Bryan Fuller wird ja nicht müde zu erwähnen, dass Hannibal -Fans sich vor allem auf die zwölfte Episode freuen dürfen, in der er und seine eifrigen Schreiberlinge wohl endgültig den Verstand verloren haben. Nach Ko No Mono glaube ich ihm das gerne, denn hier wird überaus ehrgeizig auf einen fulminanten Endspurt hingearbeitet – Wiedergeburt, Vaterschaft, Zwangsabtreibung, brennende Leichen im Rollstuhl, erotische Einverleibung kleiner Vögel und letzten Endes auch Offenlegung der Karten unserer Helden. Wurde hier überhaupt irgendwas nicht richtig gemacht?
Die immer enger werdende Freundschaft zwischen Will (Hugh Dancy) und Hannibal (Mads Mikkelsen) macht Alana (Caroline Dhavernas) endlich misstrauisch, sodass sie anfängt, nachzuhaken. Ihre anfängliche Überzeugung, dass Will zu einem gefährlichen Killer mutiert, dürfte von Jack (Laurence Fishburne) aus der Welt geschaffen worden sein – Freddie Lounds (Lara Jean Chorostecki) lebt. Für Will tut sich außer dem Kannibalen-Ködern nun aber auch ein weiteres Problem auf: Margot (Katharine Isabelle) wurde in dem munteren Psycho-Gruppensex letzte Woche geschwängert. Nach anfänglicher Aufregung entwickelte er aber prompt eine Bindung zu seinem ungeborenen Kind. Umso größer war dann die Entrüstung, als ihr etwas neben der Spur stehender Bruder Mason (Michael Pitt) was gegen den potenziellen Kontrahenten auf die Verger-Thronfolge hatte und sich gezwungen sah, einzugreifen. Auf seine Art.
Die Eröffnungssequenz allein dürfte reichen, um Hannibal eine FSK 18-Einstufung zu erteilen. Wie Will und Dr. Lecter hier ihr Mahl zu sich nehmen, ist eindeutig sexuell zu anstößig: Close-Ups auf die Lippen, in die gerade das Essen eingeführt wird, genüssliche Mundarbeit, rollende Augen, befriedigte Blickwechsel. Da kann man ja schon vom zugucken schwanger werden. Diese Inszenierung fernab jeglicher Zweideutigkeit ist natürlich keineswegs versehentlich in dieser Form zustande gekommen, ganz im Gegenteil freut sich Bryan Fuller wie ein kleines Kind über diesen Food-Porno: “It felt like a lot was going on in the scene, not only just the communion but the exchange of body fluids, in a way, and swallowing for God’s sake. [Laughs.] So we can’t claim innocence on that scene.” Alles Drecksschweine im Writer’s Room.
Diese wahrlich intime Szene steht stellvertretend für die nunmehr aus dem Ruder laufende Bromance zwischen unseren beiden männlichen Hauptcharakteren. Besonders bemerkenswert in der Hinsicht ist ein erstaunlich ehrliches Gespräch zwischen den beiden, in dem Hannibal erstmals mehr oder weniger direkt auf sein Morden eingeht und sogar leichte Anzeichen von Reue zeigt, als Will ihm erzählt, dass er immer noch von Abigail träume. “I’m sorry I took that from you” – ein Satz, den wir nicht gerade häufig aus seinem Mund hören werden. Sollte diese Aufrichtigkeit nicht gespielt sein, würde es bedeuten, dass Hannibal mittlerweile tatsächlich auf Wills Köder hereingefallen ist und ihm genau das Vertrauen entgegenbringt, das Will von ihm benötigt.
Are you questioning my therapy? Es scheint, als stehe Hannibal selbst kurz davor, in ausschweifendes Gelächter auszubrechen, als er Alana diese Frage stellt. Aus seiner Sicht ist seine Therapie natürlich in der Tat ein voller Erfolg. Er sieht in ihm einen wiedergeborenen Menschen (was von der Eröffnungssequenz wie gewohnt metaphorisch komplimentiert wird), der endgültig in der Lage ist, seine wahren Leidenschaften – in diesem Fall das Morden – zu entfalten. Es sieht oberflächlich zwar so aus, als würde Hannibal sich das nur einbilden und von Will hinters Licht geführt werden. Wir können uns ganz und gar nicht sicher sein, dass dem tatsächlich so ist, denn auch wenn er es nur spielt, ist es nicht schwer zu erkennen, dass Will seinen vermeintlichen Status als Serienkiller sichtlich genießt.