine Hits heißen Der Wixxer, Türkisch für Anfänger - Der Film und Fack ju Göhte, seine Misserfolge Mord ist mein Geschäft, Liebling, Jerry Cotton und V8 - Du willst der Beste sein. Spezialisiert hat sich Becker also auf Komödien, in deren Hauptrollen (ehemalige) deutsche Fernsehstars wie Oliver Kalkofe, Michael Herbig oder Elyas M'Barek zu sehen sind.
Die ganz besonders populären YouTube-Kids nun auch Kinofilme machen zu lassen, ist demnach eine konsequente Fortführung des Geschäftsmodells – und die Promotion zum von ihm produzierten Abschussfahrt so gesehen nur eine Vorschau auf kommende Ereignisse: Die 16jährigen "Lochis" Heiko und Roman Lochmann, deren mit Charthitparodien und selbst geschriebenen Popsongs bestückter YouTube-Kanal rund 1,4 Millionen Abonnenten zählt, spielen darin eine Gastrolle, derweil ihr eigener Kinofilm – die Constantin-Produktion Bruder vor Luder – bereits in den Startlöchern steht.