Helmholtz - Kommentare

Alle Kommentare von Helmholtz

  • Helmholtz 14.12.2016, 20:12 Geändert 15.12.2016, 00:27

    Ganz schlimm immer die Kommentare von all jenen, bei denen man sich fragt, was zur Hölle sie eigentlich auf einer solchen Seite verloren haben. Die Leute die groß von Unterhaltung schwafeln und von ist halt meine Meinung und so, von bösen, meinungsmachenden Kritikern, die einem die Denkfreiheit nehmen wollen, davon wie übel Kristen Stewart doch ist (selbstverständlich ohne je mehr als den einen Film mit ihr gesehen zu haben), über die Wichtigkeit von "guten Storys" (Begriff der übrigens in dem Kontext peinlich deplatziert ist -> im Kino gibts Plots oder Handlungen, 'ne gute Story sucht höchstens ein Journalist) oder darüber wie Rogue One das Kinojahr retten wird. Leute hier gehts um Filme. Und ich glaube eine Seite die den Namen "moviepilot" trägt sollte dann doch für diejenigen da sein, die in einem Film etwas mehr sehen als ein kulturindustrielles Spielzeug mit dem man sich zwei Stunden amüsiert um den täglichen Stress beim Job auszugleichen. Unglaublich aber wahr, es gibt Menschen, die sehen eben mehr in einem Film als ihr. Menschen die Filme als Kunst sehen, die so tief berührt sind von der Schönheit die sie auf einer Leinwand sehen, die eine persönliche Beziehung zu gewissen Filmen entwickelt haben, die geprägt und zu anderen Menschen gemacht wurden durch manche Filme. Bei denen nach dem Verlassen des Kinos (ohne scheiß jetzt) eine Auseinandersetzung mit dem Film anfängt die ihr als alberne Zeitverschwendung abtun würdet, die über "Ja geile Schauspieler gute Story hat schon Spaß gemacht" hinaus geht, sich hier fortsetzt und von euch erheblich gestört wird. Wenn man in einem solchen Dialog keine besseren
    Standpunkte findet als "Ich will von nem Film unterhalten werden", dann hat man eigentlich gar nichts gesagt. Und ja, man stört.
    Wir - also die, die ein aufrichtiges Interesse an der Kunstform Film haben- akzeptieren die Meinungen von Kritikern wie Vega und wollen auch weiter deren/seine Texte lesen - auch wenn er eure Lieblingssuperhelden scheiße findet. Get over it. Es gibt wirklich keinen Grund in eine solche Diskussion störend einzugreifen, sei es hier, sei es sonst wo, wenn man offensichtlich kein Interesse fürs Themengebiet hat. Meine abschließende Bitte also an alle die sich jetzt angesprochen fühlen (wahrscheinlich eh keiner): Geht weiterhin ins Cineplexx, fresst euer Popkorn, sauft eure Cola, schaut euch eure beknackten Star-Wars Film an -für so was ist Kino wohl oder übel halt auch da- aber bitte denkt nicht hier eure nichtssagenden Meinungen verbreiten zu müssen. Danke.

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      Helmholtz 13.12.2016, 01:49 Geändert 21.12.2016, 20:24

      Definitiv und selbstverständlich besser als es hier den Eindruck erweckt. Es gibt eine Szene in Joy, die alle anderen überstrahlt, die aber auch schön freilegt worum es hier eigentlich geht. Die Hände, so erklärt Bradley Cooper einer naiven, unerfahrenen Jennifer Lawrence, wären alles beim Teleshopping, nicht die Blicke, die Hände und die Stimme. Teleshopping also als schiefe Metapher fürs Kino. O'Russell liebt das Oberflächliche, die Fassaden, die Masken hinter denen Menschen sich Tag für Tag verstecken. Und er sucht darin eine Wahrheit, irgendeine Tiefe, irgendeinen menschlichen Kern direkt in der Oberfläche. Der Vorhang lüftet sich, der Verkauf beginnt. Und Cooper spielt den Regisseur (oder seiner Gestik zu entnehmen: den Dirigenten) dieses Affentheaters. Später wird auch Joy auf die Bühne treten doch sie ist eben mehr als nur Oberfläche. Sie ist der Anhaltspunkt in dieser Welt des Pappmachés, unser Anker, der Riss in der Oberfläche. Joy beschäftigt sich mit dem werden eines Stars, mit dem sich zurechtfinden auf der Bühne, mit dem finden der richtigen Gesten, mit dem Formen eines Gesichts, das wirklich "Starpower" (@Kevin B. Lee) hat. Ich selbst bin beileibe kein großer Fan der allseits geliebten Lawrence aber Joy zeigt wie kein anderer Film, dass es nicht die Schauspieler sind, die die Performances machen, sondern die Regisseure. Joys/Lawrences Triumf vor der Kamera ist erst möglich durch die akribische Arbeit hinter der Kamera, die ihre Stargesichter immer ins rechte Licht rücken will. Mit einer (und später noch einer, schwächeren) wundervollen, hysterischen Szene im Teleshopping Studio, einem Film-im-Film, einem Tribut an das Filmemachen an sich bleibt dieser Film hängen.

      Einige interessante Punkte die ich mir beim schauen des Films notiert habe und nicht immer Gewicht bei der Bewertung eingeräumt habe:
      - Die Kapitalismuskritik ist subtil, nimmt aber keine zentrale Rolle ein
      - Inszenatorische Patzer sobald O'Russell versucht Bilder für Joys Ausbruchswünsche zu finden
      - Ambivalent: Ist der Film schon zynisch oder liebt er seine Figuren einfach doch ganz dolle?
      - Emanzipationsgeschichte, starke Frauenrollen usw. sind vorhanden aber auch nicht zentral
      - (Sehr) starke Einzelszenen bleiben (teilweise) isoliert

      Joy ist ein in vielen Punkten geglückter Film, ordentlich besetzt und schön vertont, wirkt aber leider oft zu zerfahren und unstrukturiert und kippt vielleicht gerade deswegen hin und wieder ins belanglose. Sein Flow geht dadurch sowieso kaputt. Wie David O'Russell auf Autopilot wirkt das manchmal. Und damit immer noch besser als die meisten Filme die bei den Oscars besser davonkommen als dieser hier.

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        Helmholtz 28.09.2016, 14:27 Geändert 28.09.2016, 18:47

        Man kommt nicht drum herum. Wie viel wurde über sie geschrieben, diese eine Folge. Diese verpönte, verhasste Folge, die sogar von eingefleischten Fans mit Missgunst betrachtet wurde. Dennoch: Wenn es eine Folge dieser Serie gibt, über die mehr diskutiert werden sollte, die es zu verteidigen gilt vor schockierten Zuschauern und aufgebrachten Menschenrechtlern, dann ist es die erste Folge der neunten Staffel. Nicht zuletzt weil "Mr. Garrison's Fancy New Vagina", all das kultiviert, was South Park so faszinierend macht und weil sie bis auf ein paar befremdlicher Drehbuchzeilen als einer der ganz großen Höhenflüge der Serie verbucht werden muss. Alle sind sich einig wenn es um die "Black Friday"-Trilogy geht, um Klassiker wie "Trapped in the Closet", "Cartoon Wars" oder "Scott Tenorman", doch bei einer Serie die es sich zum Ziel gemacht hat so subversiv wie möglich zu sein sollte man sich aber vielleicht gerade die verhassten Folgen genauer ansehen. Dabei macht es diese Folge einem wirklich alles andere als leicht. Gerade der Vorwurf der Transphobie, so leicht scheint er sich nicht vom Tisch wischen zu lassen. Aber zuerst: warum Trey und Matt Transphobie vorwerfen, wenn in ihrer Serie seit Jahren jede erdenkliche Menschengruppe, Ideologie, Religion, sexuelle Einstellung (etc) durch den Kakao zieht? Geht es hier wirklich um "hate speech", darum Menschen zu degradieren und entwürdigen oder darum der Absurdität des menschlichen Treibens den Spiegel vorzuhalten? Der Vorwurf der Transphobie, er zieht nur bedingt, vor allem wenn man sich vor Augen hält, dass South Park eine fiktionale Konstruktion ist, die die Realität nicht abbilden sondern gezielt überspitzen soll und sie in erster Linie ihren Charakteren verpflichtet ist. Das ist auch als eine der größten Stärken der Serie zu betrachten, nämlich dass die Charaktere so geschrieben sind, dass jede ihrer Aktionen glaubwürdig und konsequent erscheint. Mr. Garrisson verhält sich nach seiner Geschlechtsumwandlung eben nicht stereotypisch wie eine "real woman" (-> http://badtransjokes.tumblr.com/post/57259853325/south-park-mr-garrisons-fancy-new-vagina) sondern so wie sich einige dumme Männer wohl das Leben in einem Frauenkörper vorstellen. Das ist eine Treue gegenüber den eigenen Charakteren, wie man sie selten gesehen hat.
        Was aber die Folge selbst so unfassbar macht sind die emotionalen, geradezu körperliche Reaktionen, die sie hervorruft. Wie der Titel schon erklärt geht es um Mr. Garrissons Geschlechtsumwandlung und Parker und Stone lassen es sich nicht nehmen, dies schon von der ersten Szene an klarzumachen. Nach höchstens einer Minute, fallen die ausschlaggebenden Worte: "Just relax, Mr. Garrison. I think if more people could just see a sex-change operation, they would know how perfectly natural it is. The first thing I'm going to do is slice your balls." Und dann: Schnitt auf echte Videoaufnahmen einer Geschlechtsumwandlung. What. the. Fuck. Das sind die ersten Minuten einer neuen Staffel und dann so was. Das ist wohl mit das unvorhersehbarste, schockierendste was es je in irgendeiner Serie zu sehen gab. Ich gehe noch weiter: Näher an Bunuel wird man im Fernsehen nie mehr kommen. Das ist nicht purer Schockwert, dafür ist es zu professionell, zu raffiniert konstruiert und aufgebaut. Das Statement ist keinesfalls, dass Transsexualität zu verurteilen ist sondern, dass der reine medizinische Eingriff sehr, sehr unappetitlich ist. Und die Serie zwingt einem zur Auseinandersetzung mit etwas, das viele Menschen einfach nicht sehen wollen. Ähnlich verfährt South Park mit dem Thema Abtreibungen. Ich finde es richtig und wichtig solche Dinge auch ganz offen, in all ihrer Grausamkeit zu zeigen, denn sie zeigen auf, dass wer auch immer solche Eingriffe an sich selbst vornimmt, es mit gutem Grund tut. Außerdem sollte wer Abtreibung oder Geschlechtsumwandlung verteidigt mit den Bildern eines solchen Vorganges klarkommen können. Wenn in Foren zuerst über die Transphobie dieser Folge geschimpft wird und im nächsten Satz über das Bedürfnis sich beim Anblick der Geschlechtsumwandlung zu übergeben geschrieben wird, dann hat die Serie es einmal mehr geschafft ein Statement über die heuchlerische Natur des Menschen zu setzen. Hier geht es genaugenommen ja nicht um Transsexuelle, die ganze Folge ist ein wütender Appell gegen die Richtung, die die plastische chirurgie eingeschlagen hat. Wie sie die Wünsche und Träume der Menschen zum Profitgewinn nutzt, wie sie ihre traurigen Illusionen füttert. Und sie vertritt sicher auch einige unpopuläre Meinungen: "You had a sex change, Mr. Garrison, but you don't have ovaries or a womb. You don't produce eggs." Es gibt immer noch signifikante körperliche Unterschiede zwischen einer Frau und einer Frau die zuerst ein Mann war. Punkt. Das ist weder herabwürdigend noch schließt es aus, dass eine Transgender-Frau genauso attraktiv oder weiblich sein kann wie eine Frau, die nicht Transgender ist. Es rüttelt viel mehr am fatalen Irrglauben, dass man mithilfe moderner Chirurgie all das sein kann, was man sein will.
        Zudem verhandelt die Folge auf der Metaebene noch etwas ganz anderes und zwar die Grenze zwischen Geschmackslosigkeit und Humor. Und das lässt sie unfassbar gut werden. Ja, auch mir wurde das ein oder andere Mal übel aber ich finde es extrem spannend nicht zu wissen ob man jetzt lachen oder sich übergeben soll und wie man das ganze jetzt ideologisch einordnen soll. Trey Parker hätte es sich so leicht machen können und Kyle am Ende einen simplen "I think we learned something today"- Monolog aufsagen lassen können. Doch so leicht macht er es sich nicht. Und darauf kommt es an. Dass Fragen aufgeworfen werden und es dem Zuschauer überlassen wird, sie zu beantworten. Dass man eben nicht genau weiß, wie man sich zu dem gesehenen positionieren soll. Dass man nicht einfach bestätigt wird in seinen Ansichten. Dass einem der einfache Zugang verwehrt bleibt. Dass man gefordert wird sich selbst ein Urteil zu bilden und dass einem die Macher keinerlei Hilfen dazu auf den Weg geben. Das ist einfach ganz, ganz großes, subversives Fernsehen.

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            Müsste eigentlich hervorragend funktionieren: Rick and Morty bemüht sich löblich darum Konventionen zu brechen und Erwartungshaltungen auf den Kopf zu stellen und bezieht gerade daraus seinen eigentümlichen, makaberen Humor; über seine Hauptfigur und dessen nihilistisches Weltbild ließe sich ausschweifend diskutieren (-> ich verweise hier mal auf die sehr interessante Analyse, die auf dem Youtube-Kanal Wisecrack zu finden ist), aber eigentlich würde das nicht viel bringen. Sowohl interessante philosophische Diskurse als auch die anarchistische Verweigerung sich narrativen oder ästhetischen Konventionen zu fügen ordnen sich dann doch einem eher langweiligen popkulturellen Verweissystem unter. Von Freddy Krüger über Jurassic Park bis David Cronenberg wird hier alles was nicht niet- und nagelfest ist durch den postmodernen Fleischwolf gedreht. Das eigentlich nicht uninteressante Weltbild seiner Hauptfigur erschöpft sich eigentlich spätestens an dem Punkt als Morty es schön deutlich noch mal fürs Publikum ausbuchstabiert: "Nobody exists on purpose, nobody belongs anywhere, everybody's gonna die". Schön geschrieben, viel zu direkt in ya face. Ein ambivalenter Moment.
            Humoristisch ist das zwar alles sehr beachtlich und alles andere als dumm, wirkt aber viel zu kalkuliert. Wo viele unbegrenzte Fantasie sehen, in den endlosen skurrilen Welten durch die die Hauptfiguren eher planlos stolpern, den abstrusen Figuren denen sie darin begegnen und den Geschichten die sie darin erleben, stechen die Limitationen die jene angeblich ungezügelte Kreativität mit sich bring unangenehm heraus: Vieles wirkt gezwungen skurril, wie in einem mäßigen Coens-Abklatsch, so manche Idee wirkt gnadenlos recycelt. Was die Figuren betrifft entsteht hinter dem offensichtlich sehr bedacht geschriebenen Rick ein großes Vakuum. Abgesehen von Jerry, Ricks absolutem (und damit wohl auch etwas am Reißbrett entstandenen) Gegenpool Jerry weiß kaum eine der Nebenfiguren wirklich Interesse zu wecken.
            Wenn Rick and Morty in seinem schwarzen Humor noch ordentlich zünden kann, so scheitert die Serie doch sehr deutlich in ihren tragischen Momenten. Seltsam disentegriert und gezwungen wirken jene Szenen (->Come watch TV?) und einfach nicht tragfähig wenn an der Konkurrenz gemessen (siehe Simpsons oder South Park).
            Vom scheitern ist die Serie damit im großen und ganzen immer noch weit entfernt, dafür ist sie zu kurzweilig und zu radikal in Inszenierung und Humor. Den Kultstatus soll aber mal wer verstehen.

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            • Filme, die allerdings nicht ausm Hinterkopf verschwinden: Der Marsianer.
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              https://www.youtube.com/watch?v=eaIyvfRYef8

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              • https://www.youtube.com/watch?v=xwhe1zDHrCQ

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                • Eure Listenfunktion könnte glaube übrigens mal 'ne Überholung gebrauchen :P
                  http://www.moviepilot.de/liste/sci-fi-top-10-helmholtz

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                  • Spontane Gedanken zum Werk des Master of Suspense.
                    Abgesehen von der inszenatorischen Finesse, von der Brillianz im Hinblick auf die filmische Gestaltung über die man bei Hitchcock immer wieder staunen kann, finde ich es vor allem beeindruckend wie dieser Regisseur Beziehungen sieht. Unter allen Themen die Hitchcocks Filme aufgreifen scheint dieses Thema vielleicht das beständigste und zentralste zu sein und die Diskurse die Hitchcock in seinen Filmen anschneidet, eröffnen mir immer wieder interessante, originelle und vor allem sehr intelligente neue Perspektiven auf menschliche Beziehungen, deren Dynamiken, Implikationen und Problematiken. Dabei ist sein Blickwinkel immer ein äußerst pragmatischer, auch wenn Hitchcock im Kern doch entschieden Romantiker bleibt: Er erkennt das Bedürfnis des Menschen nach Nähe und Liebe genauso an wie deren kathartische Kraft (es sind letztendlich immer die Frauenfiguren die es schaffen die Hauptcharaktere aus ihrem Spießbürgerlichen Umfeld zu lösen und deren Neurosen zu überwinden), er versteht aber auch wie kaum ein anderer die Problematiken zwischenmenschlicher (romantischer) Beziehungen: Die meisten seiner Hauptfiguren sind wie gesagt zum einen sehr tief in einem zutiefst Bourgeoisen/Lustfeindlichen Umfeld verankert (zumeist versinnbildlicht durch herrschsüchtige Mutterfiguren), scheitern zum anderen aber auch an sich selbst. Sie tun sich schwer im Umgang mit selbstständigen, emanzipierten Frauen, da Emanzipation sich schwer mit ihrem konservativen Wertekosmos vereinigen lässt, leiden an Mutterkomplexen, wollen die Frauen in ihrem Leben kontrollieren, fühlen sich vielleicht auch minderwertig. Ein ganzes Lexikon an männlichen Sexualneurosen ließe sich aus Hitchs Gesamtwerk zusammenschreiben. Eine Katharsis ist nur durch eine Veränderung der Mentalität möglich, weshalb es auch interessant ist, dass Hitchcocks Karriere sich genau dann dem Ende neigte als dies in der westlichen Welt gerade wirklich passierte. Beziehungen können nur dann funktionieren, wenn die Kontrollsucht (eine Eigenschaft der "alten Welt", denn gerade die Mütter sind in seinen Filmen ja Quelle der Kontrollsucht) beiseite geschoben ist und gegenseitiges Vertrauen da ist. Manchen Charakteren gelingt das gar nicht (Scotty oder Norman Bates), andere versuchen sich dagegen zu sträuben (Cary Grant in Notorious oder North by Northwest). Es sind dennoch meist die Frauen die bei Hitchcock gewinnen.
                    Natürlich wäre das alles sehr nebensächlich, würde Hitchcock nicht auch entsprechende Bilder für diese höchst Abstrakten und Komplexen Vorgänge finden, was ich aber als Fazit dieses kurzen Gedankenganges hervorheben möchte ist, dass Hitchcock vor allem auch zu den intelligentesten Regisseuren der Filmgeschichte zählt, ein Platz der ihm in der allgemeinen Filmrezeption -leider- meist zu unrecht verwehrt bleibt.

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                    • Helmholtz 23.06.2016, 14:18 Geändert 27.06.2016, 15:14

                      Was ich an The Wire besonders mag, ist wie die Serie die komplexen Dynamiken sozialer Systeme versteht, als komplexe Eigenleben entwickelnde Elemente inszeniert und vor allem fühlbar macht. Wunderbar ist die Konstellation von Frank und Ziggy Sabotka, die beide Opfer dieser sozialen Systeme sind. Wie der Vater kämpft sich auch der Sohn durch sein Leben - auch wenn sein Kampf im kleineren Rahmen stattfindet: Ihm geht es um Akzeptanz, und Respekt, dem Vater darum, die Arbeitsplätze der Hafenarbeiter zu retten. Den Untergang beider Figuren legt The Wire wundervoll zeitlich übereinander, nachdem man eine Staffel lang gebannt das Schicksal beider Figuren beobachtet hat. Dabei wird auch klar, dass die Niederlagen des Vaters auch den Sohn dahin gebracht haben, wo er ist. Gäbe es am Hafen sichere Arbeitsplätze, wäre Ziggy wohl nie auf die schiefe Bahn geraten. Der Autodiebstahl war letztendlich ja auch nur ein verzweifelter Versuch sich eine bessere Zukunft zu erkämpfen. Und die kann es an den "Docks" wohl gar nicht geben.
                      Auch schön ist, wie die Serie ihren Figuren doch immer die Wahl gibt: Bubbes zum Beispiel ist die moralischste Figur in The Wire und gerade deshalb so interessant (und die Lieblingsfigur vieler, meiner inklusive). Er schlägt sich als Junkie auf der Straße durch, will sich das Geld für seinen Stoff dennoch auf mehr oder weniger saubere Art verdienen. Nicht nur das, er kümmert sich auch noch um jüngere Junkies, denen es genauso schlecht geht wie ihm. Jeden Schicksalsschlag nimmt er hin, nie verliert er seine Integrität und seinen Willen, die Welt um ihn herum zu einen besseren Ort zu machen, obwohl er selbst am allerwenigsten hat. Hier könnte es sich die Serie sehr leicht machen und ihn nach Karma-Logik gegen Ende mit Glück überschütten. Tut sie aber nicht. Der ganz kleine Triumph ("Ain't no shame holding on to your grief, as long as you make room for other things too"), ist es die Sucht überlebt zu haben, vielleicht als reiferer, stärkerer Mensch. Aber dieser Triumpf ist hart erkämpft und hat tiefe Narben hinterlassen. Als Publikum hat man diesen harten Kampf miterlebt und dieses kleine Happy-End ist schöner und poetischer als man es sich wünschen könnte.
                      Ein Herz für The Wire, Bubbes und diesen Artikel ♥

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                        Helmholtz 10.06.2016, 12:26 Geändert 10.06.2016, 22:17

                        Die Dauerironie und die dauernden Referenzen auf sich selbst brechen Deadpool das Genick, legen die Logik des Films nach kurzer Zeit frei und lassen ihn damit furchtbar vorhersehbar werden. Perfide: Um den Hauptcharakter seinen Sadismus voll auskosten lassen zu können reichen nicht mal eine handvoll coole Sprüche, nein, damit er das darf, was er eben macht, muss er zuerst noch sadistisch gefoltert werden, damit man seinem Handeln auch etwas Verständnis entgegenbringen kann. Einen reinen Antihelden könnte Marvel eben doch nie ertragen. Sein oberflächliches Weltbild entlarvt der Film selbst in einer Szene im Stripclub- wo (wer kann/will den Typen eigentlich noch sehen?) Stan Lee verkündet: "You can't buy love, but you can rent it for three minutes." -genauso wie in den wiederkehrenden Gesprächen mit einem Taxifahrer, dem Deadpool empfiehlt einen attraktiveren Nebenbuhler umzulegen -sonst hätte er in der Liebe keine Chance. In der Welt von Deadpool zählen nur zwei Dinge: Ironie und Attraktivität. Fertig.
                        Ansonsten macht der ein oder andere Fight schon was her, generell ist Deadpool jedoch (ironischer Weise) vor allem eines: Ugly as fuck. Die Setpieces sind ausnahmslos hässlich, die Farbpalette wird von endlosem grau dominiert, dem CGI sieht man an, dass das Budget knapp war. Marvel wieder einmal an (oder schon längst über?) der Grenze zum Totalversagen.

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                        • Mein Vorschlag: "Ray Velcoro" aus "True Detective"

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                          • ♥ Joanna Newsom ♥
                            P.S: Video anschauen, ist geil.

                            • Ja ok. Schon schade. Mochte ihn schon. War glaub ich auch einer von den guten, was die Auseinandersetzung mit Film(en) betrifft. Frag mich aber schon sehr warum er genau jetzt ging. Weiß da jemand genaueres? Unabhängig davon finde ich es auch schade, wie selten es generell auf MP zu gehaltvollen Diskussionen kommt. Anscheinend haben viel hier manchmal etwas Angst anderen mit ihrer Meinung auf den Schlips zu treten und behalten sie deshalb lieber für sich. Das ist aber vor allem schade, denn es gibt keinen Grund Angst davor zu haben sich eine Meinung zu bilden und diese auch mitzuteilen. Ich will Val nicht nachplerren, wär doch dämlich. Aber der Typ sagte eben -man mag sonst von ihm halten was man will- immer seine Meinung, und verdammt, er hatte eine Meinung und über die konnte er sehr wohl diskutieren. Es wäre wohl im Sinne dieser Seite und aller ihrer Mitglieder so eine Art zu diskutieren auch in Zukunft nicht missen zu lassen. Sonst könnte das hier sehr schnell eine sehr langweilige Seite werden.

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                              • Helmholtz 09.02.2016, 16:08 Geändert 10.02.2016, 00:12

                                Man munkelt ja letztens nicht selten Emmanuel Lubezki würde dieses Jahr seinen dritten Oscar in Folge gewinnen. Abgesehen davon, dass der mindestens genauso talentierte Roger Deakins damit auch nach seiner dreizehnten Nominierung immer noch ohne Auszeichnung dastehen würde müsste das bei einem Meister wie Lubezki doch klar gehen, oder? Naja, eigentlich nicht so sehr. Bei einem Blick auf die anderen Nominierten müsste es eigentlich heißen: Auf keinen Fall. Lubezki ist ganz sicherlich eine Klasse für sich wenn es sich um die Komposition von Bewegungen geht und das merkt man auch dem Revenant an: In den ersten Szenen taucht die Kamera ein in einen brutalen Kampf zwischen Indianern und Trappern, folgt lose einzelnen Figuren, zieht mal hierhin mal dahin, überall bewegen sich Körper, werden aufgespießt, erschossen, fallen aus Bäumen und, und, und... Tatsächlich erahnt man in diesem Chaos auch eine kompositorische Ordnung, die ihr Schönheit und Struktur verleiht. Das ist aber dann auch schon das einzige Pro-Argument für den Oscar, dass Lubezki vorbringen könnte. Im Folgenden möchte ich aufzeigen dass die Kameraarbeit in The Revenant:

                                1. Nicht sonderlich originell ist
                                2. Die Schauspieler in ihrer Freiheit einschränkt
                                3. Die Themen des Films nicht unbedingt adäquat unterstreicht

                                1. Dass die Kameraarbeit in diesem Film nicht wirklich die originellste ist, fällt einem wohl zuallererst auf. Sie wiederholt die selben Bewegungsabläufe, Geschwindigkeiten, Positionen zu den Subjekten wie sie es schon in den meisten Arbeiten des mexikanischen Kameramanns tat, vor allem in den Zusammenarbeiten mit Terrence Malick (The New World, The Tree of Life) aber auch in denen mit Alfonso Cuaron. Auch scheinen sich einige Einflüsse Tarkovskys eingeschlichen zu haben (https://vimeo.com/153979733). Wirklich auf die Anforderungen eines solchen Filmes angepasst scheint sich Lubezki aber nicht zu haben, was aber schon in den Bereich von Punkt 2) und 3) vordringt.
                                2. Nichts empfand ich in diesem Film so störend wie die dauernde Präsenz von Leonardo DiCaprios lädierter Fresse. Mal mit Erde beschmiert, mal mit Eiszapfen im Bart, mal in Tränen aufgelöst, oft blutend, dann vernarbt, manchmal schreiend oder wild die Augen aufreißend, dann fast schon wieder die Kamera vollsabbernd. (Fast) immer in unerträglichen Close-Ups (oder Shoulder-Close-Ups). Als sein Sohn stirbt sogar so, dass sein Gesicht teils abgeschnitten ist und das eine Auge in dem sich massenweise Tränen sammeln schön im Zentrum ist. Poetisch? Eher aufdringlich. Wenn man sich z.B. Alwin Küchlers Arbeit in Steve Jobs ansieht, dann erkennt man wie sehr das Schauspiel des einzelnen (also konkret Fassbenders) und das des gesamten Casts von etwas Abstand profitieren. Die Kamera gibt ihnen Raum. Raum vor allem zur Interaktion mit ihrer Umwelt. Raum aber auch als Distanz für das Publikum. Distanz die einem Lubezki aber nicht gewähren will. Immer und immer wieder sucht die Kamera DiCapios Gesicht was z.B. in der Szene besonders penetrant wird in der DiCaprio sich aus seinem Grab befreit: Die Kamera rückt immer mehr nach hinten, während DiCaprio nach vorne kriecht, der Abstand bleibt aber der selbe. Auf der einen Seite soll das eine Befreiung sein, Filmsprachlich ist das aber nur einschränkend. Für Publikum und Darsteller.
                                3. Für das scheitern des Filmes ist ja eigentlich größtenteils nicht Lubezki sondern Innaritu verantwortlich, der sich - den Vergleich wollte ich schon lange mal bringen- gerade als der Cuaron des Bildungsbürgertums anbietet. So leidet auch hier ein eigentlich interessanter Genrefilm unter seinen zu hochgesteckten Ambitionen. Die Terrence-Malick Posen sind hier störende Fremdkörper, die sich überhaupt nicht mit der grimmigen Gewalt seiner Survival-Film-Ambitionen vereinen zu lassen scheinen.
                                Und dann: So viel urtümlichkeit, natürliches Licht, Sets am mitten in der Wildnis, am Arsch der Welt und auf der anderen Seite doch das bisschen Color-Grading, das bisschen CGI und die perfekten Kamerafahrten. Die formale Eleganz und das eben nicht so so dreckige Konzept finden hier ja eigentlich keinen gemeinsamen Nenner. Darf man hier schon von einer nicht adäquaten Wahl filmischer Mittel sprechen?
                                Was dem Film letztendlich ziemlich das Genick bricht ist -und das ist die Konsequenz der vorherigen Punkte- dass diese Kameraarbeit auf über zweieinhalb Stunden Laufzeit einfach ermüdend für Auge und Verstand ist. Sie wirkt wie ein Gimmick, ein fauler Zaubertrick um einen zum Staunen zu bringen, ein mahnende Schild auf dem steht:"Hier passiert gerade Tragik", bestenfalls wie das Opium für die in Sachen Inszenierung nicht so bewanderten Masse von Durschnittskinogehern. Nicht wie ein formales Element, dass nahtlos mit anderen Komponenten des Films ineinandergreift um einem Tragik und Subtext des Stoffes auf filmische Art nahe zu bringen so wie man es von "purem Kino" erwartet.
                                Pures Kino, dafür steht der Name Lubezki immer noch, dafür stand er schon lange, dafür wird er wohl auch noch lange stehen. Und vielleicht könnte man ihm auch dieses Jahr den Oscar geben, denn schließlich ist der Kameramann auch nur ein Handwerker, der die Vision eines Anderen auf Film brennt. Und Lubezki hat zweifelsfrei solides Handwerk abgeliefert. Handwerk ist aber nicht alles und der Oscar sollte an jemanden gehen, der eben "pures Kino" geschaffen hat, Kino das die Jahre überdauert. Und dafür muss es schon etwas mehr sein als "Imposant" oder "Episch".

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                                  Das hätte hier wohl keiner erwartet: https://www.fandor.com/keyframe/video-evidence-oscar-2016-best-picture

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                                  • https://vimeo.com/152380205

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                                    • https://vimeo.com/152893008

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                                      • Wolfgang M. Schmitt jun. muss jetzt schon auf Twitter explizit noch mal darauf hinweisen wie kontrovers seine Filmanalyse doch ist - süß :D
                                        https://twitter.com/SchmittJunior/status/689044823567937536

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                                        • https://vimeo.com/152119318

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                                          • https://vimeo.com/152018538

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                                            • Helmholtz 17.01.2016, 23:38 Geändert 18.01.2016, 19:00

                                              "Ein sehr zügelloser Film, veredelt nur durch seine Landschaftsaufnahmen. Umständliches Verharren auf unnütze Details. Der Film bestätigt ihn als im Grunde schwachen Regisseur, der sehr viel Philosoph aber kaum Cineast ist, ein begabter Fotograf aber schlechter Erzähler, viel zu geschwätzig um auch interessant zu sein."
                                              -Piero Scaruffi, Musik- und Filmkritker über Tarkowski als Regisseur und speziell über "Offret". Mehr oder weniger wortwörtlich übersetzt von meiner Wenigkeit.

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                                                • Hatte ja irgendwie gehofft, dass Kristen Stewart als beste Nebendarstellerin nominiert wird...

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                                                  • Helmholtz 07.01.2016, 20:50 Geändert 07.01.2016, 21:58

                                                    Bin gerade über den Artikel gestoßen und konnte nicht anders als auch 'ne kleine Liste zu erstellen. Hoffe mein weirder Musikgeschmack ist hier nicht ganz unerwünscht :P

                                                    Ohne Reihenfolge:
                                                    Nine Inch Nails: The Downward Spiral
                                                    Morphine - Good
                                                    Slint - Spiderland
                                                    Slint - Untitled EP
                                                    Hash Jar Tempo - Well Oiled
                                                    Fugazi - Repeater
                                                    Fugazi - Fugazi
                                                    Bark Psychosis - Hex
                                                    Primus - Frizzle Fry
                                                    Neutral Milk Hotel - In the Aeroplane Over The Sea
                                                    Bright Eyes - Letting Off the Happiness

                                                    Kenne ich noch zu wenig, dennoch sehr ansprechend:
                                                    Mercury Rev - Yerself is Steam
                                                    Caspar Brötzmann - Koksofen
                                                    Vampire Rodents - Lullaby Land
                                                    Morphine - Yes
                                                    Black Tape for a Blue Girl - Remnants of a Deeper Purity
                                                    Nick Cave - The Good Son
                                                    Dadamah - This Is Not a Dream
                                                    Talk Talk - Laughing Stock

                                                    Vor allem an den vier vorherigen Jahrzehnten gemessen eine musikalisch eher unspektakuläre Zeit, vor allem was die Mainstreammusik angeht. Auch die Dekade der schrecklich überschätzten Musiker. Vielleicht habe ich mich deshalb mit der Musik aus dieser Zeit auch (noch) nicht ganz so sehr auseinandergesetzt :P

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